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Datenschutz: Übermittlung einer amtsärztlichen Arbeitsfähigkeitsuntersuchung

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Datenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Untersuchungen der Dienstfähigkeit bayerischer – staatlicher wie kommunaler – Beamtinnen und Beamter haben den Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz (BayLfD) bereits wiederholt beschäftigt, vgl. etwa den Beitrag Nr. 9.3 in seinem 29. Tätigkeitsbericht 2019, den Beitrag Nr. 11.4 in seinem 25. Tätigkeitsbericht 2012 oder den Beitrag Nr. 16.3.3 in seinem 21. Tätigkeitsbericht 2004.

Im Berichtszeitraum 2021 hat sich der BayLfD anlässlich einer Beschwerde vertieft mit dem Datenschutz bei amtsärztlichen Untersuchungen der Arbeitsfähigkeit Tarifbeschäftigter befasst. Dabei ging es um die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang ein Gesundheitsamt dem beauftragenden Arbeitgeber Untersuchungsergebnisse mitteilen darf. Was den Mitteilungsumfang betraf, trug die Praxis den rechtlichen Vorgaben jedenfalls im konkreten Fall nach Einschätzung des BayLfD nicht hinreichend Rechnung.

In seinem unten vermerkten 31. Tätigkeitsbericht 2021 vom 25.05.2022 legt dies der BayLfD unter Nr. 8.5 im Einzelnen wie folgt dar:

1. Regelungen zum Nachweis der Arbeitsfähigkeit

„Verschiedene, im Wesentlichen gleichlautende tarifvertragliche Regelungen sehen vor, dass Arbeitgeber Tarifbeschäftigte unter gewissen Voraussetzungen dazu verpflichten können, einen Nachweis über ihre Arbeitsfähigkeit zu erbringen. Der Nachweis hat dabei in Form einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung zu erfolgen. Mit der vorangehenden Untersuchung können unter anderem Amtsärzte beauftragt werden (vgl. nur § 3 Abs. 5 Sätze 1 und 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder – TV-L; § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – TVöD) …

Für eine solche amtsärztliche Untersuchung sind gemäß Art. 3 Abs. 2 Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (GDVG) grundsätzlich die unteren Behörden für Gesundheit, Veterinärwesen und Verbraucherschutz (Gesundheitsämter) zuständig. Das Ergebnis der Untersuchung wird meist in einem Gesundheitszeugnis festgehalten. Dieses Zeugnis ist für die personalverwaltende Stelle bestimmt, welche den Untersuchungsauftrag erteilt hat.“

2. Mitteilung der Untersuchungsergebnisse an den Arbeitgeber

2.1 Rechtsgrundlage

„Tarifrechtliche Regelungen wie etwa § 3 Abs. 5 TV-L verpflichten Beschäftigte (lediglich) dazu, ihre Arbeitsfähigkeit durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Ausgehend vom Wortlaut dieser Vorschriften ist es insoweit ausreichend, wenn die Amtsärztin oder der Amtsarzt nach Abschluss der Untersuchung das Gesundheitszeugnis dem betroffenen Beschäftigten oder der betroffenen Beschäftigten aushändigt. Der oder dem Beschäftigten obliegt es dann, das Gesundheitszeugnis ihrem oder seinem Arbeitgeber vorzulegen. Wohl aus Grün-den der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung sind die Gesundheitszeugnisse in den von mir geprüften Fällen allerdings direkt vom Gesundheitsamt an den beauftragenden Arbeitgeber übermittelt worden. Dies wirft die Frage nach einer entsprechenden Übermittlungsbefugnis der Gesundheitsämter in diesen Fällen auf. Dabei sind insbesondere die Vorgaben des Art. 30 GDVG zu beachten …

Der Arbeitgeber kann die Untersuchung der Arbeitsfähigkeit einer oder eines Beschäftigten nicht erzwingen. Es handelt sich mithin um eine Untersuchung bzw. Begutachtung, der sich die betroffenen Beschäftigten im Sinne des Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GDVG freiwillig unterziehen.[1] Dies hat zur Folge, dass die Ergebnisse einer solchen Untersuchung dem besonderen Geheimnisschutz des Art. 30 GDVG unterliegen. Gesundheitsämter dürfen diese Untersuchungsergebnisse daher nur übermitteln, wenn eine Rechtsvorschrift dies ausdrücklich zulässt oder die betroffenen Personen zuvor in die Übermittlung ausdrücklich eingewilligt haben (Art. 30 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 GDVG).

Für Untersuchungen der Dienstfähigkeit bei Beamtinnen und Beamten normiert Art. 67 Abs. 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) unter gewissen Vorausset-zungen eine ausdrückliche Übermittlungsbefugnis. Diese Vorschrift findet auf Tarifbeschäftigte jedoch keine Anwendung. Eine dem Art. 67 Abs. 1 BayBG vergleichbare Regelung für tarifrechtlich vorgesehene Arbeitsfähigkeitsuntersuchungen existiert nicht. Insbesondere bietet Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG in diesem Zusammenhang keine hinreichende ausdrückliche Rechtsgrundlage im Sinne des Art. 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GDVG: Denn ein Rückgriff auf die generalklauselhaften Übermittlungstatbestände dieser Vorschrift würde den gesetzlich normierten besonderen Geheimnisschutz des Art. 30 Abs. 1 GDVG im Ergebnis leerlaufen lassen.

Die Übermittlung der Ergebnisse einer Arbeitsfähigkeitsuntersuchung durch die Gesundheitsämter an Arbeitgeber ist somit gemäß Art. 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GDVG nur auf Grundlage einer zuvor erteilten ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Beschäftigten zulässig. Die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11, Art. 7 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a DSGVO sind dabei zu beachten. Einen Verstoß gegen diese Vorgaben habe ich im konkreten Beschwerdefall nicht feststellen können.“

2.2 Mitteilungsumfang

„Klärungsbedarf bestand allerdings, was den Umfang der Mitteilung des Gesundheitsamtes an den Arbeitgeber angeht. In dem an mich herangetragenen Sachverhalt hatte das beauftragte Gesundheitsamt dem Arbeitgeber neben Feststellungen zur eingeschränkten Arbeitsfähigkeit der betroffenen Person auch die zugrunde liegende ,Funktionsstörung‘ mitgeteilt. Gemeint sind damit recht abstrakte Angaben wie etwa ,Störung des Bewegungsapparates‘, ,(chronische) seelische Störung‘ oder ,Störung aus dem psychiatrischen Formenkreis‘. Nach Darstellung des Gesundheitsamtes war die Mitteilung der ,Funktionsstörung‘ an den Arbeitgeber unter Verwendung einer entsprechenden ,Standard-Formulierung‘ erfolgt. Es bestand daher Anlass zu der Annahme, dass die Weitergabe diesbezüglicher Angaben durch die Gesundheitsämter verbreitet praktiziert wird.

Zwar handelt es sich bei der Angabe einer ,Funktionsstörung‘ nicht um eine medizinische Diagnose im engeren Sinn. Gleichwohl stellt diese Angabe ein Gesundheitsdatum dar, welches im Regelfall zumindest abstrakt auf die ,Art‘ einer Erkrankung hinweist. Die Mitteilung einer ,Funktionsstörung‘ gegenüber einem Arbeitgeber muss daher ebenfalls durch eine Rechtsgrundlage gedeckt sein. Dies war in vorliegendem Zusammenhang allerdings nicht der Fall.

Auch bei Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Person in die Weitergabe der Ergebnisse einer Arbeitsfähigkeitsuntersuchung an den Arbeitgeber gilt der datenschutzrechtliche Erforderlichkeitsgrundsatz: Das Gesundheitsamt darf dem Arbeitgeber personenbezogene Daten nur mitteilen, wenn und soweit dies zur Erfüllung des jeweiligen Gutachtensauftrags erforderlich ist. Denn die gesetzliche Erhebungsbefugnis des Arbeitgebers ist durch den Maßstab des Erforderlichen begrenzt (vgl. Art. 103 Satz 1 BayBG in Verbindung mit Art. 145 Abs. 2 BayBG).

Der zulässige Rahmen eines Begutachtungsauftrags ergibt sich aus den jeweils einschlägigen rechtlichen Bestimmungen. Zumindest mittelbar konkretisieren und begrenzen diese Bestimmungen zugleich Inhalt und Umfang der ärztlichen Begutachtung sowie der damit zusammenhängenden Datenverarbeitung durch das Gesundheitsamt; dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Übermittlung von Ergebnissen der Begutachtung an den jeweiligen Auftraggeber. Die Einwilligung der betroffenen Person legitimiert in diesem Zusammenhang (allein) den Übermittlungsvorgang (siehe bereits oben); sie führt aber nicht dazu, dass die gesetzliche Erhebungsbefugnis des Arbeitgebers nach Art. 103 Satz 1 BayBG in Verbindung mit Art. 145 Abs. 2 BayBG über das zur Zweckerreichung Erforderliche hinaus ,ausgeweitet‘ wird. Bezüglich der Untersuchung der Arbeitsfähigkeit Tarifbeschäftigter bedeutet das: Schon nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (vgl. etwa § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L, § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD) sind betroffene Beschäftigte (allein) dazu verpflichtet, durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind.

Erforderlich im Sinne von Art. 103 Satz 1 BayBG sind in einer entsprechenden Bescheinigung daher nur Angaben, die in direktem Zusammenhang mit der Frage der Arbeitsfähigkeit stehen. Dies betrifft etwa den Umfang der Arbeitsfähigkeit, gegebenenfalls auch präzisierende Ausführungen zu Tätigkeitsbereichen, in denen Arbeitsfähigkeit (nicht) besteht. Demgegenüber war für mich nicht erkennbar, weshalb in einer solchen ärztlichen Bescheinigung darüber hinausgehende Informationen zu einer vorhandenen Erkrankung (sei es auch nur durch die abstrakte Angabe einer ,Funktionsstörung‘) notwendig sein sollten.[2]

Aufgrund der Aussage des Gesundheitsamtes, im Hinblick auf die ,Funktionsstörung‘ auf eine ,Standard-Formulierung‘ zurückgegriffen zu haben, hatte ich Grund zu der Annahme, dass die Regelungssystematik nicht allen Gesundheitsämtern hinreichend deutlich geworden ist. Daher habe ich das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gebeten, den Gesundheitsämtern die dargestellte Rechtslage noch einmal zu verdeutlichen. Das Gesundheitsministerium ist meiner Bitte zwischenzeitlich nachgekommen.“

3. Erforderlichkeit einer Einwilligung des Beschäftigten zur Übermittlung des Untersuchungsergebnisses und dessen zulässiger Inhalt

„Tarifbeschäftigte haben unter gewissen Voraussetzungen einen Nachweis über ihre Arbeitsfähigkeit zu erbringen. Eine Übermittlung der Untersuchungsergebnisse durch die Gesundheitsämter an Arbeitgeber ist nur zulässig, wenn die betroffenen Beschäftigten zuvor ausdrücklich hierin eingewilligt haben. Im Hinblick auf den zulässigen Mitteilungsumfang gilt der datenschutzrechtliche Erforderlichkeitsgrundsatz: Mitgeteilt werden dürfen daher nur Angaben, die in direktem Zusammenhang mit der Frage der Arbeitsfähigkeit stehen. Auf die Mitteilung einer Diagnose oder auch (nur) einer ,Funktionsstörung‘ trifft dies allerdings nicht zu – eine solche Angabe hat daher in einem Gesundheitszeugnis zur Arbeitsfähigkeit zu unterbleiben.“

Der 31. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 25.05.2022 ist hier abrufbar.

 

Entnommen aus FStBay, 21/2022, Rn. 257

[1] Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zur Vorgängernorm des Art. 30 GDVG, Landtags-Drucksache 10/8972, S. 14.

[2] Vgl. hierzu auch Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.8.2012 – 6 Sa 568/12, BeckRS 2012, 75192, Nr. 3.2.1.2.2.1.