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Verwendung alternativer Ampelfiguren

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Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 20.07.2022 lag im Kern folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger beantragte, die Beklagte (Stadt) zu verurteilen, alle von Standarddarstellungen abweichenden Ampelscheiben im Zentrum der Stadt unverzüglich abzumontieren und dauerhaft durch die üblichen standardisierten Ampelscheiben zu ersetzen.

Zuvor hatte die Stadt (nach dem Vorbild der Stadt Wien) an mehreren Standorten Fußgängerampeln eingerichtet, bei denen das Sinnbild „Fußgänger“ Paare aus einem Mann und einer Frau, zwei Männern oder zwei Frauen zeigt. Die jeweils auf der roten, oberen Streuscheibe dargestellten Paare sind stehend abgebildet, die auf der unteren, grünen Streuscheibe schreitend. Die gehenden Paare fassen sich an den Händen, ebenso wie zwei wartende Paare. Eine weitere rote Streuscheibe zeigt zwei Männer, die sich die Arme um die Schultern legen. Auf mehreren Streuscheiben finden sich zusätzlich Herzchen, bei einem Pärchen „Schmetterlinge im Bauch“.

Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht mangels Klagebefugnis des Klägers abgewiesen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb vor dem VGH ebenfalls ohne Erfolg. Der Entscheidung entnehmen wir folgende Erwägungen:

1. Allgemein zur Klagebefugnis nach der VwGO

„Nach § 42 Abs. 2 VwGO muss ein Kläger geltend machen können, durch den angefochtenen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass dieses Erfordernis für die – hier nach Auffassung des Senats allein statthafte, auf Folgenbeseitigung als schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln zielende – allgemeine Leistungsklage entsprechende Anwendung findet. Denn in § 42 Abs. 2 VwGO kommt ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck. Dieser ist vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG wenn auch nicht ausschließlich, so doch in erster Linie auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.4.2016 – 1 C 3.15 – BVerwGE 154, 328 Rn. 16; Happ in Eyermann, VwGO 16. Aufl. 2022 § 42 Rn. 80).

Zur Geltendmachung ist es in tatsächlicher Hinsicht erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Kläger Tatsachen vorträgt, die eine Verletzung rechtlich geschützter Positionen denkbar und möglich erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 27.02.2019 – 6 C 1.18 – BVerwGE 164, 368 Rn. 14 …). Daran fehlt es im Falle der allgemeinen Leistungsklage, wenn der vom Kläger behauptete Anspruch offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.1.1991 – 8 B 164.90 – NVwZ 1991, 574, juris Rn. 4; Urteil vom 20.10.2016 – 2 A 2.14 – BVerwGE 156, 193 Rn. 16). So liegt es insbesondere, wenn die Sachlage in so hohem Maße eindeutig ist, dass eine schutzwürdige Rechtsposition des Klägers von vornherein auszuschließen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.01.1993 – 4 B 206.92 – NVwZ1993, 884, juris Rn. 6, 15). Die bloße Behauptung einer Rechtsverletzung reicht demnach, anders als der Kläger meint, nicht aus (BVerwG, Beschluss vom 10.05.1993 – 3 B 113.92 – NIVV 1993, 3002, juris Rn. 4 …).“

2. Offen bleibt, ob das in der StVO festgelegte Sinnbild „Fußgänger“ auch für Lichtsignalanlagen gilt

„Gelten Lichtzeichen von Lichtzeichenanlagen (Verkehrsampeln) nur für zu Fuß Gehende, wird dies nach § 37 Abs. 2 Nr. 5 der Straßenverkehrsordnung vom 06.03.2013 (StVO, BGBl I S. 367), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2021 (BGBI I S. 3091), durch das Sinnbild ,Fußgänger‘ angezeigt.

In Deutschland finden sich mittlerweile eine ganze Reihe ,alternativer‘ Ampelfiguren. Diese stellen als ,Fußgänger‘ zum Beispiel Angehörige von Berufen mit besonderem Bezug zum Aufstellungsort (etwa das Bergmann-Ampelmännchen in Essen), Sagenfiguren oder Wahrzeichen (wie die Bremer ,Ampelmusikanten‘, das Kasperle in Augsburg oder das Mainzelmännchen in Mainz), historische Persönlichkeiten (z.B. die Luther-Ampel in Worms) oder aber Figuren dar, die eine Botschaft vermitteln, etwa für die Gleichberechtigung von Mann und Frau (z.B. Ampelfrauen in Köln), die für Toleranz gegenüber verschiedenen sexuellen Orientierungen werben sollen (z.B. homosexuelle Ampelpärchen in Hamburg) oder die sonst das Thema ,Vielfalt‘ ansprechen (wie die Ampeln für die Vielfalt in Langenhagen bei Hannover, die u.a. einen Rollstuhlfahrer, homo- und heterosexuelle Paare und Menschen mit Gehstock zeigen).

Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, ob die Straßenverkehrsordnung für das Sinnbild ,Fußgänger‘ im Sinn des § 37 Abs. 2 Nr. 5 StVO zwingend eine Ausgestaltung entsprechend dem Sinnbild ,Fußgänger‘ für Verkehrszeichen in § 39 Abs. 7 StVO sowie nach Ziffer 6.2.7 der Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA) 2015 vorgibt und der Verwendung andersartiger Sinnbilder entgegensteht (in diesem Sinne Wern in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 01.12.2021, § 37 StVO Rn. 45; Dabringhaus, NZV 2020, 636/637).

Diese Frage kann hier jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn die Verwendung der Wiener Ampelpärchen objektiv-rechtlich nicht in Einklang mit § 37 Abs. 2 Nr. 5 StVO stehen sollte, erscheint es nach dem vorgetragenen Sachverhalt offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, dass dem Kläger allein wegen einer Abweichung von diesen Vorgaben ein Anspruch auf Austausch der Streuscheiben beziehungsweise auf Ausgestaltung im Sinne der Ziffer 6.2.7 RiLSA zustände. Denn diese dienen ersichtlich allein der Einheitlichkeit, Verständlichkeit sowie Verkehrssicherheit und damit Allgemeininteressen, nicht jedoch dem Individualinteresse des Klägers (vgl. dazu auch den Beschluss des Bund-Länder-Fachausschusses zur Straßenverkehrsordnung vom 16./17.01.2019, wiedergegeben in der Drucksache 19/2025 des Schleswig-Holsteinischen Landtags). Weitergehende Fragen dazu wirft der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht auf.“

[…]

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 15/2023, Rn. 177.