Gesetzgebung

Kommunale Verpackungssteuer

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Städte und Gemeinden innerhalb wie außerhalb Bayerns befassen sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema Verpackungssteuer. Einen ersten Vorstoß der Stadt Kassel hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor 25 Jahren wegen eines Widerspruchs der kommunalen Satzung zum damaligen Bundesabfallrecht für verfassungswidrig erklärt. Vor wenigen Jahren unternahm die Universitätsstadt Tübingen, die Antragsgegnerin des hiesigen Verfahrens, einen erneuten Anlauf und erließ am 30.1.2020 eine Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer (Verpackungssteuersatzung – VStS), die zum 1.1.2022 in Kraft trat. Mittels der Steuer sollten Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Straßenbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden.

§ 1 der Satzung („Steuererhebung, Steuergegenstand“) lautet auszugsweise:

„(1) Die Universitätsstadt Tübingen erhebt nach Maßgabe der folgenden Vorschriften auf nicht wiederverwendbare Verpackungen (Einwegverpackungen) und nicht wiederverwendbares Geschirr (Einweggeschirr) sowie auf nicht wiederverwendbares Besteck (Einwegbesteck) eine Steuer, sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares Take-away-Gericht verkauft werden (z.B. warme Speisen und Getränke, Eis von der Eisdiele, Salat mit Soße und Besteck, Getränke ,to go‘).“

§ 2 bestimmt als Steuerschuldner die Endverkäufer der besagten Speisen und Getränke.

Nach § 4 Abs. 1 beträgt der Steuersatz 0,50 j für jede Einweggetränke und Einweglebensmittelverpackung und 0,20 j für Einwegbesteck; der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist nach § 4 Abs. 2 auf maximal 1,50 j begrenzt. §§ 5 ff. treffen weitere (verfahrensmäßige) Regelungen, u.a. zu einem Betretungsrecht der Stadtverwaltung der Antragsgegnerin im Rahmen der Steueraufsicht.

Gegen die Satzung stellte die Antragstellerin, die Inhaberin eines im Stadtgebiet der Antragsgegnerin gelegenen Schnellrestaurants mit Drive-in-Schalter ist, einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim. Der VGH erklärte die Satzung antragsgemäß für unwirksam, weil es schon am örtlichen Bezug der Steuer fehle und die Verpackungssteuer zudem im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes stehe (Urteil vom 29.3.2022 – 2 S 3814/20). Er ließ die Revision gegen sein Normenkontrollurteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit unten vermerktem Urteil vom 24.05.2023 die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert und die Satzung im Wesentlichen für rechtmäßig erklärt. Das Urteil enthält grundsätzliche Ausführungen zum örtlichen Charakter der kommunalen Steuer einerseits und zur Frage eines möglichen Widerspruchs zum geltenden Abfallrecht andererseits. Es ist von besonderer Bedeutung für alle – auch bayerischen – Kommunen, die sich mit dem Gedanken tragen, ebenfalls eine Verpackungssteuer auf den Weg zu bringen.

1. Abgrenzung zwischen Verbrauchsteuern und Aufwandsteuern

Zunächst prüft das BVerwG, ob die Antragsgegnerin für den Erlass der Satzung zuständig war. Dies setzt voraus, dass es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauch- oder Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG handelt. Im ersten Schritt grenzt das Gericht Verbrauchs- und Aufwandsteuern voneinander ab:

„Verbrauchsteuern sind Warensteuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten (BVerfG, Urteil vom 7.5.1998 – 2 BvR 1991,1) 2004/95 – BVerfGE 98, 106 [123 f.] m.w.N.). Als indirekte Steuern werden sie zwar auf der Ebene des Verteilers oder Herstellers des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben; sie sind aber auf eine Überwälzung auf den privaten Endverbraucher angelegt, dessen – in der Einkommensverwendung zu Tage tretende – wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sie abschöpfen sollen (vgl. zur Kernbrennstoffsteuer als einer überörtlichen Verbrauchsteuer BVerfG, Beschluss vom 13.4.2017 – 2 BvL 6/13 – BVerfGE 145, 171 Rn. 119 m.w.N.).

Ein Verbrauch ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Besteuerungsgegenstand nach Abschluss des konkreten Verwendungsvorgangs gemäß dem Sinn und Zweck des Gesetzes verbrauchsteuerrechtlich als nicht mehr existent angesehen oder funktions- und wertlos werden soll (BVerfG, Beschluss vom 13.4.2017 – 2 BvL 6/13 – BVerfGE 145, 171 Rn. 129).

Im Unterschied dazu stellen Aufwandsteuern nicht auf einen (einmaligen) Verbrauchsvorgang, sondern auf den Gebrauch von – in der Regel nicht verbrauchsfähigen, also nach dem Gebrauch noch existenten – Gütern und Dienstleistungen ab (vgl. Christ, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2. Aufl. 2022, Abschn. C. Rn. 268 mit Fn. 281). Sie besteuern die durch den Erwerb, das Innehaben oder die Benutzung von Konsumgegenständen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.8.1994 – 8 N 1.932) – BVerwGE 96, 272 [281]). Anders als die Verbrauchsteuern zeichnen sich Aufwandsteuern durch die Bezugnahme auf eine gewisse Dauerhaftigkeit der Nutzung aus.“

2. Zuordnung der Verpackungssteuer zu den Verbrauchsteuern

Nach diesen Maßstäben stellt die Verpackungssteuer eine Verbrauchsteuer und keine Aufwandsteuer dar:

„Hieran gemessen ist die Verpackungssteuer der Antragsgegnerin den Verbrauchsteuern zuzuordnen. Die der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 und 2 VStS unterliegenden nicht wiederverwendbaren Objekte (Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck) sind zu einer einmaligen und kurzfristigen Verwendung bestimmt und stellen damit jeweils ein verbrauchsfähiges Gut dar. Sie sind nach dem Verzehr der darin enthaltenen bzw. mit ihrer Hilfe konsumierten Speisen und Getränke funktions- und wertlos geworden, also verbraucht (vgl. BVerfG, Urteil vom 7.5.1998 – 2 BvR 1991, 2004/95 – BVerfGE 98, 106 [124] zur damaligen Kasseler Verpackungssteuer). Dieser nach der Zahl der jeweiligen Einheiten bemessene (§ 4 Abs. 1 VStS) Verbrauch – und nicht der vorangegangene (Mit-)Verkauf des Einwegzubehörs – bildet den Gegenstand der Besteuerung.

Der Verkaufsvorgang wird lediglich aus steuererhebungstechnischen Gründen als Ersatzanknüpfungspunkt herangezogen (vgl. § 5 Abs. 1 VStS). Die beim Endverkäufer als dem Steuerschuldner erhobene Steuer (vgl. § 2 VStS) ist auf Überwälzung auf den privaten Endverbraucher angelegt. Dieser soll wirtschaftlich gesehen durch die indirekte Steuer belastet werden; er ist damit Steuerträger.“

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindekasse Bayern 20/2023 Rn. 191.