Rechtsprechung Bayern

Sicherstellung Hund mit Folge Verfügungsverbot

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Die Betreiberin eines Tierheims versuchte, die Tötung von bei ihr untergebrachten Hunden zu verhindern, und beantragte aufschiebende Wirkung eines Bescheids zur Euthanasierung der Tiere. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag ab.

Sachverhalt

Die Antragstellerin, die ein Tierheim betreibt, in dem zwei von der Antragsgegnerin sichergestellte Hunde untergebracht sind, begehrte erfolglos, mit ihrem Antrag zum Zweck der Durchsetzung eines ergangenen bestandskräftigen, zur Tötungsduldung erlassenen Bescheids der Antragsgegnerin bezüglich der Anordnungen zur Duldung der Sedierung und des Abtransports erneut die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Nachdem die sichergestellten Hunde Passanten attackierten und verletzten, ordnete die Antragsgegnerin bestandskräftig, gestützt auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG an, die Euthanasierung der Hunde zu dulden (Tötungsduldung).

Mit streitbefangenem Bescheid ordnete die Antragsgegnerin nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gegenüber der Antragstellerin insbesondere an, die Sedierung sowie den Abtransport durch die Polizei in Amtshilfe zu dulden. Nach erhobener Klage hat das VG den Bescheid aufgehoben. Zur Begründung führte es an, dass die in dem streitbefangenen Bescheid getroffenen Duldungsanordnungen und Zwangsmittel rechtswidrig seien, weil sie der Durchführung der bestandskräftigen Tötungsduldung dienten, die sich bei der notwendigen Inzidentprüfung wegen Verletzung des § 17 Nr. 1 TierSchG als rechtswidrig erweise, und außerdem gegen das Beschränkungsverbot des Art. 7 Abs. 4 LStVG bezüglich der Unverletzlichkeit der Wohnung verstießen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wurde der Beschluss des VG dahin gehend abgeändert, dass der Eilantrag der Antragstellerin in Bezug auf die Duldungsanordnungen im Bescheid der Antragsgegnerin abgelehnt wurde. Zur Begründung hat der Senat unter anderem angeführt, dass es für die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Antragstellerin ergangenen Duldungsanordnungen mangels eines Rechts zum Besitz der Antragstellerin keiner inzidenten Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegenüber Herrn N. ergangenen bestandskräftigen Tötungsduldung bedarf. Die hiergegen im Wesentlichen mit einem Eigentümerwechsel begründete Beschwerde stellte sich als erfolglos dar.

LStVG – Art. 7

BGB – §§ 135, 136

Sowohl durch polizeiliche Sicherstellungen auf Grundlage der StPO als auch durch solche der zuständigen allgemeinen Sicherheitsbehörde nach Art. 7 Abs. 2 LStVG entsteht ein relatives Verfügungsverbot.

Nach § 136 BGB steht ein Veräußerungsverbot, das von einem Gericht oder von einer anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wird, einem gesetzlichen Veräußerungsverbot der in § 135 BGB bezeichneten Art gleich. § 136 BGB und § 135 BGB sind nicht auf (obligatorische) Veräußerungsverbote beschränkt, sondern haben nach allgemeiner Meinung auch (dingliche) Verfügungsverbote zum Gegenstand. Behördliche Verbote im Sinne von § 136 BGB in Verbindung mit § 135 BGB erfassen dabei (dingliche) Verfügungen jeder Art.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 15.02.2023 – 10 AS 23.94)

Aus den Gründen

Zu berücksichtigen ist hierbei zunächst, dass es auch im Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache auf den hierfür maßgeblichen Zeitpunkt ankommt (…). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage einer Klage gegen eine auf Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützte Anordnung zur Gefahrenabwehr ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung (…).

Dies gilt insbesondere auch für Anordnungen im Zusammenhang mit Hunden (…): „Die durch Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gedeckten Anordnungen werden nicht etwa rückwirkend dadurch rechtswidrig, dass die Antragstellerin den Hund (angeblich) außerhalb des Gemeindegebietes verbringt und glaubt, dadurch die rechtmäßigen Anordnungen des Antragsgegners unterlaufen zu können.“

Es ist kein Grund ersichtlich, hiervon in Dreieckskonstellationen abzuweichen, bei denen zur Beseitigung von Zwangsvollstreckungshindernissen zusätzlich zu der Grundverfügung der Erlass von Duldungsanordnungen gegenüber Dritten notwendig ist, zumal in den Fällen, in denen die Gefahrenabwehrbehörde ihre Gefahrenprognose – wie hier die Antragsgegnerin in dem streitbefangenen Bescheid vom 29.11.2021 (…) – aktualisiert hat.

Die hier streitbefangenen Duldungsanordnungen sind auch nicht als Dauerverwaltungsakte zu qualifizieren, die ein Abstellen auf einen anderen Zeitpunkt gebieten würden. Einen Dauerverwaltungsakt kennzeichnet, dass die mit ihm getroffene Regelung nicht mit einer einmaligen Befolgung erledigt ist, sondern innerhalb der Geltungsdauer oder bis zum Erlass eines neuen Verwaltungsakts fortdauernd Geltung beansprucht und damit in ihrer Wirkung wesensgemäß auf Dauer angelegt ist (…). Bei einer Duldungsanordnung zur Gefahrenabwehr ist maßgeblich, welches staatliche Verhalten zu dulden ist, mithin ob dieses seinerseits auf Dauer angelegt ist oder sich in einem einzigen Akt erschöpft (…).

Die zu duldende Sedierung und der zu duldende Abtransport erschöpfen sich jeweils in einem einmaligen Akt. Die von der Antragstellerin geltend gemachten nachträglichen Änderungen, die nach den mit Bescheid vom 29. November 2021 erlassenen Duldungsanordnungen ergangen sein sollen, vermögen deshalb nicht, die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage zu verbessern.

Selbst wenn man die von der Antragstellerin zuletzt vorgetragenen Umstände eines Eigentumsübergangs der Hunde von Herrn N. an den Tierschutzverein beziehungsweise die Antragstellerin zugrunde legte, würde dies keine Änderung der vorangehenden Eilentscheidung gebieten.

§ 929 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 90a Satz 3 BGB setzt für die Übereignung eines Tieres neben einer entsprechenden Einigung auch eine Übergabe voraus. Diese kann zwar nach § 931 BGB grundsätzlich durch Abtretung der Herausgabeforderung ersetzt werden. Dies ist indes im vorliegenden Fall mit Wirkung gegenüber der Antragsgegnerin nicht möglich, weil die mit bestandskräftigem Bescheid vom 27.07.2021 angeordnete und vollzogene Sicherstellung der Hunde gestützt auf Art. 7 Abs. 2 LStVG zu deren Gunsten ein relatives Verfügungsverbot nach § 136 BGB in Verbindung mit § 135 BGB bewirkt hat, mit der Folge, dass eine Übereignung dieser gegenüber unwirksam ist.

Nach § 136 BGB steht ein Veräußerungsverbot, das von einem Gericht oder von einer anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wird, einem gesetzlichen Veräußerungsverbot der in § 135 BGB bezeichneten Art gleich. § 136 BGB und § 135 BGB sind nicht auf (obligatorische) Veräußerungsverbote beschränkt, sondern haben nach allgemeiner Meinung auch (dingliche) Verfügungsverbote zum Gegenstand. Behördliche Verbote im Sinne von § 136 BGB in Verbindung mit § 135 BGB erfassen dabei (dingliche) Verfügungen jeder Art (…).

Ebenso wie mit einer strafprozessualen Beschlagnahme ein relatives Verfügungsverbot zugunsten des Staates entsteht (vgl. § 111d Abs. 1 Satz 1 StPO und bereits § 111c Abs. 5 StPO a.F.), löst auch die polizeiliche präventive Sicherstellung gemäß Art. 25 ff. PAG ein relatives Verfügungsverbot aus. Dies beruht darauf, dass die Polizei sich nicht mit Streitigkeiten über das Recht an der Sache beschäftigen müssen soll (…). Dafür, dass dies bei identischer Interessengrundlage nicht auch für die allgemeine Sicherheitsbehörde gilt, die gestützt auf Art. 7 Abs. 2 LStVG eine sofort vollziehbare präventive Sicherstellung anordnet und amtlichen Gewahrsam begründet, sieht der Senat keine überzeugenden Gründe. Eine solche präventive Sicherstellung der allgemeinen Sicherheitsbehörde löst vielmehr ebenfalls ein relatives Verfügungsverbot aus.

So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin ist bei Erlass des Bescheides vom 27.07.2021 als nach Art. 7 Abs. 2 LStVG zuständige allgemeine Sicherheitsbehörde tätig geworden (…). Die mit Bescheid vom 27.07.2021 getroffenen Anordnungen der „Wegnahme und Unterbringung“ (samt Kostentragungspflicht) sind als Sicherstellungsanordnung zu qualifizieren (…). Mit der Sicherstellung einer Sache durch Verwaltungsakt begründet eine Gefahrenabwehrbehörde – unter Ausschluss des bisherigen Inhabers – die tatsächliche Sachherrschaft, mithin amtlichen Gewahrsam. Genau dies ist in Bezug auf die zwei Hunde geschehen. Eine derartige Anordnung wurde getroffen und auch unmittelbar umgesetzt (vgl. Behördenakte, Bl. 283: „Beide Hunde (…) in das Tierheim verbracht“). Die mit Bescheid vom 27.07.2021 verfügte Sicherstellung entfaltet daher zugunsten der Antragsgegnerin als Prozessgegnerin ein relatives Verfügungsverbot.

Die Verbotswidrigkeit der nachträglichen (dinglichen) Verfügung in Form des „Übereignungsvertrags“ oder einer anderen nicht näher konkretisierten Übereignung konnte der Tierschutzverein oder die Antragstellerin aufgrund der Kenntnis der Umstände mangels Gutgläubigkeit entsprechend §§ 932 ff. BGB auch nicht überwinden (…).

Die behaupteten Umstände können daher einen Eigentumsübergang und damit auch eine Unwirksamkeit der Tötungsduldung, auf die sich die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin beruft, nicht bewirken. Insofern fehlt es an einer entscheidungserheblichen Änderung, da sie die in dem Beschluss des Senats vom 27.12.2022 angestellten Erwägungen nicht in Zweifel ziehen. (f) Den mit Bescheid vom 29.11.2022 erlassenen Duldungsanordnungen der Antragsgegnerin kann die Antragstellerin insofern auch nicht eine Änderung in der Haltereigenschaft entgegensetzen. Insbesondere ist weder sie noch der Tierschutzverein durch den „Übereignungsvertrag“ (vgl. Senatsakte, Bl. 4 Rückseite: „Der Tierschutzverein (…) wird Halter der Tiere im Sinne von § 833 BGB“) Halter geworden. Das obligatorische und das dingliche Geschäft sind aufgrund von § 136 BGB in Verbindung mit § 135 BGB (relativ) unwirksam (s.o.).

Überdies ist bereits zweifelhaft, ob, wie die Antragstellerin argumentiert, eine Änderung bei der Haltereigenschaft zu der Unwirksamkeit der Tötungsduldung führen könnte. Dagegen spricht zum einen der Umstand, dass das einschlägige Gesetz, das Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht, mit Art. 18 Abs. 2 LStVG eine eigene Rechtsgrundlage für an die Haltung anknüpfende Eingriffe bereitstellt („zur Haltung von Hunden“). Zum anderen dürfte die Anordnung einer Tötung beziehungsweise einer Tötungsduldung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur in Betracht kommen, wenn, wie im vorliegenden Fall, von dem Hund − unabhängig von der Art der Haltung, also auch der Person des Halters – eine konkrete Gefahr für Leib und Leben von Menschen ausgeht.

Dies kommt im Übrigen in der bestandskräftigen Tötungsduldung bei summarischer Prüfung auch hinreichend zum Ausdruck (vgl. Behördenakte, Bl. 664: „Beißhemmung verloren“, „auch bei erfahrenen Verantwortlichen immer noch ein Restrisiko“, Bl. 666: „nicht durch einen Schulungskorridor umkehrbar“). Für die Antragstellerin als Adressatin der streitbefangenen Duldungsanordnungen hat sich im Übrigen nichts geändert, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat. Die Antragsgegnerin ist weiterhin im unmittelbaren Besitz der Hunde. Dieser Umstand wiederum beruht auf der bestandskräftigen präventiven Sicherstellung der Antragsgegnerin (s.o.).

Solange diese Sicherstellung wirksam ist, besteht ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis und die Antragstellerin verwahrt die Hunde öffentlich- rechtlich für die Antragsgegnerin (…). Das Vorbringen der Antragstellerin, dass es sich bei den beiden Hunden aktuell nicht mehr ausschließlich um Verwahrtiere der Antragsgegnerin handele, geht an der Sache vorbei. Dabei dürfte mit dem Erlass der Tötungsduldung gegenüber Herrn N. das Besitzmittlungsverhältnis der Antragsgegnerin diesem gegenüber beendet worden sein (…). Dies kann an dieser Stelle indes offenbleiben. Dass sich die Antragstellerin unter Verletzung auch der öffentlich-rechtlichen Pflichten zum unberechtigten (Eigen-)Besitzer aufgeschwungen hat (…), ändert nichts an den aus dem Bescheid vom 29. November 2022 folgenden Pflichten.

Nach alledem kann ebenfalls offenbleiben, ob die Berufung der Antragstellerin auf den geltend gemachten Erwerb an den Hunden und, spiegelbildlich dazu, auf den Rechtsverlust von Herrn N. im vorliegenden Fall wegen Verstoßes gegen den auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.

Schließlich geht auch eine unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen weiterhin zulasten der Antragstellerin aus. Dem überragend wichtigen Rechtsgut aus Art. 2 Abs. 2 GG ist ein höherer Wert zuzumessen als den von der Antragstellerin geltend gemachten Interessen, insbesondere dem Leben der beiden Hunde. An der Gefahrenprognose hat sich zugunsten der Antragstellerin nichts verändert, zumal aus dem vorgelegten „Übereignungsvertrag“ ersichtlich ist, dass beabsichtigt ist, einen der Hunde an einen anderen Ort zu überführen.

 

Entnommen aus dem Neuen Polizeiarchiv 12/2023, Lz. 779.