Rechtsprechung Bayern

Bebauungsplan: Fehlende Berücksichtigung von denkmalschutzrechtlichen Belangen

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Die Antragsteller wenden sich mit einem Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin, mit dem das Areal der Tierklinik einer Universität überplant wird und dessen Realisierung den Abriss der Gebäude der Tierklinik voraussetzt. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) den Vollzug des Bebauungsplans aus. Seinem unten vermerkten Beschluss vom 20.7.2023 entnehmen wir:

1. Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans

„Der Antrag ist auch…nicht mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Bei bestehender Antragsbefugnis ist regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.9.2015 – 4 BN25.15 – juris Rn. 6). Dem Zulässigkeitserfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses ist schon genügt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden ggf. von Nutzen sein kann…Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll nur verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann (BVerwG, Beschluss vom 4.6.2008 – 4 BN 13.08 – juris Rn. 5 = BRS 73 Nr. 51 Rn. 5). Es ist aber nicht erforderlich, dass die begehrte Erklärung einer Norm als unwirksam unmittelbar zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt (BVerwG, Urteil vom 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – juris Rn. 9; Urteil vom 16.4.2015 – 4 CN 6.14 – juris Rn. 15). Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans wäre danach nur dann nicht gegeben, soweit ein Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung nicht mehr verbessern kann, weil die Festsetzungen des Plans bereits durch die Erteilung von Baugenehmigungen (vollständig oder jedenfalls nahezu vollständig) umgesetzt worden sind (VGHBW, Beschluss vom 13.5.2020 – 3 S 3137/19 – juris Rn. 22). Dies ist hier nicht der Fall. Im Übrigen sind die Antragsgegnerin und der Vertreter des öffentlichen Interesses der behaupteten Eilbedürftigkeit nicht entgegengetreten; Anhaltspunkte dafür, dass der angegriffene Bebauungsplan in näherer Zukunft nicht die Grundlage für das bevorstehende Zustimmungsverfahren sein könnte, sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.“

2. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO bei offenen Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags

„Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.

Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist.

Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, Beschluss vom 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4). Wegen der weitreichenden Folgen, welche die Aussetzung des Vollzugs von Rechtsvorschriften hat, ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen …“

3. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind nach § 1 Abs. 7 BauGB die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen

„Dabei muss, wie das Bundesverwaltungsgericht mehrfach ausgeführt hat (vgl. Urteil vom 5.7.1974 – IV C 50.72 – BVerwGE 45, 309; Urteil vom 29.9.1978 – IV C 30.76 – juris), zwischen einerseits dem Abwägungsvorgang und andererseits dem Abwägungsergebnis unterschieden werden. Hinsichtlich des Abwägungsvorgangs ist das Gebot gerechter Abwägung verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den verschiedenen Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, der die objektive Gewichtung eines dieser Belange verfehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301). Maßgebend ist, ob nach zutreffender und vollständiger Ermittlung des erheblichen Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind (vgl. auch BVerfG (Kammer), Beschluss vom 19.12.2002 – 1 BvR 1402.01 – NVwZ 2003, 727). Die Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob der Plangeber die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob er die aufgezeigten Grenzen der ihm obliegenden Gewichtung eingehalten hat (vgl. BayVGH, Urteil vom 13.1.2022 – 2 N20.516 – juris Rn. 15).“

[…]

Den gesamten Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern Heft 22/2023, Rn. 257.