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Erhebliche Kostensteigerungen erfordern eine Aktualisierung der Kostenschätzung

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Diese Aktualisierung ist auch dann erforderlich, wenn Stoffpreisgleitklauseln in die Vergabeunterlagen aufgenommen sind, die die stoffgebundenen Preissteigerungen abfedern sollen. Denn die Stoffpreisgleitklauseln erfassen lediglich Preissteigerungen, die sich zwischen Submissionstermin und Abrechnungszeitpunkt ergeben, nicht jedoch solche, die vor der Angebotsabgabe eingetreten sind. Darauf macht die Vergabekammer Südbayern (VK) in ihrem unten vermerkten Beschluss vom 12.12.2022 aufmerksam, in dem es um ein Gewerk ging, dessen Angebotspreis erheblich über der Auftragswertschätzung und um beinahe 90 % über dem zur Verfügung stehenden Budget lag. Die Vergabestelle hob die Ausschreibung auf. Die Antragstellerin machte geltend, dass sie ein Interesse an der Feststellung eines Vergaberechtsverstoßes durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens habe, um gegenüber der Antragsgegnerin einen Schadensersatzanspruch gemäß § 181 GWB geltend machen zu können. Die VK entsprach dem Antrag auf Feststellung eines Vergaberechtsverstoßes und stellte dabei auf Folgendes ab:

„Gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn ,andere schwerwiegende Gründe‘ bestehen. Ein derartiger schwerwiegender Grund kann vorliegen, wenn selbst das niedrigste wertungsfähige Angebot höher liegt als die verfügbaren Mittel. Dabei ist jedoch von Bedeutung, worin die Ursache für das Auseinanderklaffen des Preises des wirtschaftlichsten Angebots und der möglichen Finanzierung zu suchen ist. Ein schwerwiegender Grund ist nämlich nicht gegeben, wenn der Auftraggeber den Finanzbedarf zu gering bemessen hat (OLG Celle, Beschluss vom 13.1.2011 – 13 Verg 15/10). Zudem darf der Aufhebungsgrund dem Auftraggeber nicht zurechenbar bzw. dessen Vorliegen vom Auftraggeber selbst zu verantworten sein (VK Südbayern, Beschluss vom 11.11.2019 – Z3-3-3194-1-27-07/19; OLG München, Beschluss vom 4.4.2013 – Verg 4/13) …

Der Vergabeakte ist zu entnehmen, dass die Erwartung bestand, dass die stoffgebundenen Preissteigerungen aus der Ukraine-Krise über die Anwendung der Stoffpreisgleitklausel abgefedert würden. Eine Aktualisierung der Kostenschätzung, welche auf Angeboten aus Verfahren mit vergleichbarer Budgetierung im 3./4. Quartal 2021 basierte, sei aus diesem Grund unterblieben. Dieser Ansatz ist jedoch nach Auffassung der Vergabekammer verfehlt, da die einbezogene Stoffpreisgleitklausel gemäß Formblatt 225 des Vergabehandbuchs Bayern lediglich Preissteigerungen erfasst, die sich zwischen Submissionstermin und Abrechnungszeitpunkt ergeben, nicht jedoch solche, die vor Angebotsabgabe eingetreten sind. Gerade wegen der bereits seit längerem bestehenden und spätestens mit Beginn des Ukraine-Krieges noch einmal verschärften starken Kostensteigerung bei bestimmten Baustoffen wäre eine Aktualisierung der Kostenschätzung oder jedenfalls die Einbeziehung hinreichender Risikozuschläge vor der…Ausschreibung erforderlich gewesen.“

Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 12.12.2022 – 3194.Z3-3_01-22-33

Entnommen aus der Fundstelle Bayern Heft 22/2023, Rn. 261.