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Akteneinsicht: Inhalt der Akte für Zweckdienlichkeit der Rechtsverfolgung nicht maßgeblich

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Nichtamtlicher Leitsatz:

Für die Beurteilung, ob die Inanspruchnahme von Akteneinsicht eine zweckdienliche Rechtsverfolgung darstellt, kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, welchen konkreten Inhalt die Akte aufweist und ob das Gericht dem Beteiligten die eingehenden Stellungnahmen zur Kenntnisnahme weiterleitet.

BVerfG, Beschluss vom 28.09.2023, 2 BvR 739/17.

Zum Sachverhalt:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Zweiten Senats.

Der Beschwerdeführer legte mit Schriftsatz vom 31. März 2017 Verfassungsbeschwerde gegen ein von Bundestag und Bundesrat beschlossenes Gesetz ein und stellte zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Vorsitzende des Zweiten Senats ordnete daraufhin die Zustellung der Verfassungsbeschwerde gemäß §§ 94, 77 BVerfGG an und gab der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Anwaltverein, dem Präsidenten des Europäischen Patentamts, der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR e.V.), der European Patent Lawyers Association, der European Patent Litigators Association und dem Bundesverband der Deutschen Industrie nach § 27a BVerfGG Gelegenheit zur Stellungnahme. Alle Empfänger konnten sich bis zum 31. Dezember 2017 äußern. Dem Beschwerdeführer wurde dabei jeweils mitgeteilt, welchen Stellen bis wann Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde und dass ihm beim Gericht eingehende Stellungnahmen zur Kenntnis gebracht würden. Der Vorsitzende ordnete mit Verfügung vom 7. Februar 2018 die Übersendung der eingegangenen Stellungnahmen auch an den Beschwerdeführer an, wobei das gefertigte Schreiben nebst Anlagen nach Aktenlage am 21. Februar 2018 versandt wurde.

Im Laufe des Verfahrens beantragte der Beschwerdeführer mehrfach die Gewährung von Akteneinsicht. Das Gericht kam den ersten beiden Gesuchen vom 17. Oktober 2017 und vom 9. Februar 2018 in der Weise nach, dass es dem Beschwerdeführer am 22. November 2017 und am 15. März 2018 jeweils ermöglichte, die Verfahrensakten am Gerichtssitz einzusehen.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2020 gab der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde statt und ordnete die Erstattung notwendiger Auslagen gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG an (vgl. BVerfG, B. v. 13.02.2020 – 2 BvR 739/ 17). Auf Antrag des Beschwerdeführers ordnete der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 1. Dezember 2020 ergänzend an, dass die Bundesrepublik Deutschland dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen sowohl für das Hauptsacheverfahren als auch für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten habe, und setzte den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers für das Hauptsacheverfahren auf 250 000 Euro und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 125 000 Euro fest.

Der Beschwerdeführer beantragte zuletzt, für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Kosten in Höhe von 3047,35 Euro und für das Verfassungsbeschwerdeverfahren Kosten in Höhe von 5392,01 Euro festzusetzen. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung machte er eine 1,6-Verfahrensgebühr, eine Pauschale für Post und Telekommunikation sowie Umsatzsteuer geltend, im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine 1,6-Verfahrensgebühr, Auslagen für die Erstellung von insgesamt 2420 Mehrfertigungen, Reisekosten für die An- und Abreise zur Akteneinsicht am 22. November 2017 und am 15. März 2018 mit der Bahn nebst Tage- und Abwesenheitsgeldern, eine Pauschale für Post und Telekommunikation sowie Umsatzsteuer.

Mit hier gegenständlichem Beschluss vom 10. Mai 2023 setzte die Rechtspflegerin des Zweiten Senats die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 7175,30 Euro (2970,53 Euro für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, 4204,77 Euro für das Verfassungsbeschwerdeverfahren) nebst Zinsen fest. Die beantragten Auslagen für Kopierkosten (380,50 Euro), Reisekosten für zwei Akteneinsichtnahmen (385,80 Euro) und dabei angefallene Tage- und Abwesenheitsgelder (140,00 Euro) erachtete sie nicht für erstattungsfähig, weil sie nicht notwendig gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe in kurzen Abständen zwei Mal Einsicht in die Akte genommen, die im Wesentlichen aus seinen Schriftsätzen und den Stellungnahmen der Äußerungsberechtigten sowie den Verfügungen zu den entsprechenden Übersendungen bestanden habe. Dem Beschwerdeführer seien die Schriftsätze der Äußerungsberechtigten stets übermittelt worden, sodass es aus Sicht eines verständigen Dritten keinen Anlass zur Annahme gegeben habe, ihm seien Stellungnahmen nicht übermittelt worden. Es entspreche der gängigen Praxis, nach erfolgter Zustellung zunächst einige Zeit abzuwarten, um dann gegebenenfalls mehrere Stellungnahmen in einem Schriftsatz weiterzuleiten. Eine kurze Verzögerung in der Übermittlung der Schriftsätze begründe keine Notwendigkeit einer Akteneinsicht. Was die eingereichten Mehrfertigungen betreffe, so sei der Beschwerdeführer nicht zu deren Übersendung aufgefordert worden.

Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 9. Juni 2023 sofortige Beschwerde ein. Die Rechtspflegerin half der sofortigen Beschwerde nicht ab.

[…]

Den vollständigen Beitrag entnehmen Sie den Bayerischen Verwaltungsblättern Heft 01/2024, S. 31 ff.