Rechtsprechung Bayern

Nur ordnungsgemäß geeichte Wasserzähler dürfen einer Gebührenabrechnung zugrunde gelegt werden

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat sich im unten vermerkten Urteil vom 15.6.2023 zur Frage geäußert, ob Messungen eines nicht entsprechend den Bestimmungen des Mess- und Eichgesetzes (Mess- EG) geeichten Wasserzählers gleichwohl einer Gebührenerhebung zugrunde gelegt werden dürfen. Der VGH verneint dies und verweist die Einrichtungsträger in solchen Konstellationen auf eine Schätzung des Wasserverbrauchs.

Dem Urteil lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Das betroffene Grundstück ist seit dem Jahr 2000 an die Wasserversorgungs- und Entwässerungsanlage des Einrichtungsträgers angeschlossen. Am 25.1.2001 wurde der inmitten stehende Hauptwasserzähler eingebaut. Bei dessen Auswechslung ca. 18 Jahre später wies dieser einen Zählerstand von ca. 4.000 m³ auf und lag ca. 2.200 m³ über dem zuletzt im Jahr 2018 durch die Kläger mitgeteilten Zählerstand von ca. 1.800 m³. Ausweislich der Aufzeichnungen des Einrichtungsträgers wurde der Zählerstand letztmals im Jahr 2002 durch diesen abgelesen, in den übrigen Verbrauchszeiträumen erfolgte die Ablesung durch die Kläger selbst und wurde für 2009 und 2015 vom Einrichtungsträger geschätzt. Der Einrichtungsträger ließ nach Auswechslung des Zählers im Jahr 2019 eine Befundprüfung durchführen. Diese ergab, dass die Eichfrist im Jahr 2008 abgelaufen und die Sicherungsplombe entfernt worden sei. Der Zähler sei im Mindestdurchflusswert stehen geblieben. Ein Zahnrad sei beschädigt.

Im erstinstanzlichen Verfahren war die Klage gegen die Gebührenbescheide erfolglos geblieben. Lege man einen durchschnittlichen Verbrauch der letzten 18 Jahre zugrunde, erweise sich die gemessene Wasserentnahmemenge nicht als unverhältnismäßig hoch. Der Wasserzähler sei zwar defekt gewesen, habe aber deswegen noch weniger gezählt als den Nenndurchfluss, weshalb keinerlei Zweifel am Verbrauch der gemessenen Wassermenge bestünden. Der VGH hob die erstinstanzliche Entscheidung sowie die streitgegenständlichen Bescheide auf. Dem Urteil entnehmen wir:

1. Verwendet der Einrichtungsträger in seinem Versorgungsgebiet Wasserzähler, die dem gesetzlichen Verwendungsverbot wegen Ablaufs der Eichfrist widersprechen, gilt ein durch sie ermittelter Wasserverbrauch nicht als festgehalten

Hierzu erläutert der VGH:

„Die streitgegenständliche Abrechnung der Verbrauchsgebühren für Frisch- und Abwasser hat der Beklagte aufgrund der Messungen des unstreitig seit dem Jahr 2008 nicht mehr geeichten Wasserzählers (§ 12 Abs. 1 EichO 1988 [BGBl I 1988, 1657] i.V.m. Anhang B Ziffer 6.1; entspricht § 34 MessEV i.V.m. Anlage 7 Ziffer 5.5.1) vorgenommen. Dies verstößt sowohl gegen das Satzungsrecht des Beklagten als auch gegen die Vorgaben des MessEG.

Der Wasserzähler steht im Eigentum des Beklagten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 WAS vom 9.12.1994 in der Fassung vom 1.12.2010). Der Beklagte ist u.a. für seine Unterhaltung und Auswechslung zuständig (§ 19 Abs. 1 Satz 2 WAS) und gilt damit als Verwender im Sinne des MessEG. Nach §§ 31 Abs. 1, 2 Nr. 3 und 37 Abs. 1 MessEG dürfen nur geeichte Wasserzähler verwendet werden. Die Verwendung ungeeichter Zähler i.S. des § 31 Abs. 1 Satz 1 MessEG stellt nach § 60 Abs. 1 Nr. 14 MessEG als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot einen Ordnungswidrigkeitentatbestand dar, der mit einem Bußgeld bis zu 50.000,00 EUR geahndet werden kann. Messungen, die ein ungeeichter Zähler vornimmt, sind daher von vornherein keine Grundlage für darauf beruhende Verbrauchsgebührenabrechnungen. Der Anschein der Richtigkeit des Messergebnisses besteht bei fehlender Eichung nicht (BGH, U.v. 17.11.2010 – VIII ZR 112/10 – BeckRS 2011, 24; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 19.9.2022 – OVG 9 N 24.19 – BeckRS 2022, 25193 Rn. 9; VG Würzburg, U.v. 30.6.2021 – W 2 K 20.1957 – BeckRS 2021, 22077 Rn. 26). Einen anderweitigen Nachweis des angegebenen Verbrauchs kann der Beklagte nicht führen.“

2. Bei ungeeichten Zählern muss der Wasserverbrauch nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG i.V.m. § 162 Abs. 1 AO geschätzt werden

Dazu heißt es in dem Urteil:

„Auch das Ortsrecht des Beklagten regelt, dass bei konkreten Anhaltspunkten für unrichtige Messergebnisse der Verbrauch an Frischwasser geschätzt werden muss (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGS-WAS). Von dieser Bestimmung ist der Beklagte durch Abrechnung auf der Grundlage eines offensichtlich nicht verwendbaren Messergebnisses abgewichen. Der Einwand, die Befundprüfung habe ergeben, dass mindestens die mit dem Zählerstand angegebene Wassermenge verbraucht worden sei, kann deswegen als Messergebnis ebenso wenig Berücksichtigung finden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass allein aufgrund der fehlenden Eichung des Wasserzählers seit 2008 das Messergebnis im Abrechnungszeitraum 1.1.2019 bis 8.8.2019 nicht verwendet werden darf, zumal nicht bekannt und auch nicht ermittelbar ist, ob die als Zählerstand angegebene Wassermenge im hier streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum den Wasserzähler durchflossen hat. Grundlage der Schätzung dürften damit ein Durchschnittsverbrauch des klägerischen Grundstücks in den Vorjahreszeiträumen oder Referenzwerte aus dem Versorgungsgebiet des Beklagten sein.

Eine Schätzung des Verbrauchs hat der Beklagte aber in seiner Abrechnung für den Zeitraum 1.1.2019 bis 8.8.2019 gerade nicht vorgenommen. Auch der Einwand, der Wasserwart habe den Klägern jährlich Wurfzettel mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Austausches des Wasserzählers in den Hausbriefkasten eingeworfen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr steht dem Beklagten nach Art. 24 Abs. 3 GO i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 WAS ein Betretungsrecht zur satzungsgemäßen Aufgabenerfüllung zu, das nach § 25 Abs. 1 WAS durch Einzelanordnungen konkretisiert und im Wege des Verwaltungszwangs gegenüber dem jeweiligen Grundstückseigentümer durchgesetzt werden kann. Dies dient auch der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen des MessEG.“

3. Schätzbefugnis der Behörde

Das Verwaltungsgericht kann eine erforderliche Schätzung nicht selbst vornehmen. Diese erfolgt durch die zuständige Behörde. Im Unterschied zu § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, der eine Schätzung durch das Finanzgericht vorsieht, fehlt in der VwGO ein entsprechender Verweis auf § 162 AO.

Dies stellt das Gericht unter Verweis auf Kommentarliteratur fest.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 15.6.2023 – 20 B 21.2421.

Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern Heft 2/2024, Rn.12.