Aktuelles

Stand und Herausforderungen der Digitalisierung im Verwaltungsrecht

©Robert Kneschke - stock.adobe.com

Wird über den Stand der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gesprochen, geschieht dies in Deutschland zumeist mit einer negativen Konnotation. Und tatsächlich belegt Deutschland im „Digital Economy and Society Index 2022 (DESI)“ der Europäischen Kommission insoweit einen Platz im unteren Mittelfeld. Bezogen auf die Digitalisierungsfortschritte der vergangenen fünf Jahre steht Deutschland im DESI-Ranking – was überraschen mag – auf Platz zwei. Dies deckt sich mit den Feststellungen dieses Beitrags, mit dem Historie, Stand und aktuelle Herausforderungen der elektronischen Abwicklung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren skizziert werden sollen.

I. Wichtige Rechtsquellen im Überblick

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist ein Querschnittsprojekt mit einer Vielzahl von Beteiligten, was sich auch an den vielfältigen Rechtsquellen ablesen lässt. Den Grundstein der ersten Digitalisierungsbemühungen bildete seinerzeit das „Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr“ vom 13. Juli 2001, mit dem die elektronische Form in das BGB und in die Prozessordnungen eingefügt wurde. Für Verwaltungsverfahren zentral sind die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder, in die kurz danach entsprechende punktuelle Änderungen implementiert und sukzessive fortentwickelt worden sind. Vor rund zehn Jahren wurden Spezialgesetze populär, die sich das Ziel der Förderung elektronischer Verwaltung auf die Fahnen geschrieben hatten („e-Government- Gesetze“) und die elektronische Aktenführung normierten. Mit dem Onlinezugangsgesetz des Bundes (OZG) aus dem Jahr 2017 wurde schließlich die Grundlage für Portal(verbunds-)lösungen und elektronische Nutzerkonten geschaffen.

II. Elektronische Abwicklung von Verwaltungsverfahren

Die digitale Abwicklung von Verwaltungsverfahren war immer wieder Gegenstand von Reformbemühungen mit dem Ziel, den Anteil elektronischer Abwicklungen zu erhöhen – leider bislang mit durchwachsenem Erfolg.

1. Einführung der elektronischen Form im BayVwVfG

Bereits mit der Einführung von Art. 3a BayVwVfG war die Übermittlung elektronischer Dokumente grundsätzlich zulässig, soweit Behörden hierfür einen Zugang eröffnet hatten, was mit der ubiquitären Angabe der Email-Adresse seit langer Zeit der Fall ist. Eine etwaige Schriftform konnte durch eine für natürliche Personen verfügbare qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden (Art. 3a Abs. 2 BayVwVfG a. F.). Juristische Personen konnten sich entsprechend vertreten lassen. Solange kein persönliches Erscheinen durch Rechtsnorm angeordnet oder die elektronische Form ausdrücklich ausgeschlossen war, stand einer digitalen Abwicklung von Bürger- und Unternehmensseite also schon vor mehr als zwanzig Jahren grundsätzlich nichts entgegen. In Anspruch genommen wurde diese Möglichkeit allerdings nicht.

2. Rechtliche und technische Erweiterungen

In der Zwischenzeit wurden weitere Anstrengungen unternommen, um die elektronische Abwicklung populärer zu machen. Mit Hilfe von Normenscreenings auf Bundes- und Länderebene wurde begonnen, Formerfordernisse wie das persönliche Erscheinen und die Anordnung einer Schriftform zu reduzieren. Diese Bemühungen waren richtig und wichtig. Stellten sie das zentrale Hindernis dar, hätte man aber erwarten dürfen, dass zuvor zumindest formlose Antragsverfahren digital abgewickelt worden wären, was nicht der Fall war. Außerdem wurde Art. 3a BayVwVfG um weitere schriftformersetzende Technologien wie die eID-Funktion („elektronische Identität“) des Personalausweises oder die De-Mail erweitert. Ihnen ist gemeinsam, dass anders als in Art. 3a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG keine Anforderungen an das elektronische Dokument formuliert werden. Gefordert wird nur, dass vor der Abgabe einer Erklärung die Identität des Nutzers geprüft wird. Freilich muss auch hier die Identifizierung des Nutzers durch in der Regel persönliche Vorsprache sichergestellt sein. Für die Anmeldung ist seitdem immerhin keine weitere Karte erforderlich. Der digitale Durchbruch stellte sich auch hierdurch nicht ein.

3. Portallösungen: arbeitsintensiver Weg der Zukunft

Bund und Länder treiben nunmehr seit einigen Jahren im Zuge der Umsetzung des OZG sogenannte „Portallösungen“ voran. Diese setzen technisch auf ein schnittstellenfähiges Nutzerkonto mit diversen Anmeldemöglichkeiten, an das sogenannte „Content-Management-Systeme“(CMS) angeschlossen werden können („Antragsmanager“). Nach der Anmeldung können die persönlichen Daten aus dem Nutzerkonto ausgelesen und in den Antrag übertragen werden. Der Nutzer wird dann durch Eingabemasken geführt, die im Idealfall aussagekräftige Beschreibungen der Datenfelder enthalten und Eingaben validieren. Gegenwärtig sind in Bayern allerdings laut Internet-Dashboard des BMI nur 245 von 575 sogenannten OZG-Leistungen verfügbar. Auch wenn Bayern damit im Ländervergleich den Spitzenplatz einnimmt, sind damit über die Hälfte der Verwaltungsleistungen leider auch in Bayern noch nicht digitalisiert. Grund für diese gemessen am gesetzlichen Ziel einer vollständigen Umsetzung bis Ende 2022 deutlich zu niedrige Umsetzungsquote ist die Strategie, die sich Bund und Länder bei der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem OZG gegeben haben. Für jede Verwaltungsleistung sollen Beschreibungen, Datenfelder und Antragsprozesse bis hin zur schnittstellenfähigen Übergabe an Fachverfahren zentral definiert, abgestimmt, prototypisch implementiert und zur Nachnutzung freigegeben werden. Die Ergebnisse können sich sehen lassen, benötigen aber zu ihrer Umsetzung nicht unerhebliche Zeitspannen.

Die im Freistaat bereits verfügbaren Angebote sind im Bayernportal gebündelt (vgl. Art. 27 ff. BayDIG). Für eine Vielzahl von Verfahren liegen bereits zentrale Antragsassistenten vor, die bei den zuständigen Behörden als Onlineverfahren verlinkt sind. Der „Antragsmanager“ des Bayernportals ist außerdem an ein Nutzerkonto gekoppelt, das bei Auswahl einer geeigneten Anmeldemethode auch eine schriftformersetzende Einreichung erlaubt.

4. PDF-Dokumente: Elektronischer „Lückenschluss“ in der Übergangsphase?

Ausgedient haben daher künftig die im Bayernportal immer noch zahlreich verlinkten PDF-Formulare. Angesichts der noch zu erwartenden Zeitspanne bis zum vollständigen Abschluss der Umstellung auf Antragsassistenten wäre es allerdings wünschenswert, wenn deren Potenzial in der Zwischenzeit noch genutzt werden würde, wie es offenbar auch Art. 57b Abs. 2 Bay-DIG vorschwebt. In rechtlicher Hinsicht wird dies derzeit durch Art. 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG erschwert, der eine „Direkteingabe“ in das Formular fordert, die mit Browserlösungen technisch nicht umsetzbar ist. Klickt man auf ein im System als schriftformbedürftig gekennzeichnetes Formular, warnt das das Portal daher, man müsse dieses handschriftlich unterschreiben, (extern) qualifiziert signieren oder über ein De-Mail- Konto versenden.

Für das für Unternehmen seit Juni 2021 verfügbare so genannte Organisationenkonto gilt diese rechtliche Einschränkung gemäß § 8 Abs. 6 Satz 2 OZG allerdings nicht. Für das technisch vergleichbare „bayerische“ Authentifizierungsverfahren für Bürgerinnen und Bürger (Authega) hat sich der Verordnungsgeber in § 4 BayEGovV an der Lösung des VwVfG orientiert, wäre aber nicht gehindert, diese Einschränkung wieder zu streichen. Sogar der Einsatzbereich des elektronischen Personalausweises könnte erweitert werden, würde man ihn zusätzlich in § 4 BayEGovV ohne die Einschränkung des Art. 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG zertifizieren. Dies hätte zur Folge, dass bestehende PDF-Formulare „offline“ ausgefüllt und als Anlage schriftformersetzend an die Behörde geschickt werden könnten. Ein hierfür nutzbares allgemeines Kontaktformular ist ohnehin schon bei allen Behörden verfügbar und könnte ohne großen Aufwand bei jeder Verwaltungsleistung des Bayernportals verlinkt werden, solange keine passgenaue OZG-Leistung oder ein spezieller Antragsassistent existiert. Teilweise behelfen sich Behörden auch schon heute mit einem solchen „Universalantrag“.

[…]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern Heft 2/2024, S. 37 ff.