Rechtsprechung Bayern

Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Fremdenverkehrsbeiträgen

Die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen nach Art. 6 KAG wird von betroffenen Beitragsschuldnern mitunter ganz grundsätzlich in Zweifel gezogen, wie der unten vermerkte Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 23.1.2024 beispielhaft zeigt.

Die Klägerin, die im Stadtgebiet der Beklagten eine Steuerkanzlei betreibt, wandte sich gegen die auf der Grundlage einer Fremdenverkehrsbeitragssatzung (FBS) erfolgte Festsetzung von Fremdenverkehrsbeiträgen für die Jahre 2014 und 2015 sowie 2009 bis 2013. Gegen die entsprechenden Bescheide erhob sie Klagen, die vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurden. Ihre dagegen gerichteten Anträge auf Zulassung der Berufung waren gestützt auf eine Reihe prinzipieller Einwände gegen ihre Heranziehung als ein durch den Fremdenverkehr nur mittelbar begünstigtes Unternehmen und gegen die konkrete Berechnung der Beitragshöhe. Die Anträge hatten keinen Erfolg; der Beschluss des VGH enthält u.a. folgende Klarstellungen:

1. Bei der Ermittlung des gemeindlichen Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung muss kein (nicht beitragsfähiger) Eigenanteil angesetzt werden

Für die entsprechende Forderung fehlt es aus Sicht des Gerichts an einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe:

„Die von der Klägerin erhobenen Einwände gegen die Nichtberücksichtigung eines gemeindlichen Eigenanteils greifen nicht durch. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass bei der Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen mangels einer gesetzlichen Verweisung in Art. 6 KAG die für sonstige Beiträge geltende Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 KAG nicht zur Anwendung kommt (BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 4 CS 19.712 – NVwZ-RR 2020, 842 Rn. 11 m.w.N.). In der gemeindlichen Eigenbeteiligung liegt kein ungeschriebenes Wesensmerkmal eines Beitrags (Hasl-Kleiber in Ecker, Kommunalabgabenrecht, Stand 1.8.2023, 45.00, Anm. 3.3.4.3). Der Hinweis der Klägerin auf eine zum Kurbeitrag (Art. 7 KAG) ergangene frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, U.v. 19.6.2008 – 4 N 07.5551) – BayVBl 2009, 72 Rn. 33), in der von einer „angemessenen Eigenanteilsquote“ die Rede ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Schon der Umstand, dass mit dem Fremdenverkehrsbeitrag im Unterschied zum Kurbeitrag nicht der Aufwand für die einem auswärtigen Personenkreis dienenden ,Einrichtungen und Veranstaltungen‘ (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 KAG) gedeckt werden soll, sondern allgemein der gemeindliche Aufwand für die Fremdenverkehrsförderung (Art. 6 Abs. 1 KAG), schließt eine schematische Gleichbehandlung dieser beiden Beitragsarten aus (vgl. VerfGH, E.v. 24.5.2019 – Vf. 23- VI-17 – NVwZ 2019, 881 Rn. 55), auch wenn es gewisse Überschneidungen geben mag. Es bedarf hier daher keiner weiteren Prüfung, ob bezüglich der Kurbeiträge an der im Urteil vom 19.6.2008 geäußerten Rechtsauffassung festzuhalten ist.“

2. Es bedarf nicht zwingend einer Kostenkalkulation, um sicherzustellen, dass es zu keiner Kostenüberdeckung kommt

Hinsichtlich dieser Frage verweist der VGH auf seine langjährige Rechtsprechung:

„Ernstliche Bedenken gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidungen ergeben sich auch weder aus dem Fehlen einer Kostenkalkulation bei Satzungserlass noch aus der unterbliebenen Nachholung einer solchen Kalkulation im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Das Erfordernis einer Kalkulation lässt sich entgegen der Annahme der Klägerin nicht den Ausführungen des Senats im Beschluss vom 5.6.2018 entnehmen (4 ZB 17.1865 – ZKF 2018, 239 Rn. 26 ff.). Im dortigen Zusammenhang ging es lediglich um die Frage, unter welchen Voraussetzungen in der Nichtheranziehung bereits vorhandener Kalkulationsunterlagen ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und damit ein Verfahrensmangel liegen kann. Ob es der Erstellung solcher Unterlagen kraft Gesetzes bedarf, wurde in der Entscheidung nicht erörtert. Insoweit bleibt es daher bei dem vom Senat in ständiger Rechtsprechung bekräftigten Grundsatz, dass Fremdenverkehrsbeitragssätze nicht vorab kalkuliert werden müssen, sondern lediglich nicht so hoch angesetzt werden dürfen, dass es zu einer Kostenüberdeckung kommt (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.2016 – 4 B 14.27712) – KStZ 2016, 173 Rn. 29 m.w.N.; vgl. auch Wölfl, Kur- und Fremdenverkehrsbeiträge, 2017, § 3 Rn. 134).

Da sich diese Obergrenze der Beitragserhebung – im Unterschied zu den Benutzungsgebühren nach Art. 8 Abs. 6 KAG – nur mittelbar aus der Zweckbindung des Fremdenverkehrsbeitrags ergibt (Art. 6 Abs. 1 KAG: ,zur Deckung des gemeindlichen Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung‘) und das Gesetz keinen speziellen (Berechnungs- bzw. Kalkulations-)Zeitraum vorgibt, reicht es aus, wenn das tatsächliche Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben zumindest für einen überschaubaren Zeitraum keine erhebliche Überdeckung erwarten lässt (vgl. Hasl-Kleiber, a.a.O., m.w.N.). Ist dies der Fall, so kann die Gemeinde auch bei jährlich unterschiedlichem Aufwand an einem starren Abgabesatz festhalten, um kurzfristige Schwankungen abzumildern und die Abgabenbelastung zu verstetigen (vgl. BayVGH, U.v. 17.4.1985 – 4 B 83 A.263 – n.v., S. 7). Eine nur geringfügige und ungewollte Überschreitung der Kosten ist nach gefestigter Rechtsprechung unschädlich, solange es jedenfalls auf Dauer der Wahrscheinlichkeit nach zu keiner Überdeckung kommt (BayVGH, U.v. 17.4.1985, a.a.O., S. 8 m.w.N.). Es bedarf aus diesem Grund auch keiner exakten Zuordnung der jährlichen Einnahmen zu den im jeweiligen Jahr getätigten Aufwendungen (BayVGH, a.a.O.).

Hiernach muss entgegen der Vorstellung der Klägerin nicht in jedem (Streit-)Fall eine Nachholung der ursprünglich unterbliebenen Kalkulation des Fremdenverkehrsaufwands erfolgen. Lässt sich bereits aufgrund bestimmter Rahmendaten klar erkennen, dass der fortlaufend anfallende finanzielle Aufwand für die Fremdenverkehrsförderung die nach der bisherigen Erfahrung zu erwartenden Beitragseinnahmen langfristig übersteigt, so müssen in Bezug auf die Einhaltung des Kostendeckungsgrundsatzes keine detaillierteren Ermittlungen angestellt werden. Von einer solchen Situation ist das Verwaltungsgericht ausgegangen. …“

3. Bei einer Steuerkanzlei unterliegen der Beitragspflicht alle Einnahmen aufgrund von steuerlichen Dienstleistungen, die für einen ortsansässigen Fremdenverkehrsbetrieb erbracht wurden

Bei Steuerkanzleien und anderen nur mittelbar fremdenverkehrsbegünstigten Unternehmen gilt danach Folgendes:

„Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet kein oder jedenfalls nur ein geringerer ,mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil‘ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 KAG und § 2 Abs. 1 FBS erwachsen würde.

Bei diesem Tatbestandsmerkmal kommt es nicht auf die Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit an, sondern allein auf die Frage, ob und inwieweit der Beitragspflichtige mit den unmittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten Geschäftsbeziehungen unterhält und daraus Vorteile erlangt (vgl. BayVGH, U.v. 18.3.1988 – 4 B 95.3470 – ZKF 1998, 135). Entgegen der Forderung der Klägerin war daher das Verwaltungsgericht nicht gehalten, im Hinblick auf das Vorliegen eines mittelbaren wirtschaftlichen Vorteils das ,Leistungsbündel einer Steuerkanzlei‘ näher zu untersuchen, sondern konnte sich darauf beschränken, den Kundenkreis des Unternehmens in den Blick zu nehmen.

Ein beitragsrelevanter mittelbarer Vorteil muss allerdings, um ihn von der nicht beitragsbegründenden allgemeinen wirtschaftlichen Prosperität als Folge der Fremdenverkehrsentwicklung eines Ortes abzugrenzen, durch einen typischen und offensichtlichen Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr geprägt sein (BayVGH, U.v. 29.1.2020 – 4 B 18.22853) – BayVBl 2020, 563 Rn. 23 m.w.N.).

Der Senat hat demzufolge in der zitierten Entscheidung bei einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung von Immobilien an Ortsansässige einen mittelbaren fremdenverkehrsbedingten Vorteil immer dann angenommen, wenn die betreffenden Räume unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt sind (BayVGH, a.a.O., unter Hinweis auf BayVGH, U.v. 27.3.2003 – 4 B 98.27724) – BayVBl 2003, 725 m.w.N.). Übertragen auf die von der hiesigen Klägerin betriebene Steuerkanzlei bedeutet dies, dass alle Einnahmen aufgrund von steuerlichen Dienstleistungen, die für einen ortsansässigen Fremdenverkehrsbetrieb erbracht wurden, als mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil der Beitragspflicht unterliegen. Dass Freiberufler wie Rechtsanwälte und Steuerberater zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden können, weil sie die besondere Chance haben, für Personen oder Unternehmungen tätig zu werden, die zu den am Fremdenverkehr unmittelbar beteiligten Kreisen gehören, ist im Übrigen seit langem anerkannt (vgl. VerfGH, E.v. 27.3.2001 – Vf. 62-VI-005) – VerfGHE 54, 7/11 = BayVBl 2001, 398 m.w.N.).“

Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern, Heft 14/2024, Rn. 117.