In dem unten vermerkten rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg (VG) vom 20.9.2023 ging es um die Kostenerstattung für die Tieferlegung einer Telekommunikationslinie aufgrund der Errichtung eines Durchlasses für eine Flutmulde unter einer Straße im Zuge von Hochwasserschutzmaßnahmen.
Die Gemeinde (Klägerin) machte gegenüber der Betreiberin der Telekommunikationslinie (Beklagte) die Kosten für die Tieferlegung der Telekommunikationslinie geltend. Die Beklagte wehrte sich gegen die Heranziehung unter anderem mit dem Einwand, dass nach § 130 TKG erforderliche Verkehrsinteresse sei bei Verlegung von Telekommunikationslinien bei Hochwasserschutzmaßnahmen nicht erfüllt. Diesem Einwand ist das VG zwar gefolgt. Es gelangte aber zu dem Ergebnis, dass der Klägerin ein Anspruch nach § 133 Abs. 2 Satz 1 TKG zusteht, da es sich bei der Errichtung des Durchlasses um eine spätere besondere Anlage im Sinne der Vorschrift handelt, und gab deswegen der Klage auf Kostenerstattung statt. Dem Urteil des VG entnehmen wir:
1. Keine Kostenerstattung nach § 130 TKG
Zunächst erläutert das VG den rechtlichen Rahmen:
„Nach § 130 Abs. 1 Var. 3 TKG ist die Telekommunikationslinie, soweit erforderlich, abzuändern oder zu beseitigen, wenn sich nach deren Errichtung ergibt, dass sie der Ausführung einer von dem Unterhaltungspflichtigen beabsichtigten Änderung des Verkehrsweges entgegensteht. § 130 Abs. 3 TKG bestimmt, dass der Nutzungsberechtigte die gebotenen Maßnahmen an der Telekommunikationslinie auf seine Kosten zu bewirken hat. Die Folge- und Folgekostenpflicht formt das auf § 125 TKG beruhende gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem nutzungsberechtigten Betreiber eines Telekommunikationsnetzes und dem Wegeunterhaltspflichtigen aus. Sie verdeutlicht, dass das kostenfreie Nutzungsrecht den Notwendigkeiten des Verkehrsweges folgt, über den grundsätzlich der Wegeunterhaltspflichtige nach seinen Vorstellungen und Absichten verfügt. Im Fall eines Konflikts zwischen den Interessen an der Nutzung des Verkehrsweges durch eine Telekommunikationslinie und den von dem Wegeunterhaltungspflichtigen repräsentierten Interessen an einer der Widmung entsprechenden Nutzung des Verkehrsweges ist den zuletzt genannten Belangen der Vorrang einzuräumen (BVerwG, Urteil vom 21.2.2013 – 7 C 9.12 – juris Rn. 16).“
2. Kein Verkehrsinteresse bei Hochwasserschutzmaßnahme
„Das für die Annahme der Kostenfolgepflicht erforderliche Verkehrsinteresse ist nicht gegeben.
Zwar lässt sich dieses Tatbestandsmerkmal nicht dem Wortlaut der Vorschrift des § 130 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Var. 3 TKG entnehmen. Allerdings ergibt sich diese Voraussetzung aus dem Regelungszusammenhang sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn die Folge- und Kostenfolgepflicht formt das auf § 125 TKG beruhende gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem nutzungsberechtigten Betreiber einer Telekommunikationslinie und dem Wegeunterhaltungspflichtigen aus. Danach ist der Nutzungsberechtigte befugt, Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien ohne besondere Zulassung unentgeltlich zu benutzen, soweit dadurch nicht der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird. Andererseits ist aus der Vorschrift die weitere Grundsatzregelung zu entnehmen, dass dieses Mitbenutzungsrecht die Planungs-, Änderungs- und Verfügungsbefugnis des Wegeunterhaltungspflichtigen voll bestehen lässt und dass daher dem Nutzungsberechtigten die Pflicht auferlegt wird, rechtmäßigen Umplanungen des Wegeunterhaltungspflichtigen zu folgen und die Telekommunikationslinie der Umplanung (soweit erforderlich) auf eigene Kosten anzupassen. Das kostenfreie Nutzungsrecht folgt daher den Notwendigkeiten des Verkehrsweges, über den grundsätzlich der Wegeunterhaltungspflichtige nach seinen Vorstellungen und Absichten verfügt.
Im Fall eines Konflikts zwischen den Interessen an der Nutzung des Verkehrsweges durch eine Telekommunikationslinie und den von dem Wegeunterhaltungspflichtigen repräsentierten Interessen an einer der Widmung entsprechenden Nutzung des Verkehrsweges ist den zuletzt genannten Belangen der Vorrang einzuräumen.
Nutzt der Betreiber einer Telekommunikationslinie eine öffentliche Straße für seine Zwecke, hat er sich deren vorrangiger Verkehrsfunktion unterzuordnen (BVerwG, Urteil vom 21.2.2013 – 7 C 9.12 – juris Rn. 24). Die Kostenfolgepflicht findet allerdings dort ihre Grenzen, wo die geplante Änderung des Verkehrsweges nicht mehr durch verkehrliche Interessen der Allgemeinheit am Weg als Verkehrsvermittler gedeckt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.5.1987 – 7 C 78.85 – juris Rn. 14; … zum Ganzen: ThürOVG, Urteil vom 4.5.2023 – 3 KO 345.20 – juris Rn. 52). Denn § 130 TKG ordnet das Interesse an der Telekommunikationslinie nur dann als nachrangig ein, wenn dieses gerade mit dem Interesse an dem Gemeingebrauch an dem Verkehrsweg kollidiert (VGH BW, Urteil vom 30.11.2016 – 1 S 1245.15 – juris Rn. 56). Eine Maßnahme ist dabei nur dann verkehrsbezogen, wenn ihr konkreter nachgewiesener Haupt- oder Nebenzweck Verkehrsbezug hat, ein lediglich willkommener Nebeneffekt begründet keine Verkehrsbezogenheit (Schütz in Geppert/Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, 5. Aufl. 2023, § 130 Rn. 10). Ob ein solches Verkehrsinteresse vorliegt, ist im jeweiligen Einzelfall aus Sicht des jeweiligen Planungsträgers zu beurteilen (vgl. VGH BW, Urteil vom 30.11.2016 – 1 S 1245.15 – juris Rn. 56).
Ein Verkehrsinteresse kann entgegen der Ansicht der Klägerin vorliegend nicht deswegen bejaht werden, weil das Vorhaben insoweit einem wirkungsvollen Hochwasserschutz dient. Der Umstand allein, dass das Vorhaben die Verkehrsverhältnisse auf der Straße dadurch positiv beeinflusst, dass die durchgängige Befahrbarkeit auch bei einem Hochwasser sichergestellt wird, reicht nicht aus, um ein Verkehrsinteresse zu begründen. Geht es dem Vorhabenträger etwa allein um den Schutz der bewohnten Ortslage vor Hochwasser und ist die Verhinderung der Überflutung der Straße nur ein willkommener Nebeneffekt, liegt kein die Entstehung einer Folgekostenpflicht rechtfertigendes Verkehrsinteresse vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.2.2013 – 7 C 9.12 – juris Rn. 31 ff.; VGH BW, Urteil vom 30.11.2016 – 1 S 1245.15 – juris Rn. 57). Denn die Telekommunikationslinie kollidiert in einem solchen Fall nicht in erster Linie mit dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an der Wasser- oder der Staatsstraße, sondern ,nur‘ mit anderen öffentlichen Interessen (VGH BW, Urteil vom 30.11.2016 – 1 S 1245.15 – juris Rn. 57).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin auch im vorliegenden Fall mit der Errichtung eines Durchlasses kein Verkehrsinteresse hinsichtlich der Straße ,B‘ verfolgt. Aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ergibt sich nicht, dass die Gewährleistung der Hochwassersicherheit der Straßenverbindung bei der Planung ein eigenständiges Gewicht hatte […]“
3. § 133 TKG als Rechtsgrundlage der Kostenerstattung
„Der Klägerin steht jedoch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Tieferlegung der Telekommunikationslinie gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 TKG i.V.m. der zwischen den Beteiligten getroffenen Abrede zu.
Hiernach kann der Inhaber oder Betreiber einer späteren besonderen Anlage vom Nutzungsberechtigten verlangen, dass eine Telekommunikationslinie auf dessen Kosten verlegt oder verändert wird, wenn ohne die Verlegung oder Veränderung die Errichtung der späteren besonderen Anlage unterbleiben müsste oder wesentlich erschwert würde, die Errichtung der späteren besonderen Anlage aus Gründen des öffentlichen Interesses von den Wegeunterhaltspflichtigen oder unter ihrer überwiegenden Beteiligung vollständig oder überwiegend ausgeführt werden soll und die Kosten des Nutzungsberechtigten nicht unverhältnismäßig sind.
Die Vorschrift des § 133 TKG ist Teil des telekommunikationsrechtlichen Kollisionsrechts und regelt den Fall, dass eine nachträglich zu errichtende besondere Anlage auf eine vorhandene Telekommunikationslinie trifft. § 133 Abs. 1 TKG bestimmt, dass spätere besondere Anlagen nach Möglichkeit so auszuführen sind, dass sie die vorhandenen Telekommunikationslinien nicht störend beeinflussen.
Grundsätzlich gilt hier hinsichtlich der Kostentragung für notwendige Änderungen das Prinzip der zeitlichen Priorität (vgl. VGH BW, Urteil vom 30.11.2016 – 1 S 1245.15 – juris Rn. 64). Ausnahmsweise wird das Prioritätsprinzip durch sog. bevorrechtigte Anlagen durchbrochen, § 133 Abs. 2 TKG. Unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 Satz 1 TKG kann der Inhaber oder Betreiber einer späteren besonderen Anlage vom Nutzungsberechtigten der Telekommunikationslinie eine Veränderung oder Verlegung der Anlage verlangen. § 133 TKG ist dabei Ausdruck der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Nutzungsberechtigtem und Anlagenbetreiber (vgl. Embacher/Lange in Säcker/Körber, TKG – TTDSG, 4. Aufl. 2023, § 133 Rn. 1).“
Zur Anwendbarkeit im konkreten Fall führt das VG aus:
„Die Vorschrift ist dabei, entgegen der Ansicht der Beklagten, auch im vorliegenden Fall anwendbar. Die Beklagte ist Nutzungsberechtigte an dem Verkehrsweg i.S.v. § 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TKG. Der Anwendbarkeit steht dabei vorliegend nicht entgegen, dass die Klägerin Wegeunterhaltungspflichtige ist. Denn § 133 TKG ist auch dann anwendbar, wenn der Eigentümer der besonderen Anlage der Wegebaulastträger selbst ist … Insofern ist im vorliegenden Fall nicht das Verhältnis des Wegeunterhaltungspflichtigen zum nutzungsberechtigten Betreiber einer Telekommunikationslinie betroffen, sondern die rechtliche Beziehung zwischen der Klägerin als Trägerin einer besonderen Anlage und der Beklagten als Betreiberin der Telekommunikationslinie.“
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Die Fundstelle Bayern 12/2024, Rn. 132.