Rechtsprechung Bayern

Sondernutzungsgebühr für Werbeanlage an einem Baugerüst

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Dem unten vermerkten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 4.9.2024 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin, ein im Bereich der Außenwerbung tätiges Unternehmen, brachte im Jahre 2021 an einem im Stadtgebiet der Beklagten (O-Straße 2) auf einem Bürgersteig aufgestellten Baugerüst eine Staubschutzplane mit einer 120 qm großen Werbefläche an. 32,4 qm der Werbefläche befanden sich unterhalb einer Höhe von sieben Metern über dem Gehweg, 87,6 qm oberhalb dieser Höhe.

Mit Bescheid vom 30.6.2021 setzte die Stadt (Beklagte) für den Zeitraum vom 1.4.2021 bis zum 30.6.2021 eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von 11.700,00 Euro fest. Sie legte dabei die gesamte Werbefläche und eine Gebührenhöhe von 7,50 Euro je angefangenem Quadratmeter und pro angefangener Woche zugrunde.

Gegen den Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht (VG) hat die Klage abgewiesen. § 10 Abs. 1 der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten (SoNuGebS), wonach Gebühren u.a. nicht erhoben werden, wenn sich die Sondernutzung in einer Höhe von mehr als sieben Metern über dem Straßenkörper befindet, verstoße nicht gegen Art. 22a BayStrWG i.V.m. § 905 Satz 2 BGB analog. Eine Aufspaltung bei einem Werbeplakat in einen gebührenpflichtigen Teil unterhalb der 7-Meter-Grenze und einen gebührenfreien Teil oberhalb der 7-Meter-Grenze gebe der Wortlaut der Norm nicht her. Die Satzung sei auch nicht im Hinblick auf die Regelung, wonach die Gebühr „pro angefangener Woche“ berechnet werde, zu beanstanden.

Auf die Berufung der Klägerin hat der VGH das Urteil des VG dahingehend geändert, dass eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von 3.159,00 Euro (32,4 qm x 7,50 Euro/qm x 13 Wochen) festgesetzt wird. Dem Urteil entnehmen wir:

1. Vorliegen einer Sondernutzung nach bürgerlichem Recht

„Bei Einordnung der hier in Rede stehenden Nutzung in die Kategorien von Sondernutzungen nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz handelt es sich bei ihr um eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht. Eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht unterscheidet sich von einer öffentlich-rechtlichen Sondernutzung nach dem eindeutigen Wortlaut der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (vgl. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG einerseits, Art. 22 BayStrWG andererseits) dadurch, dass durch sie der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werden kann. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Die von der Beklagten daran … geäußerten Zweifel sind nicht berechtigt.

Für die Annahme, dass der Gemeingebrauch i.S. des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG beeinträchtigt werden kann, genügt es zwar, dass eine abstrakte Beeinträchtigung der Ausübung des Gemeingebrauchs vorliegt … Eine solche Beeinträchtigung liegt ohne Weiteres aufgrund des Aufstellens des Baugerüsts auf dem Gehweg (vgl. Art. 2 Nr. 1 Buchst. b BayStrWG) vor. Eine solche kann grundsätzlich auch bei einem Werbeplakat gegeben sein, das an einem Baugerüst angebracht ist, das seinerseits die öffentliche Straße über den Gemeingebrauch hinaus in Anspruch nimmt. Jedenfalls dann aber, wenn die Werbefläche in einer Höhe im Luftraum über dem Straßenkörper (vgl. Art. 2 Nr. 2 BayStrWG) – hier mehr als vier Metern darüber – angebracht ist, dass sie den Verkehrsablauf auf dem Gehweg, auf dem das Gerüst aufgestellt ist, nicht behindern kann, kann eine solche nicht angenommen werden (vgl. OVG NRW, B.v. 16.12.2015 – 11 E 1160/15 – juris Rn. 3; auch BayVGH, U.v. 22.11.2006 – 8 BV 05.1918 – NVwZ-RR 2007, 223 = juris Rn. 39 [keine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs bei in einer Höhe von mindestens drei Metern über einem Gehweg angebrachten Balkonen]). Eine Behinderung des Verkehrsablaufs kann auch nicht im Hinblick darauf angenommen werden, dass Passanten auf anderen Gehwegen, von denen aus die Werbefläche erfassbar ist, eventuell stehen bleiben, um sich das Plakat genauer anzuschauen. Durch dieses, in der Regel allenfalls wenige Sekunden andauernde Stehenbleiben wird der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt, zumal Gehwege auch zum vorübergehenden Verweilen und Stehenbleiben benutzt werden dürfen.

Ausschließlich mit der Begründung, der Luftraum über dem Straßenkörper werde zu kommerziellen Zwecken genutzt, kann jedenfalls auf der Grundlage des bayerischen Landesrechts eine (abstrakte) Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs nicht angenommen werden.“

2. Zulässigkeit einer Abrechnung „pro angefangener Woche“

„Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass Nr. 40 des Gebührenverzeichnisses nicht eine taggenaue Abrechnung, sondern eine Abrechnung „pro angefangener Woche“ vorsieht. Bei Bestimmung dieses Maßstabs hat die Beklagte ihr normatives Ermessen nicht überschritten, insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV verstoßen.

Sondernutzungsgebühren werden für die Hinnahme einer den Gemeingebrauch übersteigenden Nutzung der öffentlichen Sache ,Straße‘ erhoben … Für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren sind Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen (Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG). Der Ausgestaltung des Gebührenrechts werden durch den Gleichheitssatz, dessen Ausfluss das Prinzip der Gebührengerechtigkeit ist, und das Äquivalenzprinzip nur sehr weite Grenzen gezogen. Der Normgeber, auch der kommunale Satzungsgeber, hat einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen und welche Gebührenmaßstäbe und -sätze er hierfür aufstellen will. Die Gebühr darf nicht in einem groben Missverhältnis zu der Leistung der Verwaltung stehen. In Anbetracht des Gestaltungsspielraums des Normgebers kann nicht verlangt werden, dass der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird. Vielmehr sind Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen zulässig, solange die dadurch entstehende Ungleichbehandlung noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 20.12.2023 – 9 BN 4.23 – juris Rn. 9).

Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten in Nr. 40 des Gebührenverzeichnisses nicht eine taggenaue Abrechnung, sondern eine Abrechnung pro angefangener Woche vorsieht, zumal es sich bei einer Woche um einen relativ kurzen Zeitraum handelt. Eine taggenaue Abrechnung wäre zwar zulässig, ist aber nicht zwingend. Die Beklagte hat angegeben …, sich bei der Festlegung der Sondernutzungsgebühren an Erfahrungswerten für die Dauer von Sondernutzungen orientiert zu haben. Damit hat sie einen sachgerechten Maßstab zugrunde gelegt.

Die Klägerin stellt nicht substantiiert in Frage, dass Werbeplakate an Baugerüsten in der Regel nicht nur für wenige Tage, sondern für mehrere Wochen oder – wie im vorliegenden Fall – gar mehrere Monate angebracht werden …

Darf die Beklagte davon ausgehen, dass Werbeplakate an Baugerüsten typischerweise zumindest mehrere Wochen angebracht sind, so darf sie dies auch bei Festlegung des Abrechnungsrhythmus zugrunde legen …

Im Übrigen dürften für die Gebührenschuldner ausgehend von der berechtigten Annahme, dass Werbeplakate an Baugerüsten typischerweise zumindest mehrere Wochen angebracht sind, etwaige Vorteile einer taggenauen Abrechnung in aller Regel auch nicht erheblich ins Gewicht fallen. Im vorliegenden Fall eines Abrechnungszeitraums von 91 Tagen und damit exakt 13 Wochen hätte die Klägerin von einer taggenauen Abrechnung keinen Vorteil. Auch für andere Fälle ist nicht ersichtlich, dass der Abrechnungsrhythmus zu einer übermäßigen Belastung der Gebührenschuldner führt.“

[…]

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 4.9.2024 – 8 B 24.979

Beitrag entnommen aus Fundstelle Bayern 3/2025, Rn. 32.