Gesetzgebung

Treuwidrige Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans und einer Auflage in einer Baugenehmigung

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Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 17.6.2024 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Doppelgarage auf seinem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Stadt S. Der Bebauungsplan sieht im nordöstlichen Bereich des Grundstücks eine öffentliche Verkehrsfläche vor, die sich nach Norden zu einem Wendehammer ausweitet.

Der Kläger hat mit notariellem Vertrag vom 17.4.2015 dem Freistaat Bayern eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit dem Inhalt bestellt, dass die näher bezeichnete Fläche, die sich mit der als Verkehrsfläche im Bebauungsplan ausgewiesenen Fläche deckt, als Feuerwehraufstellfläche und als Wendemöglichkeit von Versorgungs- und Rettungsfahrzeugen aller Art genutzt werden kann. Weiter verpflichtete er sich, die Wendefläche nicht zu überbauen. Schuldrechtlich wurde vereinbart, dass der jeweilige Eigentümer die Kosten der erstmaligen Herstellung der Wendefläche trägt.

Im Anschluss an die Bestellung der Dienstbarkeit erteilte das Landratsamt dem Kläger am 22.4.2015 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit der Auflage, dass der ,durch Grunddienstbarkeit herzustellende Wendehammer bis zur Aufnahme der Nutzung des Gebäudes zu errichten und auf Dauer instand zu halten ist‘.

In der Folge kam es während der Bauarbeiten für das Vorhaben des Klägers zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Landratsamt über die Höhenlage des Gebäudes, die in mit dem Landratsamt abgestimmte neue Eingabepläne mündeten.

Die mit Baugenehmigung vom 4.9.2018 genehmigten Eingabepläne vom 5.6.2018 sehen im nordöstlichen Bereich des Vorhabengrundstücks eine Fläche vor, die dem im Bebauungsplan vorgesehenen Wendehammer entspricht. Die Baugenehmigung enthält eine Auflage zur Herstellung und Instandhaltung des Wendehammers, die mit der in der Genehmigung vom 22.4.2015 enthaltenen Nebenbestimmung identisch ist.

Mit Bauantrag vom 2.4.2019 beantragte der Kläger eine Baugenehmigung für den Bau einer Doppelgarage, die größtenteils im Bereich des im Bebauungsplan festgesetzten Wendehammers errichtet werden soll. Er beantragte insoweit eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Beigeladene hat hierzu ihr Einvernehmen verweigert, da eine Befreiung für die Überbauung der öffentlichen Verkehrsfläche (Eigentümerweg) einen Grundzug der Planung berühre.

Das Landratsamt lehnte die Erteilung der Baugenehmigung ab. Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers blieb beim Verwaltungsgericht erfolglos. Der Antrag des Klägers beim VGH auf Zulassung der Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Dem Beschluss des VGH entnehmen wir zur Frage der Treuwidrigkeit Folgendes:

„Es kann offenbleiben, ob die Höhenfestsetzung des Bebauungsplans im Hinblick auf den unteren Bezugspunkt hinreichend bestimmt ist. Denn dem Kläger ist es nach Treu und Glauben verwehrt, sich zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans auf diesen etwaigen Festsetzungsmangel zu berufen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Befugnis zur Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans beschränken und einem gestellten Normenkontrollantrag oder einer erhobenen Klage damit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

So wurde entschieden, dass in die Prüfung eines Normenkontrollantrags

nicht mehr eingetreten werden kann, wenn der Antragsteller dadurch, dass er zur Durchsetzung eines geltend gemachten Rechts das Gericht anruft, sich zu seinem eigenen früheren Verhalten in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch setzt. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Rechtsschutzsuchende zunächst die ihm günstigen Festsetzungen eines Bebauungsplans ausnützt und sich erst später gegen die für ihn ungünstigen Festsetzungen wendet. Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für Normenkontrollanträge, sondern auch für vergleichbare prozessuale Lagen und unabhängig davon, ob es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan handelt oder um einen Angebotsplan (vgl. BVerwG, B.v. 14.11.2000 – 4 BN 54.00 – juris Rn. 4, dem ebenfalls ein Angebotsbebauungsplan zu Grunde lag). Ob der Tatbestand der Treuwidrigkeit erfüllt ist, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2019 – 4 B 28.18 – juris Rn. 6 ff.; …).

Die hiernach erforderliche Einzelfallprüfung hat das Verwaltungsgericht vorgenommen und kam insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Höhenlage des Wohngebäudes und damit die Festsetzung des Bebauungsplans Ausgangspunkt der Meinungsverschiedenheiten zwischen Bauaufsichtsbehörde und dem Kläger war, die nach umfangreicher Korrespondenz einvernehmlich beigelegt wurden, in nicht zu beanstandender Weise zu der Einschätzung, dass sich der Kläger nicht auf eine aus einer etwaigen Unbestimmtheit der Festsetzung des Höhenbezugspunkt ergebende Unwirksamkeit des Bebauungsplans berufen kann. Der Kläger handelt insoweit widersprüchlich, wenn er sich nunmehr auf einen etwaigen Mangel des Bebauungsplans beruft, der im Genehmigungsverfahren einvernehmlich geklärt wurde mit der Folge, dass dem Kläger eine Baugenehmigung erteilt wurde.

Bei Annahme der Unwirksamkeit des Bebauungsplans wäre der Standort des Wohngebäudes im Außenbereich gelegen mit der Folge, dass es nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Jedenfalls wenn dem Kläger – so wie hier – der vermeintliche Mangel eines Bebauungsplans bewusst war, das Problem im Rahmen des Genehmigungsverfahrens einer Lösung zugeführt werden konnte und das Vorhaben letztlich genehmigt wurde, setzt er sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er sich nunmehr in einem anderen Kontext auf diesen Mangel zur Begründung der Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans beruft.

Ein solches Verhalten ist treuwidrig. Weitere Mängel des Bebauungsplans, die zur Gesamtunwirksamkeit führen würden, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.“

[…]

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 17.6.2024 – 1 ZB 22.1780

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 17.6.2024 – 1 ZB 22.1781

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Fundstelle Bayern 06/2025, Rn. 60.