Gesetzgebung

Prüfungspflichten kleiner kommunaler GmbHs

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1. Reformimpuls und Ausgangslage

Seit dem Haushaltsjahr 2024 hat der bayerische Landesgesetzgeber durch Änderung von Art. 94 Gemeindeordnung (GO) (bzw. Art. 82 Landkreisordnung – LKrO, Art. 105 Bezirksordnung – BezO)1) die Pflicht zur externen Abschlussprüfung für kleine kommunale Unternehmen in privater Rechtsform (insbesondere Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHs) gestrichen. Die Neufassung verknüpft die Prüfungspflicht nun mit den Größenmerkmalen des § 267 Handelsgesetzbuch (HGB): Nur wenn eine Beteiligungsgesellschaft als mittelgroß oder groß im Sinne des HGB eingestuft wird, besteht weiterhin eine gesetzliche Abschlussprüfungspflicht nach den handelsrechtlichen Vorschriften (§ 316 Abs. 1 HGB).

Was als Deregulierungsmaßnahme zur Entlastung der Wirtschaft gedacht war – insbesondere mit Blick auf das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG)2) – trifft auf ein Spannungsfeld innerhalb der kommunalen Beteiligungssteuerung. Denn viele Gemeinden halten Anteile an GmbHs, die nun als „kleine Gesellschaften“ im handelsrechtlichen Sinn einzustufen sind und damit keine handelsrechtliche Prüfungspflicht mehr auslösen.

Gleichzeitig bleibt Art. 94 Abs. 1 Nr. 2 GO unverändert bestehen. Diese Vorschrift verpflichtet die Kommune ausdrücklich, „die Rechte nach § 53 Abs. 1 HGrG auszuüben“.

2. Dogmatischer Rahmen: Wortlaut, Telos und Gesetzessystem

Zunächst ist der Wortlaut der Norm eindeutig: Die Kommune hat die Prüf- und Informationsrechte aus § 53 HGrG wahrzunehmen. Diese Verpflichtung wurde nicht gestrichen oder modifiziert. Die Tatsache, dass der bayerische Landesgesetzgeber trotz Kenntnis der HGB-Reform keine Anpassung dieser Vorschriften vorgenommen hat, spricht deutlich gegen ein politisch gewolltes Abrücken von dieser Pflicht.

Auch das Telos – also der Zweck – ist zu beachten: Der Gesetzgeber wollte mit § 53 HGrG dem Umstand Rechnung tragen, dass öffentliche Mittel in Unternehmen fließen, deren Rechnungslegung und Geschäftsentwicklung nicht im gleichen Maße dem Markt unterliegen wie bei privatwirtschaftlichen Unternehmen.3) Deshalb wurde ein besonderes Kontrollregime geschaffen, das die Rechte öffentlicher Gesellschafter gegenüber ausschließlich privatrechtlichen Anteilseignern ausweitet. Dieser Mechanismus blieb durch die Reform der Gemeindeordnung unangetastet, da es sich um eine eigenständige bundesrechtliche Norm mit besonderem Schutzanliegen handelt.4)

3. Kein Automatismus: Der Verzicht auf die Prüfung ist nicht die Regel

Die Annahme, dass der Wegfall der handelsrechtlichen Abschlussprüfungspflicht automatisch auch den Wegfall der Prüfungspflicht nach § 53 HGrG oder gar nach Art. 94 GO bedeutet, ist unzutreffend. § 53 HGrG bleibt anwendbar, auch wenn § 316 HGB keine Prüfung von kleinen GmbHs vorsieht.5) Zwar weist der IDW Prüfungsstandard: Berichterstattung über die Erweiterung der Abschlussprüfung nach § 53 HGrG (IDW PS 720) in Tz. 9 darauf hin, dass bestimmte gesetzliche Prüfungspflichten – wie etwa nach § 53 HGrG – nicht automatisch Teil des Abschlussprüfungsauftrags sind und gesondert vereinbart werden müssen.

Der Standard selbst entfaltet jedoch keine Anwendungswirkung für Fälle, in denen keine Abschlussprüfung stattfindet; eine isolierte Prüfung nach § 53 HGrG wird daher nicht durch IDW PS 720 geregelt. Auch nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ist eine Berichterstattung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft ohne vorhergehende Jahresabschlussprüfung nicht möglich.6) Diese überschneidet sich zudem mit der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, insbesondere hinsichtlich des Internen Kontrollsystems (z.B. Auf- und Ablauforganisation) der Gesellschaft.

Die Wahrnehmung der Rechte aus § 53 HGrG durch die Kommune setzt eine bewusste Organisationsentscheidung voraus – sei es durch externe Beauftragung oder durch interne Kontrollmaßnahmen. Sie darf sich nicht durch bloßes Unterlassen der Rechte entledigen – andernfalls drohen sowohl haushaltsrechtliche Rügen als auch haftungsrechtliche Folgen für Gremienmitglieder, insbesondere in Aufsichtsräten.7)

4. Handlungsempfehlung für Kommunen: Zwischen Pflicht und Ermessen

a) Risikoanalyse und Prüfungsvorbereitung

Die Gemeinde bzw. der Landkreis sollte eine strukturierte, jährlich durchzuführende Risikoanalyse der Beteiligungsgesellschaft vornehmen. Wesentliche Kriterien sind:

  • Finanzkennzahlen: Eigenkapitalquote, Liquiditätsreserven, Rücklagen, Cash-Flow.
  • Phase des Unternehmens: Besteht ein wachstumsbedingtes oder krisenbedingtes Risiko? Ist das Unternehmen neu gegründet oder etabliert?
  • Governance-Kriterien: Wurden zentrale Vergabevorschriften eingehalten? Gibt es Hinweise auf Schwächen in Compliance, Datenschutz oder Personalführung?
  • Projektstruktur: Stehen größere Investitionen, Beteiligungszukäufe oder Restrukturierungen an?

Diese Einschätzung ist zu dokumentieren und dient als Grundlage für die Entscheidung über Art und Umfang der Prüfung.

b) Bewusste Entscheidung durch kommunale Gremien

Auf Basis der Risikoanalyse muss das zuständige Organ (Kreistag, Gemeinderat) entscheiden, wie die Kommune ihren Verpflichtungen aus § 53 HGrG nachkommen möchte. Dabei bieten sich drei abgestufte Modelle an:

  1. Freiwillige Prüfung durch einen unabhängigen Abschlussprüfer nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (insb. IDW PS 720).
  2. Interne Prüfung durch die örtliche Rechnungsprüfung oder eine Revisionseinheit mit entsprechenden Kenntnissen und Qualifikationen in der Abschlussprüfung, ggf. auf Basis eines standardisierten Fragenkatalogs.
  3. Förmlicher Antrag auf Ausnahmegenehmigung bei der Rechtsaufsichtsbehörde gemäß Art. 94 Satz 2 GO – jedoch nur bei geringer Risikoexposition und positiver Historie.

Eine bloße Untätigkeit ist nicht zulässig. Der Verzicht auf jegliche Prüfung ist nur zulässig mit behördlicher Ausnahmegenehmigung, was durch ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern bereits 2005 klargestellt wurde.8)

c) Jahresweise Fortschreibung der Entscheidung

Die Entscheidung ist regelmäßig, mindestens einmal jährlich, zu evaluieren. Ein ehemals unkritisches Beteiligungsunternehmen kann im Folgejahr durch strategische Projekte, personelle Veränderungen oder wirtschaftliche Entwicklungen risikobehafteter sein – was dann eine Prüfungsintensivierung notwendig macht.

Empfehlenswert ist die Einführung eines „Entscheidungsschemas mit Schwellenwerten“, etwa:

  • Bilanzsumme > 1 Mio. €
  • Negatives Jahresergebnis > 2 Jahre
  • Eigenkapitalquote < 20 %
  • Projektvolumen > 250.000 €
  • Ausbleibender Lagebericht oder Corporate Governance-Bericht

Wird ein solcher Schwellenwert erreicht, sollte eine externe Prüfung oder zumindest eine interne Sonderbetrachtung erfolgen.

d) Aufklärungspflicht gegenüber Aufsichtsräten

Ein oft übersehener Aspekt ist die Qualifikationssituation in kommunalen Aufsichtsräten. Viele Mitglieder bringen keine betriebswirtschaftliche Ausbildung mit – was keinesfalls abwertend gemeint ist, jedoch haftungsrechtlich relevant sein kann. Die gängige Kommentarliteratur stellt Anforderungen an die Fähigkeit zur Bilanzanalyse, die nicht jeder Ehrenamtliche erfüllen kann.9)

Die Kommune ist daher gut beraten, die Gremienmitglieder aufzuklären, dass ein Wegfall der Jahresabschlussprüfung und eine reduzierte Anwendung des § 53 HGrG ihre Haftungsposition verschärft. Denn ohne sachverständige Prüfung sinkt die Entlastungswirkung und es steigt die Wahrscheinlichkeit, für Kontrollversäumnisse persönlich einzustehen.10)

[…]

 

1) Art. 94 Abs. 1 Nr. 2 GO i. V. m. § 53 HGrG; gilt entsprechend für Landkreise (§ 82 LKrO) und Bezirke (§ 105 BezO); zur Änderung vgl. Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 09.12.2024, GVBl. 2024 S. 573.

2) Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) vom 17.07.2015, BGBl. I S. 1245; zuvor bereits § 316 Abs. 1 HGB in der Fassung des BilMoG 2009.

3) Vgl. Eibelshäuser/Nowak, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Haushaltsgrundsätzegesetz, § 53 Rn. 13.

4) Vgl. BT-Drucks. 5/3040, S. 58

5) Zur Prüfpflicht auch ohne Jahresabschlussprüfung vgl. OVG Münster, Beschl. v. 10.10.2013 – 15 B 1315/13.

6) Vgl. Anlage zur VV Nr. 2 zu § 38 BHO, Abschn. III Prüfung und Berichterstattung nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 HGrG

7) Zur Relevanz für die Aufsichtsratshaftung vgl. §§ 93 AktG, 43 GmbHG; vgl. BGH NZG 2009, 287.

8) Vgl. Bayerisches Staatsministerium des Innern, Schreiben vom 29.04.2005 (unveröffentlicht; zitiert nach Wörlen, in: Schober (Hrsg.), Kommunalrecht Bayern, Art. 94 GO Rn. 12).

9) Vgl. Schraml, Bilanzanalyse für Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen, 4. Aufl. 2022, S. 53 ff.

10) Vgl. Langenbucher, in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl. 2021, § 93 Rn. 50 ff.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Die Gemeindekasse Bayern 20/2025, Rn. 172.