Gesetzgebung

BayVerfGH: Änderungen des LWG verfassungsgemäß

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Bayernflagge - MaximilianeumDie angegriffenen Regelungen des LWG

Im Hinblick auf die Entwicklung der Einwohnerzahlen hat das angegriffene Gesetz vom 25.10.2011 (Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes – LWG, GVBl 506) die Verteilung der Abgeordnetenmandate auf die Wahlkreise geändert. Deren Zahl wurde für den Wahlkreis Oberbayern von 58 auf 60 erhöht, für die Wahlkreise Oberpfalz und Oberfranken jeweils von 17 auf 16 reduziert. Die Zahl der Stimmkreise wurde von insgesamt 91 auf 90 verringert, von denen auf die Wahlkreise Oberpfalz und Oberfranken jeweils nur noch 8 statt bislang 9 treffen, weshalb die Stimmkreise auch neu zugeschnitten werden mussten. Dabei wurden im Wahlkreis Oberfranken die bisherigen Stimmkreise 408 Kulmbach und 409 Wunsiedel unter Abgabe einiger Gemeinden an andere Stimmkreise zum Stimmkreis 408 Wunsiedel, Kulmbach zusammengelegt.

Die Entscheidung des BayVerfGH

Gegenstand der Popularklageverfahren waren die Fragen, ob die Verringerung der Zahl der Abgeordnetenmandate für die Wahlkreise Oberpfalz und Oberfranken sowie die Einteilung der Stimmkreise im Wahlkreis Oberfranken, insbesondere der Zuschnitt des Stimmkreises 408 Wunsiedel, Kulmbach, gegen die BV verstoßen. Der VerfGH hat dies verneint und folgende Leitsätze veröffentlicht:

[1.] Der Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) wird nicht dadurch verletzt, dass nach dem Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 25.10.2011 (GVBl S. 506) auf die Wahlkreise Oberpfalz und Oberfranken jeweils nur noch 16 Abgeordnetenmandate entfallen. Die Verringerung der Mandatskontingente führt nicht zu einer zusätzlichen, über die 5%-Sperrklausel des Art. 14 Abs. 4 BV hinausgehenden Sperrwirkung.

[2.] Die Einteilung der Stimmkreise im Wahlkreis Oberfranken, insbesondere der Zuschnitt des Stimmkreises 408 Wunsiedel, Kulmbach, verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung.

Die Begründung des BayVerfGH

Im Hinblick auf die Verringerung der Zahl der Abgeordnetenmandate hat der VerfGH im Wesentlichen ausgeführt: Welchen Stimmenanteil ein Wahlvorschlag in einem Wahlkreis erreichen muss, um dort ein Mandat zu erhalten, lasse sich weder abstrakt noch im Voraus bestimmen. Die Antwort hänge von vier, teilweise nicht vorhersehbaren Variablen ab, nämlich von der Zahl der dem Wahlkreis vorab zugeteilten Mandate, von der Zahl der an der Sitzverteilung teilnehmenden Wahlkreisvorschläge, von der für die Mandatsverteilung relevanten Gesamtstimmenzahl und schließlich von den Stimmenanteilen, die die einzelnen an der Sitzverteilung teilnehmenden Wahlkreisvorschläge aufweisen. Dass die Ausgestaltung des Wahlsystems in aller Regel zu weit unter 5 % liegenden Mindeststimmenanteilen für die Zuteilung eines Mandats führe, zeigten die von der Staatsregierung auf der Grundlage der Ergebnisse der Landtagswahlen 2003 und 2008 erstellten Modellberechnungen. Auch nach Herabsetzung des Mandatskontingents auf 16 sei der Eintritt einer zusätzlichen faktischen Sperrwirkung im Wahlkreis so wenig wahrscheinlich, dass eine verfassungsrechtlich beachtliche Beeinträchtigung der Wahlgleichheit ausgeschlossen werden könne und schon deshalb für ein Tätigwerden des Gesetzgebers kein Anlass bestehe. Es verbleibt die Möglichkeit, dass ein Wahlvorschlag landesweit die 5 %-Sperrklausel überschreitet, in einzelnen Wahlkreisen aber unter diesem Stimmenanteil bleibt und deshalb dort kein Mandat erringt. Eine daraus möglicherweise entstehende Benachteiligung kleinerer Parteien mit einer regional ungleichmäßig verteilten Anhängerschaft sei jedoch wegen der Entscheidung des Verfassungsgebers in Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BV für eine getrennte Wahl in sieben Wahlkreisen als systembedingt hinzunehmen.

Im Hinblick auf die Stimmkreiseinteilung hat der VerfGH im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl die angegriffene Stimmkreiseinteilung als auch die Alternativlösungen, die in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden sind oder von den Antragstellern vorgetragen wurden, wiesen Vorteile wie Nachteile auf. Diese gegeneinander abzuwägen und sich für eine dieser Lösungen zu entscheiden, sei Aufgabe des Gesetzgebers. Dieser habe mit der getroffenen Entscheidung und den ihr zugrunde liegenden Erwägungen den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Stimmkreiseinteilung im Wahlkreis Oberfranken trage sowohl dem Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) als auch dem Grundsatz der Deckungsgleichheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BV) hinreichend Rechnung. Dass die Landkreise Wunsiedel und Kulmbach nach Ansicht der Antragsteller keine organische Einheit bilden, sondern sich in geografischer, historischer, wirtschaftlicher, kultureller und landsmannschaftlicher Hinsicht unterscheiden, stünde der Zusammenfassung in einem Stimmkreis verfassungsrechtlich nicht zwingend entgegen.

BayVerfGH, E. v. 04.10.2012, Vf. 14-VII-11, 20-VII-11, 21-VII-11, 1-VII-12

Ass. iur. Klaus Kohnen; Foto: (c) Alexander Ivanov – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2012100401