„Wer zu viele Wenden in der Energiewende hinlegen will, verliert das Ziel der Energiewende aus den Augen. Politik und Gesellschaft haben sich in breitem Konsens 2011 darauf geeinigt, den Ausstieg aus der Atomkraft und den Umstieg auf regenerative Energie gemeinsam zu meistern. Wir dürfen den Erfolg der Energiewende nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Politik muss eine gemeinschaftlich getroffene Entscheidung auch gemeinschaftlich vertreten, selbst wenn es unangenehme Nachrichten gibt und negative Begleiterscheinungen mit zu tragen sind,“ sagt Dr. Ulrich Maly, der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags. Die Energiewende baut auf einen Mix aus dezentraler regenerativer Energieerzeugung, Großkraftwerken und Off-Shore-Anlagen. Da in der Summe mit dezentralen Anlagen mit Wind, Sonne, Biomasse und Wasser der Energiebedarf nicht zu decken ist, ist der Transport von Strom über lange Trassen aus Off-Shore-Anlagen nötig. Die bisher vorhandene Kapazität der Übertragungsnetze in Deutschland genügt wohl nicht. Allerdings ist laut Maly zu prüfen, ob vor dem Hintergrund der Korrektur der Off-Shore-Strategie des Bundes bislang geplante hohe Leitungskapazitäten noch nötig sind.
Maly: „Der Leitungsbedarf muss im Licht der von der großen Koalition beschlossenen neuen Rahmenbedingungen der Energiewende geprüft werden.“
Die aktuellen Diskussionen um Stromtrassen aus Thüringen durch Bayern haben betroffene Bürgerschaft und Kommunalpolitik überrumpelt, sagt Maly:
„Der bundesweite Stromnetzausbau muss in größtmöglicher Transparenz erfolgen. Die Kommunen müssen in die Umsetzung vor Ort eingebunden werden.“
Maly verweist auf die Diskussion im Vorstand des Bayerischen Städtetags:
„Trassenführungen müssen einen angemessenen Abstand von der Wohnbebauung einhalten. Streckenweise muss geprüft werden, ob eine Erdverkabelung möglich und sinnvoll ist.“
Der Freistaat Bayern hat mit seinem Vorstoß vom Juli 2013 im Deutschen Bundesrat für eine Entschleunigung des Ausbaus der Windenergie in Bayern gesorgt. Die Standortplanung von Windenergieanlagen soll von einem höhenbezogenen Mindestabstand „10 H“ von Wohnbebauung abhängig gemacht werden; der Abstand des Zehnfachen der Höhe bedeutet, dass bei einer 200 Meter hohen Anlage ein Abstand von 2000 Metern zu Siedlungen gehalten werden müsste. Daran schloss im August ein Ministerialschreiben an die Kreisverwaltungsbehörden mit der Aufforderung an, Anträge auf Errichtung einer Windenergieanlage nur mit Blick auf die kommende Gesetzesänderung zu entscheiden.
Maly: „Mit diesem Vorgehen fiel die Staatsregierung ausgerechnet den Städten und Gemeinden in den Rücken, die den Appell zur Umsetzung der Energiewende ernst genommen haben. Städte und Gemeinden haben mit Bürgern und Trägern öffentlicher Belange in mühevoller Abstimmung Pläne für die Standortsteuerung von Windenergieanlagen erarbeitet. Einzelne Städte und Gemeinden haben selbst als Vorhabenträger im Vertrauen auf die Gesetzeslage hohe Investitionen getätigt.“
Der Freistaat selbst hat durch seine hohen Ausbauziele im Bayerischen Energiekonzept von 2011 Kommunen, Stadtwerke und private Investoren ermuntert, in die Windkraft zu investieren. Diese Investitionen dürfen nicht ins Leere gehen. Es ist Ausdruck der Verantwortung des Freistaats, nun eine Vertrauensregelung zum Schutz bestehender Investitionen zu schaffen und Planungssicherheit für alle beteiligten Unternehmen und Gebietskörperschaften herzustellen. Die in der Kabinettsitzung vom 4. Februar 2014 beschlossene Vertrauensschutzregelung wird ihrem Namen nicht gerecht. Es ist unverständlich, warum nicht auch nach dem Stichtag 4. Februar eingegangene Genehmigungsanträge vor dem möglichen Inkrafttreten der Abstandsregelung im August entschieden werden können. Das Kabinett hat es versäumt, Planungssicherheit für Investoren zu schaffen. Unklar bleibt, wie die Ausnahmeregelung zu verstehen ist. Die Standortplanung wird bereits nach geltendem Recht im Konsens vor Ort entschieden, nämlich im Bauleitplanverfahren, das nach einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung mit einem Konsens im Stadtrat oder Gemeinderat endet.
Auszug aus den Forderungen des Vorstands des Bayerischen Städtetags zur Energiewende
Der Bayerische Städtetag erwartet vom Bund ein Gesamtkonzept, um die Energiewende zielgerichteter umzusetzen. Insbesondere wird der Bund aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen, den kommunalen Energieversorgern und der gesamten Energiewirtschaft ein integriertes Energiemarktdesign zu erarbeiten, das die Umsetzung der energiepolitischen Ziele wirtschaftlich und ökologisch vertretbar ermöglicht, die Versorgungssicherheit gewährleistet und die Verbraucherinteressen berücksichtigt. Dazu gehört auch die Ausgestaltung eines Kapazitätsmarkts für Kraftwerkskapazitäten. Überdies muss gewährleistet werden, dass kurzfristig anfahrbare Kraftwerke mit energieeffizienter Technologie zum Ausgleich der volatilen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wirtschaftlich betrieben werden können.
Der Freistaat Bayern wird weiterhin aufgefordert, einen Masterplan für die künftige Energieversorgung Bayerns zu schaffen, der verlässliche Rahmenbedingungen und einen Projektplan mit Zielen, Meilensteinen und Verantwortlichkeiten enthält.
Die Energieeinsparung und die Steigerung der Energieeffizienz sind wesentliche Bestandteile der Energiewende. Das erhebliche Energie-Einsparpotenzial bei den Fahrzeugen im ÖPNV muss ausgeschöpft werden.
Die Wasserkraft ist eine tragende Säule beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Der Ausbau der Wasserkraft ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Energiewende, soweit er ökologisch verträglich erfolgt und auch ökonomischen Gesichtspunkten Folge leistet.
Das größte Potenzial zur Umsetzung der Energiewende in Bayern ist in der Windkraft zu sehen. Der Vorschlag der Staatsregierung, Windkraftkonzepte von der Einhaltung „höhenbezogener Abstandsregelungen“ abhängig zu machen, wird abgelehnt. Diese Initiative stellt die Ernsthaftigkeit der Energiewende in Frage, weil sie die Erreichung der Ausbauziele der Staatsregierung nahezu unmöglich macht und auf eine Verhinderung neuer Windenergieanlagen hinausläuft. Es muss den Kommunen und den Regionalen Planungsverbänden überlassen bleiben, in ihren Windkraftkonzepten im Rahmen der Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angemessene Abstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung zu finden.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) muss als wichtiger Anreizmechanismus für das Vorantreiben der erneuerbaren Energien in der Gesellschaft überarbeitet, aber grundsätzlich erhalten bleiben. Öffentliche Verkehrsunternehmen müssen von der EEG-Umlage befreit bleiben.
Der bundesweite Stromnetzausbau muss in größtmöglicher Transparenz erfolgen. Dies war bislang nicht der Fall. Der Leitungsbedarf muss im Licht der von der Großen Koalition beschlossenen neuen Rahmenbedingungen der Energiewende geprüft werden. Trassenführungen müssen einen angemessenen Abstand von der Wohnbebauung einhalten und streckenweise müssen Erdverkabelungsmöglichkeiten geprüft werden. Die Kommunen müssen in die Umsetzung vor Ort eingebunden werden. Das von den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene vorbereitete gemeinsame Positionspapier mit den vier Übertragungsnetzbetreibern muss zügig unterzeichnet werden, um den Kommunen eine aktive und informelle Mitwirkung zu ermöglichen.
Die Verteilnetze müssen in die Diskussion einbezogen werden. Es wird daran erinnert, dass rund 97 Prozent der erneuerbaren Energien über diese Netze eingespeist werden. Bei ihnen besteht ein erheblicher Ausbau- und Finanzierungsbedarf. Zur Erreichung intelligenter Netze muss die Smart-Meter-Technologie einbezogen werden.
Bayerischer Städtetag, PM v. 06.02.2014