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Rezension: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung (C.H.Beck, 20. Aufl. 2014)

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von Ass. iur. Fabian Michl, Universität Regensburg

Der „Kopp/Schenke“ ist Ende Mai in seiner 20. Auflage erschienen. Anlass genug für eine Rezension. Diese soll ohne die üblichen Floskeln auskommen (vgl. zu diesen mit zutr. Kritik Frey, NJW 2011, 731 (732)). Leerformeln wie „Standardwerk“, „uneingeschränkt zu empfehlen“ und „ein Muss für jeden Juristen“, werden den hohen Ansprüchen, die der Kommentar an sich selbst stellt, auch nicht im Ansatz gerecht.

Daher gleich zu den harten Fakten: Die Neuauflage ist im Kommentarteil mit Sachverzeichnis 2028 Seiten stark und hat damit verglichen mit der Vorauflage (erfreulicherweise) nur unwesentlich an Umfang gewonnen. Das Werk bewahrt so seine Handlichkeit, die es rein äußerlich von den meisten Konkurrenzprodukten abhebt. An der Struktur der Kommentierungen hat sich nichts geändert, das Sachverzeichnis ist – wie gehabt – detailliert und ermöglicht einen raschen Zugriff auf die jeweils interessierenden Randnummern. Inhaltlich hat die 20. Auflage den Stand vom Januar 2014. Sie berücksichtigt mehrere Gesetzesänderungen zum Abschluss der letzten Legislaturperiode, vor allen zu den Themen elektronischer Rechtsverkehr mit Gerichten (hierzu wurden sogar die erst am 01.01.2018 in Kraft tretenden Neufassungen der §§ 55a ff. berücksichtigt), Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungsrechts, Netzausbaubeschleunigung, Vereinheitlichung des Planfststellungsverfahrens sowie Videokonferenztechnik in gerichtlichen Verfahren.

Neue Entwicklungen in der Rechtsprechung wurden ebenso eingearbeitet wie das prozessrechtlich relevante Schrifttum aus 2013. Gerade auf den aktuellen Problemfeldern des Verwaltungsprozessrechts zeigt sich der Wert der Aktualität. So geben etwa die Ausführungen zur Klagebefugnis im Umweltrecht einen guten Überblick über den – sich beinahe jährlich verändernden – Rechtsstand (§ 42 Rn. 75 zum Individualkläger und Rn. 180 zur Verbandsklage) und skizzieren dabei auch die wissenschaftliche Debatte.

Für einen Handkommentar bemerkenswert – aber von den Vorauflagen freilich schon bekannt – ist die dogmatische Tiefe, mit der die zentralen Probleme des Verwaltungsprozessrechts und ihre Bezüge zum materiellen Recht aufgearbeitet werden. Der Kommentar wird damit dem Anspruch gerecht, der sich an der Größe der Zielgruppe ablesen lässt: Neben Rechtsanwälten, Justitiaren, Richtern und Verwaltungsbeamten sind dort auch Referendare, Studierende und Professoren genannt; der Verfasser dieser Rezension erlaubt sich im Wege teleologischer Extension diese Aufzählung um die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Hilfskräfte zu erweitern.

Dass diese Vereinigung von praktischem Nutzen und akademischer Begründungstiefe nicht ohne negative Auswirkungen auf die Übersichtlichkeit bleiben kann, versteht sich von selbst. Diesen Tribut an eine umfassende Darstellung muss der Leser zahlen. Obschon die Struktur und Gestaltung der Kommentierung ersichtlich von dem Bemühen zeugt, dem Verwender die Orientierung zu erleichtern, gelingt dies nicht durchgehend. Kritik geübt werden kann an teilweise deutlich zu lang geratenen Randnummern (als Beispiel § 42 Rn. 180 über knapp vier Seiten) und deren interne Strukturierung (lange Fließtextpassagen mit wenig „Auflockerung“). Der Fettdruck zentraler Begriffe erweist sich nicht immer als geeignetes Hilfsmittel, zumal er gerade bei zentralen Randnummern zur Regel wird (z.B. § 42 Rn. 45 – Konkurrentenklage). Bisweilen wünscht man sich zudem – gerade mit Blick auf die Praxis und das Assessorexamen – deutlich hervorgehobene Tenorierungsvorschläge, wie sie aus dem ZPO-Kommentar der „Gelben Erläuterungsbücher“ – Thomas/Putzo – bekannt sind.  Schließlich – und das als letzter Kritikpunkt – gerät die für Praxis und Klausur so wichtige „h.M.“ gelegentlich aus den Augen. So lautet etwa die Überschrift zu § 47 Rn. 85 „Keine Antragsfrist bei rechtswidrig gewordenen Normen […]“ und die weiteren Ausführungen lassen keinen Zweifel daran, dass die Frist dann nicht anzuwenden ist; dass das BVerwG dies (nun) anders sieht, ergibt sich dann nur aus einem – vergleichsweise unscheinbaren – Klammerzitat: „(aA NVwZ 2013, 1548)“.

Diese Kritik wiegt aber in der Gesamtschau gering. Die Vorzüge einer detaillierten, dogmatisch und argumentativ fundierten Darstellung überwiegen eindeutig die kleinen Abstriche, die man bei Übersichtlichkeit und „Schnellzugriffstauglichkeit“ machen muss.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass gerade von bayerischen Rechtsreferendaren die „Examensrelevanz“ einer vertieften Beschäftigung mit dem „Kopp/Schenke“ nicht vergessen werden sollte. Gerade die Bezüge zum materiellen Recht – die über das Werk verstreut sind (und manchmal „versteckt“ sind) – lassen sich nutzen, um den Mangel an zugelassenen Hilfsmitteln auf weiten Teilen des öffentlichen Rechts zu kompensieren. Als besonders nützlich dürfte sich das im Europarecht, Polizeirecht und Kommunalrecht herausstellen. Hier besticht das Werk mit fundierten Erläuterungen, die viele Probleme des sachlichen Rechts aufgreifen. Auch im Baurecht, in dem das Werk Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO zugelassen ist, empfiehlt es sich, für zusätzliche dogmatische Tiefe die Ausführungen im „Kopp/Schenke“ zu studieren. Einige Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Europarecht: § 1 Rn. 2; § 42 Rn. 152 ff. (u. a. unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien); § 80 Rn. 11, 95, 154 f. (einstweiliger Rechtsschutz und Europarecht)
  • Polizeirecht: § 179 Rn. 6 ff. (Strafverfolgungsvorsorge, doppelfunktionale Maßnahmen etc.)
  • Kommunalrecht: § 40 Rn. 6 ff.; § 42 Rn. 80, Anh § 42 Rn. 86 ff. (Kommunalverfassungsstreit, Organrechte, Außenwirkung) § 42 Rn. 137 ff., Anh § 42 Rn. 77 ff. (Selbstverwaltungsgarantie, Kommunalaufsicht)
  • Baurecht: § 42 Rn. 96 ff. (Nachbarschutz mit Details zum Bauordnungsrecht), § 47 Rn. 68 ff. (Bebauungsplan)
  • Immissionsschutzrecht: § 42 Rn 103 ff. (Nachbarschutz)
  • Verwaltungsvollstreckungsrecht: § 167 Rn. 14 ff.

Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 20. Aufl., München 2014, Verlag C.H.Beck. XXX, 2028 S. in Leinen, 1128 g, ISBN 978-3-406-66214-0, 64,00 €

Anmerkung der Redaktion

Ass. iur. Fabian Michl ist Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und europäisches Verwaltungsrecht von Prof. Dr. Gerrit Manssen, Universität Regensburg.

 

Net-Dokument BayRVR2014061701