Gesetzgebung

BayVerfGH: Parlamentarische Anfrage zu den Geldanlagen des Herrn Hoeneß in der Schweiz (Antwortpflicht der Staatsregierung und Wahrung des Steuergeheimnisses)

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Der BayVerfGH hat zur Entscheidung vom 11. September 2014 über die Verfassungsstreitigkeit zwischen einem Abgeordneten sowie der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Antragsteller) und der Bayerischen Staatsregierung (Antragsgegnerin) über die Frage, ob die Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf die Fragen 1 bis 3 der Schriftlichen Anfrage „Geldanlagen von Uli Hoeneß in der Schweiz und die Bayerische Staatsregierung I“ vom 15. Mai 2013 [LT-Drs. 16/17610, PDF, 31 KB] die Rechte aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 Bayerische Verfassung verletzt, folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

I. Sachverhalt

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragsteller haben sich in der vergangenen Legislaturperiode mit parlamentarischen Anfragen zu den Geldanlagen des Herrn Hoeneß in der Schweiz an die Bayerische Staatsregierung gewandt. Unter anderem haben sie Auskunft darüber verlangt,

  • wann die Selbstanzeige des Herrn Hoeneß beim Finanzamt Miesbach eingegangen ist und ob die Anzeige von Herrn Hoeneß persönlich oder von einem Vertreter abgegeben wurde (Frage 3),
  • welcher Vertreter welcher bayerischen Behörde zum ersten Mal sowie welche weiteren Vertreter bayerischer Behörden vor Einreichen der Selbstanzeige Kenntnis von den Geldanlagen des Herrn Hoeneß in der Schweiz erhielten und auf welchem Weg dies geschah (Fragen 1 und 2).

Die Bayerische Staatsregierung hat eine inhaltliche Beantwortung abgelehnt; zur Begründung wurde auf das Steuergeheimnis verwiesen.

Die Antragsteller sind der Auffassung, hierdurch würden Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 Bayerische Verfassung verletzt. Aus diesen Verfassungsbestimmungen ergebe sich das Recht der Abgeordneten auf umfassende Beantwortung durch die Staatsregierung.

II. Entscheidung

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat den Antrag am 11. September 2014 abgewiesen. Die Entscheidung stützt sich auf folgende Grundsätze:

  1. Das Recht auf Wahrung des in § 30 Abgabenordnung durch einfaches Bundesgesetz geregelten Steuergeheimnisses geht dem landesverfassungsrechtlich in Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 Bayerische Verfassung verankerten Fragerecht der Abgeordneten nicht zwangsläufig vor. Die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse kann jedoch im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100, 101 BV) geboten sein.
  2. Soweit eine parlamentarische Anfrage Auskünfte über die steuerlichen Verhältnisse von Privatpersonen zum Gegenstand hat, wird in der Regel kein überwiegendes Informationsinteresse des Abgeordneten anzunehmen sein. In Anlehnung an die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Abgabenordnung kann aber bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses eine Antwortpflicht der Staatsregierung bestehen.

Zwei Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs haben ein Sondervotum abgegeben.

III. Zu der Entscheidung im Einzelnen

1. Begehrte Informationen unterliegen dem Steuergeheimnis des § 30 AO

Die von den Antragstellern begehrten Informationen fallen unter das Steuergeheimnis, das in § 30 Abgabenordnung durch einfaches Bundesgesetz geregelt ist.

a) Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer Person. Geschützt ist auch die Information darüber, wer für einen Beteiligten im Verfahren aufgetreten ist, welche Anträge gestellt worden sind und in welcher Form das Verfahren von dem Beteiligten betrieben worden ist. Unter den Schutz des Steuergeheimnisses fallen nur die Verhältnisse eines „anderen“, nicht aber verwaltungsinterne Vorgänge oder die Verhältnisse des Amtsträgers, der im Verwaltungsverfahren in Steuersachen tätig geworden ist. Allerdings sind Auskünfte nicht zulässig, soweit sie, und sei es auch nur mittelbar, Rückschlüsse auf Verhältnisse des Steuerpflichtigen zulassen.

b) Nach diesen Grundsätzen fällt die in Nr. 3 der Schriftlichen Anfrage begehrte Auskunft darüber, wann die Selbstanzeige des Herrn Hoeneß beim Finanzamt Miesbach eingegangen ist und ob die Anzeige von Herrn Hoeneß persönlich oder von einem Vertreter abgegeben wurde, zweifelsohne unter das Steuergeheimnis.

Auch die Informationen, welcher Vertreter welcher bayerischen Behörde zum ersten Mal sowie welche weiteren Vertreter bayerischer Behörden vor Einreichen der Selbstanzeige Kenntnis von den Geldanlagen des Herrn Hoeneß in der Schweiz erhielten und auf welchem Weg dies geschah (Fragen 1 und 2 der Schriftlichen Anfrage), unterliegen dem Steuergeheimnis. Es erfasst beispielsweise auch den Umstand, ob und wann ein Steuerpflichtiger eine Steuererklärung abgibt. Nichts anderes kann gelten, wenn Behörden auf einem anderen Weg Kenntnis von steuerpflichtigen Vorgängen erlangen. Hier handelt es sich nicht um einen allein verwaltungsinternen Vorgang, weil die näheren Einzelheiten für die Beurteilung von Bedeutung waren, ob die Selbstanzeige gemäß § 371 Abgabenordnung strafbefreiende Wirkung entfalten konnte, und damit Rückschlüsse auf die Verhältnisse des Steuerpflichtigen zuließen.

2. Keine Auskunftsverweigerung allein mit dem Hinweis auf das Steuergeheimnis des § 30 AO

Das Recht auf Wahrung des in § 30 Abgabenordnung durch einfaches Bundesgesetz geregelten Steuergeheimnisses geht dem landesverfassungsrechtlich in Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 Bayerische Verfassung verankerten Fragerecht der Abgeordneten jedoch nicht zwangsläufig vor. Da das parlamentarische Fragerecht Ausdruck der Verfassungsautonomie des Freistaates Bayern ist, ist eine eventuelle Kollision mit bundesgesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften nicht über Art. 31 Grundgesetz zu lösen. Für die Beurteilung der Organstreitigkeit ist vielmehr entscheidend, ob dem parlamentarischen Fragerecht durch die Bayerische Verfassung geschützte Interessen entgegengehalten werden konnten.

3. Auskunftsverweigerung unter dem Aspekt der informationellen Selbstbestimmung

Die Verweigerung der gewünschten Auskünfte konnte mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung begründet werden, das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 100, 101 Bayerische Verfassung) abgeleitet wird.

a) Einen Grundrechtseingriff hätte insbesondere die Bekanntgabe des genauen Eingangsdatums der Selbstanzeige zur Folge (Frage 3). Denn dieser Zeitpunkt kann von entscheidender Bedeutung dafür sein, ob eine Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung hat. In diesem Zusammenhang konnte es auch entscheidend darauf ankommen, ob und gegebenenfalls wann Behördenvertreter vor Einreichung der Selbstanzeige Kenntnis von den Geldanlagen des Herrn Hoeneß in der Schweiz erhalten hatten (Fragen 1 und 2). Es bestand daher die Möglichkeit, dass die begehrten Auskünfte im Rahmen des damals anhängigen Ermittlungs- und späteren Strafverfahrens eine wichtige Rolle für die Beurteilung der Strafbarkeit des Steuerpflichtigen spielen würden.

b) Die Abwägung der maßgeblichen unterschiedlichen Belange ergibt, dass die Staatsregierung die Beantwortung der verfahrensgegenständlichen Fragen im Ergebnis zu Recht verweigert hat. Soweit eine parlamentarische Anfrage Auskünfte über die steuerlichen Verhältnisse von Privatpersonen zum Gegenstand hat, wird in der Regel kein überwiegendes Informationsinteresse des Abgeordneten anzunehmen sein. Die Geheimhaltung von Steuerdaten und -verhältnissen darf jedoch nicht dazu führen, dass insoweit ein von parlamentarischer Kontrolle gänzlich freier Raum entsteht. In Anlehnung an die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Abgabenordnung kann bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses eine Antwortpflicht der Staatsregierung bestehen. Zwar könnte der Vorwurf einer zunächst unterbliebenen oder zögerlichen Strafverfolgung grundsätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage begründen. Vorliegend sind die diesem Vorwurf zugrunde liegenden Anhaltspunkte jedoch zu vage, um in der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht des betroffenen Steuerpflichtigen dem parlamentarischen Informationsinteresse das erforderliche besondere Gewicht verleihen zu können.

4. Auslegung der auskunftsverweigernden Begründung der Staatsregierung

Zur Begründung, warum eine inhaltliche Beantwortung unterblieben ist, hat die Staatsregierung nur auf das „Steuergeheimnis“ Bezug genommen, ohne sich ausdrücklich auf das vorliegend maßgebliche Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu berufen. Der Antwort ist allerdings zu entnehmen, dass die begehrten Auskünfte nach Einschätzung der Staatsregierung für die Beurteilung der Wirksamkeit der Selbstanzeige relevant waren. Damit wurde der für die Prüfung einer Antwortpflicht im Hinblick auf Art. 100, 101 Bayerische Verfassung wesentliche Gesichtspunkt genannt und in die Überlegungen einbezogen; die Begründung entspricht in noch vertretbarer Weise den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Sondervotum:

Zwei Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs sind der Ansicht, die Staatsregierung sei verpflichtet gewesen, die verfahrensgegenständlichen Fragen inhaltlich zu beantworten.

BayVerfGH, Pressemitteilung v. 11.09.2014 zu der Entscheidung vom 11.09.2014, Vf. 67-IVa-13

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