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EuG: Italienische Fischereiverbände können einen Aktionsplan mit nationalen Maßnahmen auf dem Gebiet u.a. des Schwertfischfangs nicht vor dem Gericht der EU anfechten

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Das Gericht präzisiert die Tragweite der in Art. 263 AEUV aufgestellten Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit

Bis zum 1. Dezember 2009, dem Tag des Inkrafttretens des Vertragsvon Lissabon, konnten natürliche und juristische Personen („Einzelne“) Nichtigkeitsklage bei den Gemeinschaftsgerichten nur gegen an sie gerichtete Handlungen (erste Alternative) oder solche Handlungen erheben, die sie unmittelbar und individuell betrafen (zweite Alternative). Mit demVertrag von Lissabon wurde eine neue Alternative eingeführt, die es Einzelnen erlaubt, Nichtigkeitsklage gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, zu erheben (dritte Alternative). Diese drei Alternativen finden sich in Art.263 AEUV.

Ende 2012 setzte die Kommission Italien davon in Kenntnis, dass sie die Einhaltung bestimmter Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik beeinträchtigende Unregelmäßigkeiten, insbesondere was den Fang weit wandernder Arten im Mittelmeer angeht, festgestellt habe. Trotz amtlicher Untersuchungen Italiens hierzu war die Kommission der Auffassung, dass die zuvor festgestellten Unregelmäßigkeiten fortbestünden. Sie arbeitete daher zusammen mit den italienischen Behörden den Entwurf eines Aktionsplans aus.

Mit Beschluss vom 6.Dezember 2013[1] nahm die Kommission einen Aktionsplan an, mit dem die Mängel des italienischen Systems der Fischereiaufsicht behoben werden sollen. Dieser Plan enthält insbesondere folgende Aktionen: Erlass neuer technischer Maßnahmen zur Vereinbarkeit des „ferrettara“-Systems, das verschiedene traditionelle engmaschige Treibnetzsysteme umfasst, mit den übrigen Fanggeräten; Erlass von Ersatzmaßnahmen zur  Kompensation fehlender Satellitenüberwachung und Meldepflicht für bestimmte Schiffe, die Schwertfischfang betreiben dürfen; Umsetzung internationaler Bestimmungen über die Mindestfanggrößen für Schwertfisch und die technischen Merkmale für Leinen auf nationaler Ebene; Verstärkung der abschreckenden Wirkung der bei schwerwiegenden und wiederholten Zuwiderhandlungen verhängten finanziellen Sanktionen.

Um die Interessen ihrer Mitglieder (Wirtschaftsteilnehmer im Fischereisektor und insbesondere von den italienischen Behörden zum Schwertfischfang zugelassene Fischer) zu wahren, haben mehrere italienische Fischereiverbände beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses erhoben.

Mit seinem heutigen Urteil weist das Gericht die Klage ab, weil es die Voraussetzungen, eine solche Klage erheben zu können, für nicht erfüllt hält.

Das Gericht prüft zunächst, ob die Fischereiverbände ihre Klage gemäß der neuen, mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten Alternative erheben konnten. Hierzustellt es fest, dassder Begriff der unmittelbaren Betroffenheit der zweiten und der dritten Alternative in Art. 263 AEUV gemeinsam  ist. Allerdings kannd ieser Begriff im Rahmen der zweiten Alternative den Fall umfassen, in dem die in Rede stehende Handlung die Rechtsstellung dessen, der sie anficht, nicht als solche verändert, sondern ihren Adressaten verpflichtet, Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, die die Rechtsstellung dieses Einzelnen verändern. Dieser Fall kann bei der dritten Alternative jedoch nicht eintreten, da diese ausdrücklich das Fehlen von Durchführungsmaßnahmen vorsieht. Die dritte Alternative betrifft daher nur solche Rechtsakte, die als solche (also unabhängig von einer Durchführungsmaßnahme) die Rechtsstellung des Einzelnen verändern. Verändert der angefochtene Rechtsakt nicht als solcher die Rechtsstellung des Klägers, lässt sich daher bereits allein daraus auf die Unanwendbarkeit der dritten Alternative schließen, ohne dass in diesem Fall geprüft werden müsste, ob dieser Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf den Einzelnen nach sich zieht.

Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass der Beschluss der Kommission als solcher die Rechtsstellung der Wirtschaftsteilnehmer im Fischereisektor nicht verändert, da die Kommission nicht befugt ist, einseitige, auf diese Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar anwendbare Rechtsakte zu erlassen. Die Kommission kann nämlich nur einen verbindlichen Aktionsplan mit einer Reihe von Maßnahmen ausarbeiten, die der betroffene Mitgliedstaat  (Italien) umzusetzenhat. Aus diesem Plan geht im Übrigen deutlich hervor, dass die italienischen Behörden für jede Aktion die geeigneten Maßnahmen ergreifen müssen.

Das  Gericht prüft anschließend, ob die Verbände ihre Klage auf der Grundlage der zweiten  im AEUV vorgesehenen Alternative erheben konnten. Im Rahmen dieser Alternative muss der Beschluss der Kommission die Fischer nicht nur unmittelbar, sondern auch individuell  betreffen. Nach Auffassung des Gerichts betrifft der Kommissionsbeschluss die  Fischereiverbände nicht individuell, da er zum einen auf objektiv bestimmte Sachverhalte anzuwenden ist (die durch die Verbände vertretenen Fischer sind in gleicher Weise betroffen   wie jeder andere Wirtschaftsteilnehmer, der sich gegenwärtig oder potenziell in gleicher Lage  befindet) und zum anderen Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt  umschriebenen Personengruppen erzeugt (die aktuelle Liste der zum Schwertfischfang  zugelassenen Schiffe unter italienischer Flagge umfasst mehr als 7300 Schiffe). Zudem war  die Kommission bei Annahme ihres Beschlusses nicht zur Anwendung eines Verfahrens verpflichtet, in dessen Rahmen die Fischer mögliche Rechte hätten geltend machen können.

EuG, Pressemitteilung v. 07.07.2015 zum U. v. 07.07.2015, T-312/14 (Federazione nazionale delle cooperative della pesca [Federcoopesca] u.a. / Kommission)

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[1] Beschluss C (2013) 8635 endg. der Kommission vom 6. Dezember 2013 über die Aufstellung eines Aktionsplans zur Behebung von Mängeln des italienischen Systems der Fischereiaufsicht.