Gesetzgebung

EU-Kommission: Kommission schlägt Investitionsgerichtsbarkeit für TTIP und andere Handelsverträge vor

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EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat heute (Mittwoch) in Brüssel Vorschläge für ein reformiertes und transparentes Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vorgelegt.

Eine Investitionsgerichtsbarkeit soll künftig das bisherige System zur Streitbeilegung zwischen Investor und Staat durch demokratische und klar definierte Regeln ersetzen. Das neue Verfahren soll für alle laufenden und künftigen Verhandlungen über Investitionsschutzabkommen gelten, einschließlich der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP).

Der Erste Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans warb für den neu eingeschlagenen Weg.

„Mit unseren Vorschlägen für eine neue Investitionsgerichtsbarkeit betreten wir Neuland. Die neue Investitionsgerichtsbarkeit wird aus qualifizierten Berufsrichtern bestehen, die Verfahren werden transparent sein und die Fälle werden auf der Grundlage klarer Vorschriften verhandelt. Zudem untersteht das Gericht einem neuen Berufungsgericht. Mit diesem neuen System wahren wir das Recht der Regierungen zu regulieren und stellen sicher, dass Streitigkeiten über Investitionen unter uneingeschränkter Beachtung der Rechtsstaatlichkeit geregelt werden.“

Handelskommissarin Malmström ergänzte:

„Heute lösen wir unser Versprechen ein, ein neues, moderneres System von Investitionsgerichten zu schaffen, die demokratischen Grundsätzen und öffentlicher Kontrolle unterliegen. In der Debatte ist klar zum Ausdruck gekommen, dass bei der alten, traditionellen Form der Streitbeilegung ein grundlegender Mangel an Vertrauen herrscht. Die Investoren aus der EU nutzen aber das bestehende Modell, das einzelne EU-Staaten im Laufe der Zeit entwickelt haben, am häufigsten. Dies bedeutet, dass Europa dafür zuständig sein muss, es zu reformieren und zu modernisieren. Wir müssen uns an die Spitze der Reformer setzen.“

Malmström fügte hinzu:

„Wir wollen ein neues System an den Elementen festmachen, die den Bürgern bei einzelstaatlichen und internationalen Gerichten Vertrauen einflößen. Ich mache diesen Vorschlag zu demselben Zeitpunkt öffentlich, zu dem ich ihn dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten übermittle. Es ist sehr wichtig, dass wir uns offen und transparent über dieses breit diskutierte Thema austauschen.“

Als Reaktion auf die Kritik an den bisherigen Streitschlichtungsverfahren hatte die Kommission eine europaweite öffentliche Konsultation durchgeführt und sich mit Parlamentariern, Mitgliedstaaten und zivilgesellschaftlichen Interessensvertretern beraten. Die neue Investitionsgerichtsbarkeit baut auf den zentralen Faktoren nationaler und internationaler Gerichte auf und verankert das Regulierungsrecht von Regierungen. Die Verfahren werden so transparenter und berechenbarer, so dass alle Beteiligten Vertrauen in ihren Ablauf setzen können. Außerdem ist Möglichkeit vorgesehen, Einspruch gegen die Entscheidungen einzulegen.

Hauptbestandteile der Reform

Der Vorschlag für die neue Gerichtsbarkeit beinhaltet wesentliche Verbesserungen. Dazu gehören:

  • eine öffentliche Investitionsgerichtsbarkeit, bestehend aus einem Gericht erster Instanz und einem Berufungsgericht
  • Urteile, die von öffentlich ernannten Richtern mit hoher Qualifikation gefällt werden, vergleichbar der Qualifikation der Mitglieder ständiger internationaler Gerichte wie des Internationalen Gerichtshofs und des WTO-Berufungsgremiums
  • ähnliche Grundsätze wie beim WTO-Berufungsgremium bei den Verfahren des neuen Berufungsgerichts
  • eine genaue Festlegung der Möglichkeiten von Investoren, einen Fall vor das Gericht zu bringen, und die Begrenzung auf Fälle wie gezielte Diskriminierung wegen Geschlecht, Rasse oder Religion, Staatsangehörigkeit, Enteignung ohne Entschädigung oder formelle Rechtsverweigerung
  • Festlegung und Garantie des Rechts der Regierungen auf Regulierung in den Bestimmungen der Handels- und Investitionsabkommen

Mit diesen Verbesserungen ist Folgendes gewährleistet:

  • Die Verfahren werden transparent, die Anhörungen öffentlich und die Stellungnahmen online einsehbar sein; zudem werden Parteien, die ein Interesse an der Streitigkeit haben, die Möglichkeit gegeben, dem Verfahren beizutreten.
  • Forum-Shopping (Wahl des günstigsten Gerichtsstands) wird ausgeschlossen.
  • Unseriöse Klagen werden umgehend abgewiesen.
  • Internationales und nationales Recht werden klar voneinander abgegrenzt.
  • Mehrfach- und Parallelverfahren werden vermieden.

Nächste Schritte

Als nächstes wird die Kommission den Vorschlag jetzt mit dem Rat und Europäischen Parlament diskutieren. Sobald diese Gespräche abgeschlossen sind, wird der Vorschlag als EU-Vorschlag in die Handelsgespräche mit den USA eingehen und auch bei anderen laufenden und künftigen Verhandlungen als Verhandlungsbasis dienen.

Parallel zu den TTIP-Verhandlungen wird die Kommission gemeinsam mit anderen Ländern auch auf den Aufbau eines festen Internationalen Investitionsgerichts hinwirken. Längerfristig soll ein Internationales Investitionsgericht alle bisherigen Verfahren ablösen, die in EU-Übereinkommen, Abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern und Handels- und Investitionsabkommen zwischen Drittländern zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vorgesehen sind. Dies würde die Effizienz, Einheitlichkeit und Legitimität weiter steigern.

Die vollständige Pressemitteilung dazu in englischer Sprache hier.

Der Textvorschlag zum Investitionsschutz und die Resolution der Investitionsgerichtsbarkeit in TTIP finden Sie hier  (PDF, 430 KB).

Ein Erklärtext dazu gibt es hier.

EU-Kommission, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 16.09.2015