Gesetzgebung

EU-Kommission: Kommission legt Bericht über Fortschritte in der europäischen Flüchtlingspolitik vor

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Vor dem Europäischen Rat kommende Woche hat die EU-Kommission Bilanz zur bisherigen Bewältigung der Flüchtlingskrise gezogen. Dazu legte sie heute (Mittwoch) ausführliche Berichte über die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda und des EU-Türkei Aktionsplans sowie über die Situation in Italien, Griechenland und auf der Westbalkan-Route vor. Außerdem verschärfte die Kommission eine Reihe von Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelnden Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, darunter gegen Deutschland. In einem Schreiben an alle Mitgliedstaaten mahnte die EU-Kommission die Umsetzung der EU-Umverteilungsregelung an. In einer Empfehlung an Griechenland benennt die EU-Kommission die wichtigsten Maßnahmen, damit die Überstellungen von Flüchtlingen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung schrittweise wieder aufgenommen werden können. Schließlich schlug die Kommission vor, Österreich aufgrund seiner Notsituation teilweise und vorübergehend aus dem Umverteilungsmechanismus auszunehmen.

Der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, erklärte dazu:

In der zweiten Hälfte des Jahres 2015 nahm die Zahl der irregulär in die Europäische Union eingereisten Personen beispiellose Ausmaße an. Wer Schutz braucht, muss in dem Mitgliedstaat, über den er in das Gebiet der EU gelangt ist, Aslyl beantragen. Erforderlichenfalls können Schutzbedürftige auf andere Mitgliedstaaten umverteilt werden, um zu einer faireren Lastenteilung zu kommen. Wer kein Asyl beantragt hat oder keine Chance auf Anerkennung hat, muss rasch und wirksam identifiziert und zurückgeführt werden. Unsere aktuell wichtigste Aufgabe ist es, ein ordentliches Migrationsmanagement wiederherzustellen. Die Europäische Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten mit substantiellen finanziellen und praktischen Mitteln in ihren Bemühungen um ein abgestimmtes Vorgehen.“

Der für Migration, Inneres und Bürgerschaft zuständige Kommissar Dimitris Avramopoulos erklärte:

Angesichts der gleichbleibend hohen Anzahl von Neuankömmlingen müssen wir unser vereinbartes gemeinsames Vorgehen beschleunigt umsetzen. Dabei ist die Balance zwischen Verantwortung und Solidarität zu wahren. Schutzbedürftige Menschen, die in der Union eintreffen, müssen die Gewissheit haben, dass sie Schutz erhalten; sie müssen jedoch auch wissen, dass sie den Ort der Schutzleistung nicht selbst bestimmen können. Und wenn sie keinen Schutzanspruch haben, werden sie zurückgebracht. Um den Migrantenzustrom besser zu bewältigen und die Grenzen Europas zu schützen, müssen die Mitgliedstaaten ihre eingegangenen Verpflichtungen einlösen, die europäischen Asyl- und Grenzkontrollvorschriften konsequent anwenden und den besonders exponierten Mitgliedstaaten die erforderliche Unterstützung gewähren.“

Bericht zur Lage in Griechenland, Italien und den Westbalkanstaaten

Griechenland

Die Einrichtung der fünf Hotspots auf den Ägäischen Inseln (Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos) ist nur langsam vorangekommen, weil sie von Grund aufgebaut werden mussten und es Mängel bei Infrastruktur, Personal und Koordinierung gab. Nur der Hotspot in Lesbos ist aktuell vollständig betriebsbereit. Bei den anderen Hotspots wird an der Einsatzfähigkeit gearbeitet. Die griechische Regierung hat die griechische Armee herangezogen, um das Zieldatum Mitte Februar zu erreichen. In der Zwischenzeit findet die Registrierung in temporären Gebäuden statt. Der Anteil an Migranten, von denen Fingerabdrücke genommen wurden ist von 8 Prozent im September 2015 auf 78 Prozent im Januar 2016 gestiegen. Sobald sie eingerichtet und einsatzbereit sind, sollen die griechischen Hotspots eine Kapazität zur Abnahme von ca. 11.000 Fingerabdrücken pro Tag erreichen.

Die Umverteilung von 66.400 schutzbedürftigen Menschen aus Griechenland, die von den Mitgliedstaaten vereinbart wurde, kommt nur schleppend in Gang: bisher wurden nur 218 umverteilt.

Heute hat die Kommission auch eine an Griechenland gerichtete Empfehlung über dringliche Maßnahmen angenommen, die Griechenland ergreifen muss, damit die Überstellungen auf der Grundlage der Dublin-Verordnung teilweise wieder aufgenommen werden können. Seit dem Urteil des EuGH von 2011 hat Griechenland einige Verbesserungen vorgenommen und Schritte ergriffen, um die Mängel in seinem Asylsystem abzustellen.

Allerdings stellt die Kommission fest, dass trotz struktureller Verbesserungen im Asylsystem durch die Einsetzung eines Asyldienstes und eines Erstaufnahmedienstes das Asylverfahren in wichtigen Bereichen noch Verbesserungsbedarf aufweist, bevor die Dublin-Verordnung wieder vollumfänglich auf Griechenland anwendbar ist. Das gilt insbesondere für die Aufnahmekapazitäten und -bedingungen, den Zugang zum Asylverfahren, Rechtsbehelfe und Rechtsbeistand.

Im Kommissarskollegium wurden heute auch Empfehlungsentwürfe an Griechenland auf der Grundlage von Artikel 19b des Schengener Grenzkodexes erörtert. Nachdem in einem Schengen-Evaluierungsbericht Mängel im griechischen Außengrenzen-Management festgestellt worden waren, prüft der Rat jetzt die Empfehlungsvorschläge der Kommission, mit denen diese schwerwiegenden Mängel behoben werden sollen. Die Kommission wird die entsprechenden Durchführungsmaßnahmen in die Wege leiten, sobald der Rat seine Beschlüsse gefasst hat.

Mehr Informationen zur Lage in Griechenland finden Sie hier (PDF) und hier (PDF).

Italien

Die geplante Einrichtung von sechs Hotspots durch die italienischen Behörden in Lampedusa, Pozzallo, Porto Empedocle/Villa Sikania, Trapani, Augusta und Taranto kommt ebenfalls nur langsam voran, zwei Hotspots sind vollständig betriebsbereit (Lampedusa und Pozzallo), ein dritter in Trapani wird einsatzfähig sein, sobald die Umbauarbeiten abgeschlossen sind. In Taranto wird an der Fertigstellung gearbeitet, die Pläne für die Hotspots in Augusta und Porto Empedocle/Villa Sikania sind noch nicht abgeschlossen, hier ist im Hinblick auf den zu erwartenden Anstieg der Migrationsströme im Frühsommer eine Entscheidung sehr wichtig.

Die beiden operativen Hotspots in Lampedusa und Pozzallo haben eine Rate bei der Abnahme von Fingerabdrücken von 100 Prozent bei den letzten Anlandungen erreicht. Der Anteil der Migranten, denen Fingerabdrücke abgenommen wurden, ist von 36 Prozent im September 2015 auf 87 Prozent im Januar 2016 gestiegen.

Obwohl die Umverteilung aus Italien bereits einige Wochen vor der in Griechenland begonnen hat, bleibt sie weit hinter der Zielmarke von 39.600 umzuverteilenden schutzbedürftigen Menschen zurück: bislang wurden nur 279 Asylbewerber umverteilt.

Mehr Informationen zur Lage in Italien finden Sie hier (PDF) und hier (PDF).

Westbalkanroute

Serbien, Slowenien, Kroatien und Griechenland haben alle den EU-Zivilschutzmechanismus aktiviert. Das bedeutet, dass andere EU-Länder Mittel bereitstellen, um bei der humanitären Notlage in diesen Ländern zu helfen. Insgesamt haben 15 Länder Hilfsangebote gemacht und Zelte, Schlafsäcke, Ausrüstung für Heizung und Stromerzeugung geliefert haben. Eine große Anzahl von Hilfsanfragen konnte jedoch noch nicht ausreichend beantwortet werden. Die Länder an der West-Balkanroute haben zugestimmt, zusätzliche 50.000 Aufnahmeplätze zu schaffen, bisher wurde nur die Hälfte dieser Zielvereinbarung erreicht.

Mehr Informationen zur Lage auf der Westbalkanroute finden Sie hier (PDF) und hier (PDF).

Weitere Informationen zu den Fortschrittsberichten zu Griechenland, Italien und dem Westbalkan finden Sie hier.

Aktionsplan EU-Türkei

Die EU-Kommission hat heute auch einen Bericht über die Durchführung des am 29. November 2015 beschlossenen gemeinsamen Aktionsplan EU-Türkei veröffentlicht. Die Türkei wird darin dringend ersucht, ihre Bemühungen zur vollständigen und wirksamen Durchführung des Plans fortzusetzen.

So muss die Türkei dringend deutliche Fortschritte bei der Verhinderung irregulärer Abfahrten von Migranten und Flüchtlingen von ihrem Hoheitsgebiet in die EU machen, insbesondere durch mehr Maßnahmen an Land. Seit Oktober ist die Zahl der Menschen, die irregulär aus der Türkei in die EU kommen, kontinuierlich zurückgegangen, aber für die Jahreszeit liegen die Zahlen weiterhin hoch. Im Januar kamen täglich durchschnittlich 1951 Menschen aus der Türkei nach Griechenland, im Oktober waren es täglich 6929 und im Dezember 3497.

Außerdem sollte die Türkei die Umsetzung ihres bilateralen Rückübernahmeabkommens mit Griechenland verbessern und bereit sein, das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Türkei über die Rückübernahme (PDF) für Drittstaatsangehörige ab dem 1. Juni 2016 anzuwenden.

In dem Bericht werden auch mehrere konkrete Maßnahmen gewürdigt, die die Türkei bereits zur Umsetzung des Aktionsplans getroffen hat. Dazu gehören die Einführung der Visumpflicht für die Einreise von Syrern aus Drittländern in die Türkei und die Maßnahmen, mit denen Syrer unter vorübergehendem Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.

Auf Seiten der EU sollte die Unterstützung im Rahmen der kürzlich geschaffenen Flüchtlingsfazilität für die Türkei möglichst bald bereitgestellt werden. Auf der ersten Sitzung des Lenkungsausschusses der Fazilität am 17. Februar sollen gezielte Maßnahmen erörtert werden, die mit den von der EU und den Mitgliedstaaten zugesagten 3 Mrd. Euro finanziert werden können. Der Schwerpunkt wird dabei auf humanitärer Hilfe, Bildung, Integration in den Arbeitsmarkt, Zugang zur Gesundheitsversorgung, sozialer Inklusion und Infrastrukturprojekten liegen.

Weitere Informationen zu dem Bericht finden Sie hier und hier (PDF), zum Bericht gelangen Sie hier (PDF).

Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Die EU-Kommission hat heute neun Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelhaftenUmsetzung der EU-Asylvorschriften verschärft. Die Beschlüsse betreffen Deutschland (2 Fälle), Estland, Slowenien (2 Fälle), Griechenland, Frankreich, Italien und Lettland. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der Beschlüsse wegen unvollständiger oder mangelhafter Umsetzung der EU-Asylvorschriften auf 58 seit dem 23. September 2015.

Die Kommission fordert Deutschland, Estland und Slowenien dringend auf, die nationalen Maßnahmen mitzuteilen, die sie zur vollständigen Umsetzung der Asylverfahrensrichtlinie, in der gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes festgelegt sind, ergriffen haben. Deutschland ist Adressat eines weiteren Beschlusses wegen unterlassener Mitteilung von Umsetzungsmaßnahmen zu der Richtlinie über Aufnahmebedingungen, die die Leistungen für Asylbewerber in der Zeit während der Prüfung ihres Asylantrags regelt. Am 23. September 2015 gingen Aufforderungsschreiben an diese Mitgliedstaaten, auf die sie jedoch noch nicht reagiert haben. Die Kommission hat deshalb heute beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an sie zu richten.

Vertragsverletzungsverfahren laufen auch gegen Griechenland, Frankreich, Italien, Lettland und Slowenien, weil der Kommission von diesen Mitgliedstaaten noch keine Mitteilung über die vollständige Umsetzung der Richtlinie über langfristig Aufenthaltsberechtigte (PDF) vorliegt.

Die Kommission hat in Schreiben an die Mitgliedstaaten auch die Bedeutung einer vollständigen Durchführung der EU-Verteilungsregelung unterstrichen. Alle Mitgliedstaaten sind an die Beschlüsse des Rates gebunden und müssen ihren Verpflichtungen vor Ablauf der Zweijahresfrist nachkommen. Dass die Verteilung nur schleppend vorankommt, hat mehrere Gründe, darunter fehlende Anlaufstellen für Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen (die Aufnahme von Personen im Rahmen der Verteilungsregelung kann nur bei einem negativen Prüfergebnis abgelehnt werden) und unzureichende Aufnahmekapazitäten in den Aufnahmemitgliedstaaten. Verzögerungen und unzumutbaren Präferenzen bei der Angabe und Festlegung verfügbarer Plätze durch die Mitgliedstaaten muss ein Ende gesetzt werden.

  • Weitere Informationen zu den heutigen Beschlüssen zu Vertragsverletzungsverfahren finden Sie hier.
  • Mehr Informationen zur Kontrolle des EU-Rechts im Bereich Inneres finden Sie hier.
  • Eine Übersicht über den Stand der Umsetzung der Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise finden Sie hier und in dieser Mitteilung (PDF).
  • Hintergrundinformationen zu den Schengen-Regeln finden Sie hier (PDF).

EU-Kommission, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 10.02.2016