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Bayerischer Gemeindetag: Flüchtlinge in Bayerns Gemeinden – Nach dem „Willkommen“ kommt das „Ankommen“

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Bayerns Gemeinden benennen die aktuellen Herausforderungen

Sobald die Asylsuchenden ihren endgültigen Aufenthaltsstatus erhalten haben, stehen auch die bayerischen kreisangehörigen Städte, Märkte und Gemeinden in der Verantwortung.

Die Kommunen sind es dann, die für die Asylbewerber Wohnungen, aber auch Plätze in Kindergärten und Schulen bereitstellen müssen. Ebenso müssen sie sich um die Rahmenbedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen kümmern. Eine weitere große Herausforderung ist daneben die Integration. Das können nur die Kommunen vor Ort leisten“, sagte Dr. Franz Dirnberger, Geschäftsführer des Bayerischen Gemeindetags am Rande der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Großen Mitglieder des Bayerischen Gemeindetags, die am 03.03.2016 in Neuburg an der Donau stattfand.

An der Sitzung nahm auch die Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Emilia Müller, teil.

„Wegducken“ gilt nicht – Bayerns Gemeinden weisen Vorwurf zurück

Die kreisangehörigen Kommunen sind ihrer Mitwirkungspflicht weitestgehend nachgekommen und benennen gegenüber den staatlichen Behörden geeignete Unterkünfte. Zu unterscheiden ist dabei zwischen größeren und kleineren Gemeinden, die regelmäßig kaum vergleichbare Voraussetzungen haben, was die Zurverfügungstellung von leerstehendem Wohnraum angeht. Der Bayerische Gemeindetag appelliert an die kommunale Solidarität, damit alle Gemeinden im Rahmen ihrer Möglichkeiten Flüchtlinge aufnehmen.

Wegducken gilt nicht“, so Dr. Dirnberger in einem deutlichen Appell an alle kreisangehörigen Gemeinden in Bayern.

Wohnraum und dringender Klärungsbedarf bei Obdachlosenstatus

Nach Abschluss der Asylverfahren brauchen die anerkannten bzw. geduldeten Flüchtlinge Wohnraum. Sofern sie selbst keine geeigneten Unterkünfte finden, fallen sie in die Obdachlosigkeit und damit formalrechtlich in die Verantwortung der jeweiligen Gemeinde. Im Rahmen des Obdachlosenrechts hat die Gemeinde entsprechende Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.

Das ist nicht zu schaffen. Das Obdachlosenrecht ist für die tausenden von anerkannten Flüchtlingen nicht gedacht“, so Dr. Dirnberger.

Wir brauchen hier andere Rahmenbedingungen, um den Menschen nach Abschluss des Verfahrens möglichst rasch ein Dach über dem Kopf anzubieten. Wir fordern den Staat daher auf, dass Flüchtlinge auch nach Abschluss des Verfahrens als Übergangslösung in den bisherigen Unterkünften bleiben können.

Bayerns Gemeinden brauchen Planungssicherheit

Viele Flüchtlinge kommen mit ihren Familien nach Bayern. Daher werden nicht nur entsprechende Unterkünfte, sondern auch die notwendigen Kapazitäten in Kindertageseinrichtungen und Schulen benötigt. Ein Wohnraumzuweisungsgesetz könnte einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Gemeinden vor Ort planen können. Denn nur wenn sichergestellt ist, dass die Menschen vor Ort bleiben, rentieren sich Investitionen in den sozialen Wohnungsbau, in den Kita-Bereich und in die Schulen.

Der Bayerische Gemeindetag appelliert an die Bundes- und Landespolitik: Finanzielle und strukturelle Unterstützung – jetzt

Flüchtlinge sind auch eine Chance für den ländlichen Raum. Der Bayerische Gemeindetag fordert daher ein stärkeres Engagement des Bundes und des Landes zur Förderung von Wohnungsbau und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Die Menschen bleiben nur dort wohnen, wo sie auch entsprechende Arbeit finden“, sagte Dr. Dirnberger.

Die Großstädte werden diese große Herausforderung alleine nicht schaffen. Sozialer Wohnungsbau, der Ausbau von Kindertageseinrichtungen und der Ausbau von Schulen kosten Geld. Die Gemeinden erwarten hier neben einem Strukturprogramm
entsprechende finanzielle Unterstützung von Seiten des Bundes und des Landes.

Neuburg an der Donau – seit über 40 Jahren Erfahrung mit Flüchtlingen

Neuburg an der Donau beheimatet seit mehr als 40 Jahren eine der größten Gemeinschaftsunterkünfte in ganz Bayern.

Eine funktionierende Stadtgemeinschaft mit einer Vielzahl von Flüchtlingen ist bei uns in Neuburg seit jeher Realität“, betonte
Oberbürgermeister Dr. Bernhard Gmehling und ergänzte:

„Bei einer Aufnahmequote von mittlerweile knapp drei Prozent, stoßen wir jedoch mittlerweile an unsere Belastungsgrenze.“

Zukunftssicherung – Lösung der infrastrukturellen Herausforderung

Tatsächlich bringen die Mixtur aus Wirtschaftswachstum mit einhergehendem starkem Bevölkerungszuwachs sowie der große Flüchtlingszustrom infrastrukturelle Probleme mit sich. So sind Wohnraumnot, massiv steigende Mieten und ein Mangel an Betreuungsplätzen zu verzeichnen.

Schwierigkeiten, mit denen wir als Kommune ohne staatliche Unterstützung kaum zurecht kommen“, bilanzierte OB Dr. Gmehling.

Bayerischer Gemeindetag, Pressemitteilung v. 03.03.2016

Redaktionelle Anmerkungen

Stichwort „Wohnraumzuweisungsgesetz“

Beim „Wohnraumzuweisungsgesetz“ geht es um die Möglichkeit einer Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber (teilweise wird dies in der öffentlichen Diskussion bereits mit „Asylpaket III“ etikettiert). Dies entspricht einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene. Ähnliches gab es in der BRD schon einmal: Als Ende der 1980er Jahre im Zuge der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ die Zahl der Spätaussiedler deutlich anstieg und der Zustrom zu erheblichen Engpässen bei der Erstunterbringung und der Wohnraumversorgung führte, reagierte der Bundesgesetzgeber mit dem Erlass des sog. Wohnortzuweisungsgesetzes (Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler vom 6. Juli 1989, BGBl I S. 1378). In einem Urteil vom 17. März 2004 (1 BvR 1266/00) bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungskonformität des Gesetzes, mahnte jedoch an, die weitere Entwicklung und insbesondere die Auswirkungen der Regelung zu beobachten und diese gegebenenfalls für die Zukunft zu korrigieren. In diesem Kontext entstand der Forschungsbericht des BAMF „Zuwanderung und Integration von (Spät-) Aussiedlern – Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Wohnortzuweisungsgesetzes“ aus dem Jahre 2011.

Schließlich hat auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts  der EuGH jüngst in mehreren Verfahren über die Rechtmäßigkeit von Wohnsitzauflagen gegenüber Ausländern mit subsidiärem Schutzstatus entschieden. Deren Aufenthaltserlaubnis wurde wegen des Bezuges von Sozialleistungen nach dem SGB II mit der Auflage verbunden, ihren Wohnsitz in einer bestimmten Stadt bzw. in einem bestimmten Landkreis zu nehmen.

Schließlich hat die Bayerische Staatsregierung auf ihrer Kabinettssitzung vom 23.02.2016 den Entwurf für ein Bayerisches Integrationsgesetz beschlossen und dort bereits eine Verordnungsermächtigung für „eine vom Bundesgesetzgeber noch zu schaffende Verteilungsmöglichkeit von anerkannten Flüchtlingen“ vorgesehen.

Hinweis auf redaktionelle (Gast-)Beiträge

Gerhard Dix (Bayerischer Gemeindetag):
Asyl in Deutschland – eine große Herausforderung für Städte & Gemeinden (v. 12.02.2016)

Dr. Alexander Petersen (Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr):
Flüchtlingsunterkünfte – bauliche Erleichterungen durch das AsylVfBG (v. 19.02.2016)

Victor Struzina und Prof. Dr. Josef Franz Lindner (Universität Augsburg):
Einweisung Obdachloser in leerstehende Räume der im Übrigen genutzten Wohnung (v. 25.02.2016)