Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Anhörung zum Bayerischen Integrationsgesetz

©pixelkorn - stock.adobe.com

Die grundsätzliche Absicht des Bayerischen Integrationsgesetzes ist zu begrüßen, es fehlen aber konkrete Aussagen zur Finanzierung der Kosten von Integrationsmaßnahmen. Das Integrationsgesetz will unter dem Leitmotiv von ,Fördern und Fordern‘ den Zusammenhalt in unserem Land sichern und die Integration von Flüchtlingen ermöglichen. Allerdings bleibt der Gesetzentwurf in zentralen Punkten zu vage. Zur Förderung von Integrationsmaßnahmen bleibt der Gesetzentwurf unverbindlich. Die Kosten der Integration – etwa in Kitas, Kindergärten, Schulen, Berufsbildung, Sozialarbeit – dürfen nicht auf die Kommunen abgewälzt werden. Es darf nicht zu einer kalten Kommunalisierung von Integrationskosten kommen. Ein weiteres großes Manko des Gesetzentwurfs ist, dass die Versorgung der einheimischen und der zuwandernden Bevölkerung mit bezahlbaren Wohnungen ausgeblendet bleibt. Dies ist für die Kommunen derzeit die größte Herausforderung.

Die kommunalen Spitzenverbände begrüßen das Signal, das der Freistaat Bayern mit dem Entwurf eines Bayerischen Integrationsgesetzes aussendet: Die Integration von Bleibeberechtigten ist eines der zentralen Themen unserer Gesellschaft für die nächsten Jahre. Mit dem Integrationsgesetz soll der Zusammenhalt in unserem Land gesichert und eine gelingende Integration für die Flüchtlinge ermöglicht werden. Daher steht der Gesetzentwurf unter dem Ansatz des „Förderns“ und „Forderns“. Nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände können geeignete Rahmenbedingungen und ein ausgewogenes Prinzip des Förderns und Forderns einen Beitrag zur Integration leisten. Allerdings bleibt der Gesetzentwurf bei der Förderung unverbindlich. Im Entwurf sind oft bloße Programmsätze formuliert, die eine weitere Konkretisierung erfordern.

Der Gesetzentwurf geht von einer unklaren Definition einer Leitkultur aus, die für alle in Bayern lebenden Menschen gelten soll. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollte statt des Begriffs Leitkultur ein Verweis auf das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung erfolgen. Die Kosten der Integration dürfen nicht auf die Kommunen abgewälzt werden. Das Integrationsgesetz würde zusätzliche Standards festsetzen und zum Teil neue Aufgaben auf die Kommunen übertragen oder Aufgaben erweitern. Hierdurch wird das Konnexitätsprinzip tangiert.

Das Bayerische Integrationsgesetz würde den Kommunen Kosten verursachen. So werden die Träger von Kindertageseinrichtungen verpflichtet, pädagogisches Personal vorzuhalten, das interkulturelle Kompetenzen fortentwickelt. Hierzu wären Zusatzausbildungen nötig, die mit Mehrkosten verbunden sind. Zudem weichen die vorgeschriebenen Sprachstanderhebungen von den bisher nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz vorgesehenen Erhebungen ab. Das Gesetz sieht neue Aufgaben für die Einrichtungen vor, die nur mit zusätzlichem Personal umgesetzt werden können.

Für Städte, Gemeinden und Landkreise als Schulaufwandsträger werden die Schaffung und Ausweitung von Übergangsklassen, Berufsintegrationsklassen, SPRINT- und InGym-Klassen zu einem unkalkulierbaren Kostenfaktor. Als Träger von kommunalen Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen wie den Volkshochschulen kommt auf Kommunen ein Mehraufwand bei Investitions- und Personalkosten zu.

Die kommunalen Spitzenverbände weisen darauf hin, dass der Staat für eine gelingende Integration Mittel in Milliardenhöhe zur Verfügung stellen muss. Um der Mammutaufgabe Integration gerecht zu werden, brauchen die Kommunen staatliche Unterstützung etwa für zusätzliche Plätze in Kindergärten und Schulen, für Sprachunterricht und Integrationskurse, Hilfen für den Einstieg ins Arbeitsleben und bezahlbare Wohnungen. Die Kommunen brauchen Sondermittel für den Bau und die Ausstattung von Schulräumen. Die Spitzenverbände appellieren an Staatsregierung und Landtag, die finanziellen Weichenstellungen vorzunehmen.

Die Weichenstellungen für Integration muss auch der Bund treffen. Insofern stellt sich die Frage, wie das Integrationsgesetz auf Bundesebene gestaltet wird: Das Integrationspaket muss so geschnürt sein, dass eine Ressourcenverschwendung durch nicht abgestimmte Parallelstrukturen vermieden wird. In Abstimmung auf das geplante Bundesgesetz ist dann eine Konkretisierung der bayerischen Aufgabenbereiche und Strukturen besser möglich.

Die kommunalen Spitzenverbände begrüßen die Möglichkeit der Wohnsitzzuweisung als Element für eine gelingende Integration. Die einzelnen rechtlichen Voraussetzungen der Verteilung von Ausländern, nach ihrem jeweiligen Status, werden im Vorfeld des Rechtsverordnungserlasses zu klären sein. Es sind klare Kriterien und Vorgaben erforderlich, die eine Verteilung nachvollziehbar machen und Integration ermöglichen. Bei der Erarbeitung dieser Kriterien und Vorgaben sind die Kommunen einzubeziehen und der Verwaltungs- und Vollzugsaufwand auszugleichen.

Der Freistaat ist auch aufgefordert, ein Strukturprogramm aufzulegen, um für entsprechende Rahmenbedingungen zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen Sorge zu tragen. Eine gelingende Integration ist nur in Verbindung von Wohnen und Arbeiten möglich.

Bayerischer Städtetag, Informationsbrief Nr. 4 – April 2016, veröffentlicht am 15.04.2016

Redaktionelle Anmerkungen

  • Zu verbundenen Meldungen im Kontext „Bayerisches Integrationsgesetz“ vgl. hier.
  • Zu verbundenen Meldungen im Kontext „Bundesintegrationsgesetz“ vgl. hier.

Die Möglichkeit einer Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber wird kontrovers diskutiert. Sie entspricht einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene. Ähnliches gab es in der BRD schon einmal: Als Ende der 1980er Jahre im Zuge der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ die Zahl der Spätaussiedler deutlich anstieg und der Zustrom zu erheblichen Engpässen bei der Erstunterbringung und der Wohnraumversorgung führte, reagierte der Bundesgesetzgeber mit dem Erlass des sog. Wohnortzuweisungsgesetzes (Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler vom 6. Juli 1989, BGBl I S. 1378). In einem Urteil vom 17. März 2004 (1 BvR 1266/00) bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungskonformität des Gesetzes, mahnte jedoch an, die weitere Entwicklung und insbesondere die Auswirkungen der Regelung zu beobachten und diese gegebenenfalls für die Zukunft zu korrigieren. In diesem Kontext entstand der Forschungsbericht des BAMF „Zuwanderung und Integration von (Spät-) Aussiedlern – Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Wohnortzuweisungsgesetzes“ aus dem Jahre 2011.

Des Weiteren ist auch ein jüngst ergangenes Urteil des EuGH zu berücksichtigen.Dieser hatte geurteilt, dass Wohnsitzauflagen bei subsidiär Schutzberechtigten zulässig sind, wenn sie in stärkerem Maß mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert sind als andere Personen. Zum Verfahrensgang samt Vorlagebeschluss des BVerwG vgl. hier.