Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Entwurf der Integrationsgesetze von Bayern und Bund – Maly: Viele Programmsätze, aber keine Lösungen und keine Finanzierung

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Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, sagt zum Entwurf des Integrationsgesetzes der Bayerischen Staatsregierung:

Mit dem Integrationsgesetz anerkennt der Freistaat, dass Integration eines der zentralen Themen unserer Gesellschaft für die nächsten Jahre ist. Das Integrationsgesetz will unter dem Leitmotiv von ,Fördern und Fordern‘ den Zusammenhalt sichern und eine Integration für Flüchtlinge ermöglichen. Das ist ein guter Ansatz. Allerdings fehlen im Gesetzentwurf konkrete Aussagen zur Finanzierung der Kosten von Integrationsmaßnahmen. Das ist zu kurz gedacht. Der Gesetzentwurf ist in zentralen Punkten zu vage, da lediglich Programmsätze aufgelistet sind, auf die keine konkreten Lösungsansätze folgen. Zur Förderung von Integrationsmaßnahmen bleibt der Gesetzentwurf unverbindlich. Die Kosten der Integration – etwa in Kitas, Kindergärten, Schulen, Berufsbildung, Sozialarbeit, Personal und Verwaltung – dürfen nicht auf kaltem Weg kommunalisiert werden.“

Ein weiteres Manko: Der Gesetzentwurf blendet die Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen aus. Die Behebung der Wohnungsnot für Zugewanderte wie für Einheimische ist für Städte und Gemeinden derzeit die größte Herausforderung.

Das Integrationsgesetz würde zusätzliche Standards festsetzen und zum Teil neue Aufgaben auf die Kommunen übertragen oder Aufgaben erweitern, was auch für die Träger von Kindertageseinrichtungen oder Schulen Kosten nach sich zieht. Als Träger von Schulen und Volkshochschulen kommt auf Kommunen ein Mehraufwand bei Investitions- und Personalkosten zu.

Maly: „Bund und Land müssen für die Integration Mittel in Milliardenhöhe zur Verfügung stellen. Um die Mammutaufgabe Integration zu meistern, brauchen die Kommunen staatliche Unterstützung etwa für zusätzliche Plätze in Kindergärten und Schulen, für Sprachunterricht und Integrationskurse, Hilfen für den Einstieg ins Arbeitsleben und bezahlbare Wohnungen. Die Kommunen brauchen Sondermittel für den Bau und die Ausstattung von Kindertagesstätten und Schulräumen.“

Auch der Bund muss Weichen stellen.

Maly: „Die bislang bekannten Eckpunkte für ein Integrationsgesetz auf Bundesebene zeigen mehr Überschriften als Inhalte.“

Das Integrationspaket muss so geschnürt sein, dass Ressourcen effizient und effektiv eingesetzt werden und keine Parallelstrukturen wachsen.

Maly: „Ein für die Städte zentraler Bereich bleibt im geplanten Bundesgesetz ausgeblendet: Mit den Kosten der Unterkunft wächst ein riesiger Kostenblock. Der Bund muss diese Kosten voll übernehmen, die vom Flüchtlingszuzug verursacht werden.“

Die kommunalen Spitzenverbände begrüßen grundsätzlich die Möglichkeit der Wohnsitzzuweisung, die im Integrationsgesetz auf Bundesebene vorgesehen werden soll und dann jeweils auch auf Länderebene gesetzlich verankert werden müsste. Es sind klare Vorgaben erforderlich, die bundesweit eine Verteilung nachvollziehbar machen und Integration ermöglichen.

Maly: „Die Wohnsitzzuweisung ist rechtlich wegen der Freizügigkeit auf EU-Ebene und der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie schwierig umsetzbar und an hohe Kriterien gebunden. Die Zuweisung eines Wohnortes ist kein Allheilmittel. Der Bayerische Städtetag sieht die Wohnsitzzuweisung als ein Element für eine gelingende Integration.“

Eine gleichmäßige Verteilung von anerkannten Flüchtlingen und Asylbewerbern kann Integration erleichtern. Eine Wohnsitzzuweisung soll die kommunale Planungssicherheit erhöhen und zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Soziallasten beitragen. Die Bildung von sozialen Brennpunkten soll verhindert werden. Damit kann eine Durchmischung der Wohngebiete gelingen und der demografische Wandel abgefedert werden. Bund und Land müssen bei der Ausgestaltung der Wohnsitzzuweisung die kommunalen Interessen berücksichtigen, sie müssen bald eine längerfristige Zuweisung sicherstellen.

Mögliche Regelungen zur Wohnsitzzuweisung müssen weitsichtig mit einer Förderung von bezahlbaren Wohnungen, mit Strukturförderung, Infrastrukturförderung und einem Angebot an Integrationsleistungen verknüpft werden.

Maly: „Wir stehen vor dem Problem, dass in boomenden Regionen die Wohnungen knapp sind, während in Regionen mit Wohnungsleerstand die Jobs knapp sind. Eine Wohnsitzzuweisung muss daher so justiert werden, dass die Menschen möglichst rasch dort eine Wohnung finden, wo es Arbeit gibt. Dazu müssen Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Regionen greifen. Sonst besteht die Gefahr, dass in Gebieten mit schwacher Wirtschaftskraft und schlechter Infrastruktur der Bezug von sozialen Transferleistungen für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger zementiert wird.“

Bayerischer Städtetag, Pressemitteilung v. 12.05.2016

Redaktionelle Anmerkungen

Am 22.04.2016 hatten sich die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zu einer Sonderkonferenz in Berlin getroffen, um über die Asyl- und Flüchtlingspolitik (Schwerpunkt Integration) zu beraten. Im Anschluss fand im Bundeskanzleramt eine Besprechung mit der Bundeskanzlerin statt. Hierbei fasste man mehrere Beschlüsse, u.a. nahm man die vom Koalitionsausschuss am 13.04.2016 vereinbarten „Eckpunkte Integrationsgesetz“ (PDF) zur Kenntnis. Zudem verständigten sich Bund und Länder auf ein „Gemeinsames Konzept für die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen“ (vgl. zu den Beschlüssen und zum Konzept: hier).

Das Gesetzgebungsverfahren zum Bundesintegrationsgesetz soll bis zur Sommerpause abgeschlossen werden.

Ein von den kommunalen Spitzenverbänden begrüßter Regelungsgegenstand ist dabei die Wohnsitzzuweisung für anerkannte Schutzberechtigte, die von Sozialleistungen abhängig sind und die noch nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind

Die Wohnsitzzuweisung soll laut o.g. Integrationskonzept in einem zweistufigen Verfahren erfolgen: Nach Abschluss des Anerkennungsverfahrens entsteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Wohnsitznahme in dem Land der Erstzuweisung nach dem Königsteiner Schlüssel. In einer zweiten Stufe sollen die Länder die Möglichkeit zu einer administrativ unaufwändigen Zuweisung eines konkreten Wohnsitzes erhalten, wenn dies zur Sicherstellung der Versorgung mit angemessenem Wohnraum und damit auch zur besseren Integration erforderlich ist. Auch zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Länder entweder einen bestimmten Wohnsitz zuweisen können oder den Zuzug in Gebiete untersagen können, in denen mit erhöhten Segregationsrisiken zu rechnen ist. Kriterien für diese Zuweisung sind die Erleichterung der Versorgung mit angemessenem Wohnraum, der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse sowie die Lage am örtlichen Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Der Bezug öffentlicher Leistungen soll an die Einhaltung der Verpflichtung geknüpft werden.

Zu den Einzelheiten des Verfahrens, einer möglichen Befristung der Wohnsitzzuweisung, einer möglichen Länderöffnungsklausel, des Anwendungsbereichs, den Kriterien der Zuweisung und den Maßstäben ihrer Aufhebung sowie möglicher Sanktionen soll noch vor dem Kabinettsbeschluss eine Bund/Länder-Abstimmung erfolgen.

Derweil wird auch im Freistaat an einem Bayerischen Integrationsgesetz gearbeitet. Den entsprechenden Gesetzentwurf hatte das Kabinett nach umfangreicher und kontroverser Verbändeanhörung am 10.05.2016 beschlossen. Der Entwurf, der bereits eine Verordnungsermächtigung zugunsten der Staatsregierung für die vom Bundesgesetzgeber noch zu schaffende Verteilungsmöglichkeit von anerkannten Flüchtlingen vorsieht, wird nun dem Landtag zur parlamentarischen Beratung zugeleitet.

Ass. iur. Klaus Kohnen