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EuGH: Zur Berücksichtigung von Lehr- und Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres bei der Berechnung von Pensionsansprüchen

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Der EuGH hat heute (16.06.2016), sein Urteil in der Rechtssache C-159/15 (Franz Lesar gegen Telekom Austria AG) zu der Frage verkündet, ob es eine verbotene Diskriminierung wegen des Alters darstellt, wenn Lehr- und Beschäftigungszeiten, die ein Beamter vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt hat, für die Gewährung eines Ruhegehaltsanspruchs und die Berechnung der Höhe seines Ruhegehalts nicht angerechnet werden.

Hierzu hat der EuGH entschieden (Rn. 33):

Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Anrechnung von Lehr- und Beschäftigungszeiten, die ein Beamter vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt hat, für die Gewährung eines Ruhegehaltsanspruchs und die Berechnung der Höhe seines Ruhegehalts ausschließt, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung bei einem Pensionssystem für Beamte die einheitliche Festsetzung einer Altersgrenze für die Mitgliedschaft und einer Altersgrenze für den Bezug von Altersrente im Rahmen dieses Systems gewährleisten soll.“

Zwar stelle die österreichische Regelung eine Diskriminierung wegen des Alters dar (Rn. 20, 21):

(20) Gemäß § 53 Abs. 2 lit. a Pensionsgesetz (PG) 1965 ist die in einem Dienst-, Ausbildungs- oder sonstigen Arbeitsverhältnis bei einem inländischen öffentlich-rechtlichen Dienstgeber zurückgelegte Zeit als Ruhegenussvordienstzeit anzurechnen. § 54 Abs. 2 lit. a PG 1965 beschränkt diese Anrechnung jedoch auf die Zeit, die der Beamte nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt hat.

(21) Somit behandelt eine nationale Regelung wie die des Ausgangsverfahrens Personen, die ihre Berufserfahrung, wenn auch nur teilweise, vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben, weniger günstig als Personen, die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung vergleichbarer Länge erworben haben. Eine solche Regelung begründet eine Ungleichbehandlung von Personen wegen des Alters, in dem sie ihre Berufserfahrung erworben haben. Dieses Kriterium kann dazu führen, dass zwei Personen, die die gleiche Ausbildung absolviert und die gleiche Berufserfahrung erworben haben, allein wegen ihres jeweiligen Alters ungleich behandelt werden. Eine solche Vorschrift schafft damit eine Ungleichbehandlung, die unmittelbar auf dem Kriterium des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 beruht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juni 2009, Hütter, C-88/08, EU:C:2009:381, Rn. 38, und vom 21. Januar 2015, Felber, C-529/13, EU:C:2015:20, Rn. 27).“

Sodann prüft der EuGH, ob diese Diskriminierung gerechtfertigt ist (Rn. 22 ff.), und bejaht dies (Rn. 30):

Unter diesen Umständen ist, wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ausdruck der den Mitgliedstaaten in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 zuerkannten Freiheit, bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem Beamtenpensionssystem oder den Bezug von Altersrente im Rahmen dieses Systems festzusetzen. Die Mitgliedstaaten können nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht nur unterschiedliche Altersgrenzen für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten festsetzen, sondern auch im Rahmen eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit eine einheitliche Altersgrenze für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente festsetzen.“

EuGH, Urteil v. 16.06.2016, Rs. C-159/15 (Franz Lesar gegen beim Vorstand der Telekom Austria AG eingerichtetes Personalamt)

Ass. iur. Klaus Kohnen

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