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Landtag: Abgeordnete debattieren über Schlussbericht des Untersuchungsausschusses „Labor“

Rund zwei Jahre und in 41 Sitzungen hat der Untersuchungsausschuss „Labor“ getagt und dabei 79 Zeugen befragt. Herausfinden sollte er, ob es bei Polizei- und Justizbehörden sowie den zuständigen Staatsministerien zu einem möglichen Fehlverhalten gekommen ist: Der Augsburger Laborunternehmer B. S. hatte Tausenden niedergelassenen Ärzten Rabatte auf Laboruntersuchungen bei Privatpatienten gewährt. Die Ärzte rechneten S. Analysen unter eigenem Namen ab, S. Rabatt strichen sie ein.

Die Münchner Staatsanwaltschaft I ermittelte damals intensiv wegen Betrugs – und strengte ein Pilotverfahren gegen einen Arzt an, der im Jahr 2010 auch verurteilt wurde (rechtskräftig seit 2012). Alle anderen Verfahren wurden aber bereits vorher auf Initiative der Generalstaatsanwaltschaft in München an die Staatsanwaltschaft Augsburg abgegeben – wo sie binnen weniger Wochen im Jahr 2009 eingestellt wurden. Der Vorwurf politischer Einflussnahme auf die Justiz stand im Raum. Ob zu Recht, da gehen die Meinungen auseinander: Die CSU-Mehrheit im Ausschuss und auch die SPD sehen keine Hinweise auf eine politische Einflussnahme, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dagegen schon. Das Plenum des Bayerischen Landtags hat jetzt über den Schlussbericht des Untersuchungsausschusses (PDF) debattiert.

Statements der Fraktionen

Als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses erklärte Alexander König (CSU), selbst die Zeugen, die politische Einflussnahme vermuteten, hätten dafür „nicht einmal ansatzweise einen objektiven Beweis liefern“ können. Dass solche Beweise fehlten, darin seien sich alle Fraktionen des Landtags einig. Gegen ein gemeinsames Komplott verschiedener Behörden spreche schon, dass zwischen den beteiligten Personen teils „erhebliche persönliche Differenzen bestehen“. König forderte die Oppositionsfraktionen auf, eine politische Einflussnahme nicht „aus niederen politischen Erwägungen herbeizureden. Das ist unredlich und fördert allenfalls die Politikverdrossenheit“. Wie es dazu kommen konnte, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg so viele Verfahren auf einen Schlag einstellte – dies sei zu Beginn der Untersuchungen eine berechtigte Frage gewesen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Augsburg habe aber „in sich schlüssig“ darlegen können, dass dies aufgrund der eigenen Rechtsauffassung und ohne Einflussnahme Dritter erfolgt sei. Bis 2012 habe zu diesem Thema keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorgelegen. Die Staatsregierung habe seitdem ein Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen auf den Weg gebracht und Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Delikte im Gesundheitswesen eingeführt. Dass die Taten einer Vielzahl von Ärzten, gegen die die Verfahren eingestellt wurden, heute verjährt seien, bleibe ein Makel. Der ursprüngliche Vorwurf war auf einen Ermittler des Landeskriminalamts zurückgegangen. Der Polizist erklärte bei seiner Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss, die groß angelegten Ermittlungen gegen Ärzte wegen Abrechnungsbetrugs seien nach der Entdeckung einer Parteispende S. an die CSU von höheren Stellen behindert worden. Einen Beleg dafür konnte er nicht präsentieren.

„Die Kronzeugen haben nicht gehalten, was sie versprochen haben“, erklärte Franz Schindler (SPD).

„Anstelle von Belegen und Nachweisen objektiver Art über behauptete Eingriffe in die Ermittlungen sind lediglich selbstverfasste, nicht-autorisierte Aktenvermerke und Beschwerden vorgelegt worden.“

Auch der Vorwurf, dass S. von der bayerischen Justiz „stets und immer geschont wurde“, könne nach „der mühseligen Durchsicht hunderttausender Seiten an Akten und der Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen“ nicht aufrechterhalten werden. Gegen S. sei mehrfach und mit erheblichem Aufwand ermittelt worden. Es gebe auch keinen Nachweis, dass Parteispenden S. an die CSU direkte Auswirkungen auf Ermittlungen gegen ihn gehabt hätten.

Florian Streibl (FREIE WÄHLER) beklagte, dass die Staatsanwalt keine „verjährungsunterbrechenden Maßnahmen“ gegen die betroffenen Ärzte eingeleitet habe. Es dürfe nicht passieren, dass in München ein Pilotverfahren laufe und in Augsburg ähnliche Verfahren eingestellt würden, ohne das Ergebnis in München abzuwarten.

Welchen Sinn macht ein Pilotverfahren, wenn ich dann sage: Naja, jetzt ist alles gut. Jetzt gehen wir nach Hause, und die anderen Dinge sind verjährt? Das ist letztlich unwürdig“, so Streibl.

Für die FREIEN WÄHLER seien die „Verdachtsmomente nicht ausgeräumt“, die Indizien sprächen eine andere Sprache.

„Sachfremde Erwägungen“, also zum Beispiel politische Motive, haben laut Streibl „wohl doch eine Rolle gespielt. Wo und wie sie ausgelöst wurden, ist wieder etwas anderes. Aber die sachfremden Erwägungen haben die Ermittlungen durchaus beeinflusst“.

Dr. Sepp Dürr erklärte für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, über die Tatsachen seien sich alle im Ausschuss einig. Dass man sie unterschiedlich bewerte, gehöre zum Wesen der Demokratie. Politische Einflussnahme sei nicht nachweisbar gewesen, dennoch habe der Untersuchungsausschuss „erschreckendes Fehlverhalten“ bei mehreren bayerischen Behörden aufgedeckt: „bei den einen mehr, bei den anderen weniger“. Die Generalstaatsanwaltschaft habe die sachleitende Staatsanwaltschaft „bis zur Scheinselbständigkeit entmündigt und damit das Weisungsrecht unterlaufen“, indem sie die Ermittlungen bis in die Einzelheiten gesteuert habe. Dürr kritisierte auch, dass der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Dr. Peter Gauweiler nachweislich privilegierten Zugang zur Staatsanwaltschaft gehabt habe – „und zwar nicht als Abgeordneter, sondern in seiner Eigenschaft als S. Anwalt“. Das Ergebnis des Untersuchungsausschusses sei eine „erbärmliche Bilanz“ für die Staatsregierung.

Man kann wirklich froh sein“, so Dürr, „dass wir im Untersuchungsausschuss auch bayerische Beamte getroffen haben, die gute Arbeit geleistet haben. Deshalb gilt unser besonderer Dank zuallererst den Kritikern, die diese Missstände nicht hinnehmen wollten.“

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus dem Plenum v. 26.10.2016 (von Jan Dermietzel)