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BVerwG: Entlassung eines Lehrers aus dem Probebeamtenverhältnis wegen mangelnder Eignung nach strafgerichtlichem Freispruch von Pädophilievorwürfen

Sachgebiet: Recht des öffentlichen Dienstes / BVerwG, Beschl. v. 24.01.2017 – BVerwG 2 B 75.16 / Weitere Schlagworte: Bindung an das Ergebnis eines strafgerichtlichen Verfahrens; Unschuldsvermutung; Strafcharakter einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung; Entscheidungsfindung auf Grund eines vollständig und richtig zu Grunde gelegten Sachverhalts; Mangel an gebotener körperlicher Distanz

Leitsätze:

  1. Eine Bindung anderer Gerichte oder Behörden an das Ergebnis eines strafgerichtlichen Verfahrens einschließlich eines Freispruchs tritt nur ein, wenn und soweit der Gesetzgeber dies ausdrücklich anordnet (wie z.B. in § 190 Satz 2 StGB und § 14 Abs. 2 BDG). Jenseits solcher Fälle ist die Wirkung der materiellen Rechtskraft eines strafgerichtlichen Urteils auf dessen Tenor beschränkt; die Entscheidungsgründe, namentlich die tatsächlichen Feststellungen, binden nicht.
  2. Auch die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) steht einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über andere Rechtsfolgen desselben Sachverhalts, der dem strafgerichtlichen Freispruch zu Grunde liegt, nicht entgegen, wenn diese Entscheidung weder Strafcharakter hat noch eine strafgerichtliche Verantwortlichkeit des Betroffenen zum Ausdruck bringt oder dessen strafrechtliche Schuld feststellt.
  3. Die Beurteilung der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung eines Beamten auf Probe (§ 10 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG) hat keinen solchen Strafcharakter, sondern dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung.
  4. Die Verpflichtung zur Entscheidungsfindung auf Grund eines vollständig und richtig zu Grunde gelegten Sachverhalts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist verletzt, wenn das Tatsachengericht vermeintlich nicht zu berücksichtigende „inkriminierte Sachverhalte“ eines freisprechenden Strafurteils bei seiner Entscheidung außer Acht lässt. Dies gilt erst recht für Sachverhaltsumstände, die jenseits der Tatbestandshandlungen der angeklagten Delikte liegen.
  5. Ein Mangel an gebotener körperlicher Distanz eines Lehrers zu ihm anvertrauten minderjährigen Kindern und Schutzbefohlenen kann Zweifel an dessen beamtenrechtlicher Eignung und Bewährung als Probebeamter begründen.