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Kein Zugang zu Diensttelefonlisten von Jobcentern auf Grundlage des IFG

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BVerwG, Urt. v. 20.10.2016 – 7 C 23.15 / Weitere Schlagworte: Amtliche Information (bejaht); Ausschlussgrund; Gefährdung der öffentlichen Sicherheit; ordnungsgemäße behördliche Aufgabenerfüllung; Individualrechtsgüter der Bediensteten

von Oberlandesanwältin Martina Mühlich, Landesanwaltschaft Bayern

Orientierungssatz der Landesanwaltschaft Bayern:

Einem Anspruch auf Informationszugang zu den dienstlichen Telefonnummern der Bediensteten von Jobcentern können sowohl die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Behörde als auch der Schutz der personenbezogenen Daten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entgegenstehen.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern 

Der Kläger begehrte unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Zugang zu den Diensttelefonlisten des beklagten Jobcenters. Die Bediensteten des Beklagten sind von ihren Kunden nicht unmittelbar telefonisch erreichbar. Anrufe werden von einem zu diesem Zweck eingerichteten Service-Center unter einer einheitlichen Telefonnummer entgegengenommen. Einen entsprechenden Antrag auf Übermittlung der Liste mit den dienstlichen Durchwahlnummern der Bediensteten lehnte der Beklagte ab. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.

Mit der vorliegenden Entscheidung weist das BVerwG die vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers gegen das Urteil des BayVGH vom 05.08.2015 (5 BV 15.160) zurück.

1. Das BVerwG setzt sich zunächst mit der vom BayVGH offengelassenen Frage auseinander, ob es sich bei der streitgegenständlichen Telefonliste um eine amtliche Information i.S.d. § 2 Nr. 1 IFG handelt, und bejaht dies. Es sei keine Intention des Gesetzgebers erkennbar, innerdienstliche, nicht auf einen konkreten Verwaltungsvorgang bezogene Informationen vom Anwendungsbereich des IFG auszuschließen. Ein solches Verständnis entspreche auch der Zielsetzung des § 2 Nr. 1 IFG, nach der alle Formen von festgehaltener und gespeicherter Information von dem Begriff der amtlichen Information umfasst sein sollen.

2. Das BVerwG bestätigt die Auffassung des BayVGH, dass dem Informationsbegehren die Ausnahmevorschrift des § 3 Nr. 2 IFG entgegensteht. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Betroffen sind vorliegend die zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gehörende Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen sowie die Individualrechtsgüter Gesundheit und persönliche Ehre der Bediensteten der Beklagten.

Der Senat stellt klar, dass die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen auch die geordnete Erfüllung der dem Beklagten zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben umfasst, die unter anderem auf der sachgerechten Ausübung des Organisationsermessens bezüglich behördeninterner Abläufe aufbaut. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts besteht im Falle eines Informationszugangs die konkrete Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen auf den Arbeitsablauf und die Aufgabenerfüllung des Beklagten. Das BVerwG ist übereinstimmend mit dem BayVGH der Auffassung, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit unter dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Aufgabenerledigung nicht erst dann gegeben ist, wenn die informationspflichtige Stelle ihrer Funktion voraussichtlich überhaupt nicht mehr gerecht werden kann, sondern schon dann, wenn – wie vorliegend – die effektive Aufgabenerledigung gestört und die Arbeit der betroffenen Bediensteten beeinträchtigt werden kann.

3. Auch bezüglich der vom BayVGH in tatsächlicher Hinsicht festgestellten möglichen Beeinträchtigungen der Individualrechtsgüter der Bediensteten, namentlich deren Gesundheit und persönliche Ehre, teilt das BVerwG die Einschätzung des BayVGH, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben ist.

4. Das BVerwG hat die o.g. Rechtsprechung in seiner Parallelentscheidung vom 20.10.2016 (7 C 20.15) bestätigt. In zwei weiteren Entscheidungen vom 20.10.2016 (7 C 27.15 und 7 C 28.15), die ebenfalls zu der Herausgabepflicht von Diensttelefonlisten von Jobcentern ergangen sind, hat es sich darüber hinaus mit der Regelung des § 5 Abs. 1 IFG befasst und festgestellt, dass bei fehlender Einwilligung der Bediensteten ein relativer Vorrang des Datenschutzes vor dem Informationsinteresse besteht. In den zu entscheidenden Fällen verneinte das BVerwG ein Überwiegen der von den Klägern geltend gemachten Interessen am Informationszugang gegenüber dem betroffenen Grundrecht der Bediensteten auf informationelle Selbstbestimmung.

Net-Dokument: BayRVR2017021501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Martina Mühlich ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Sozialrecht, das Naturschutz- und Wasserrecht, das Kommunalabgabenrecht und das Personenordnungsrecht zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB