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BVerfG: Zum Schutz Strafgefangener vor „Passivrauchen“ auf Grund rauchender Mitgefangener

Mit kürzlich bekannt gewordenem Beschluss hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde zum Schutz Strafgefangener vor „Passivrauchen“ auf Grund rauchender Mitgefangener aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen, dabei jedoch durchblicken lassen, dass die Entscheidungen der Fachgerichte (zuletzt OLG München), soweit sie die vom Beschwerdeführer begehrte Verlegung in einen Nichtraucherraum der Untersuchungshaftanstalt betreffen, verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (BVerfG, Beschl. v. 18.05.2017 – 2 BvR 249/17).

Der Beschwerdeführer war vom 08.12.2015 bis zum 05.01.2016 als Nichtraucher in einer Zelle mit rauchenden Häftlingen untergebracht. Er stellte bei der JVA einen Antrag auf Verlegung in einen Nichtraucherraum, was diese ablehnte. Hierauf machte der Beschwerdeführer vor Gericht eine Verletzung der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzpflicht geltend. Das OLG München lehnte den zu Grunde liegenden Feststellungsantrag als unzulässig ab (kein Feststellungsinteresse), führte jedoch ergänzend aus, dieser sei auch unbegründet, und tenorierte auch so.

Das BVerfG hält die Verneinung des Feststellungsinteresses zwar insbesondere mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG für bedenklich, jedoch könne mangels ausreichender Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht abschließend entschieden werden, ob die Entscheidung des OLG München materiell mit den Grundrechten des Beschwerdeführers vereinbar war und insbesondere der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzpflicht gerecht geworden sei.

Hinsichtlich des Feststellungsinteresses hat das BVerfG ausgeführt (Rn. 3-5):

a) Das OLG dürfte die Anforderungen, die an das Feststellungsinteresse zu stellen sind, überspannt haben. Dies begegnet im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gem. 19 Abs. 4 GG Bedenken, weil dem Betroffenen bei gewichtigen Grundrechtseingriffen auch nach Erledigung einer Maßnahme ein schutzwürdiges Interesse an seiner Rehabilitierung zukommen kann (vgl. BVerfGE 104, 220 <233>; stRspr).

aa) Bei der Unterbringung eines nichtrauchenden Häftlings mit rauchenden Mitinsassen ist zu berücksichtigen: Angesichts der nicht auszuschließenden Wirkungen des Passivrauchens (vgl. BVerfGE 121, 317 <350 ff., 356>) greift die gemeinschaftliche Unterbringung eines nichtrauchenden Gefangenen mit einem rauchenden Mitgefangenen – jedenfalls wenn der Betroffene ihr nicht in gesicherter vollkommener Freiwilligkeit zustimmt – in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ( 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ein. Der Gefangene hat Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erheblicher Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal (vgl. BVerfGK 13, 67 <68>; 20, 249 <258>). Die Durchsetzung von auf den Schutz von Nichtrauchern zielenden Geboten (vgl. hier Art. 58 Abs. 3 BayStVollzG und Art. 2 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1 GSG) kann schon im Hinblick darauf, dass der nichtrauchende Gefangene sich damit der Gefahr von Repressalien seitens der Mitgefangenen aussetzen würde, nicht ihm – sei es auch auf dem Weg über auf Verbotsdurchsetzung zielende Beschwerden an die Anstalt – überlassen bleiben. Vielmehr muss die Anstalt durch geeignete, von Beschwerden des betroffenen Nichtrauchers unabhängige Vorkehrungen, wie zum Beispiel Rauchmelder, für eine systematische Durchsetzung des gesetzlichen Verbots sorgen (vgl. BVerfGK 20, 249 <258 f.>).

bb) Der Beschwerdeführer hat eine Verletzung der aus 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzpflicht geltend gemacht, weil er vom 08.12.2015 bis zum 05.01.2016 als Nichtraucher in einer Zelle mit rauchenden Häftlingen untergebracht war. Dies stellt die Rüge eines das Feststellungsinteresse begründenden gewichtigen Grundrechtseingriffs dar, was die Fachgerichte verkannt haben. Im Übrigen trägt vor dem Hintergrund der dargestellten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auch der Hinweis der Justizvollzugsanstalt nicht, der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlegung sei nicht hinreichend konkretisiert gewesen. Die effektive Durchsetzung des Nichtraucherschutzes obliegt der Justizvollzugsanstalt und den Gerichten auch ohne „hinreichend konkretisierten Antrag“.

Ass. iur. Klaus Kohnen