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BVerfG: Mündliche Verhandlung in Sachen „Streikrecht für Beamte“ am 17.01.2018

Der Zweite Senat des BVerfG verhandelt am Mittwoch, 17.01.2018, 10.00 Uhr, vier Verfassungsbeschwerden, die sich gegen das Streikverbot für Beamte richten. Die Beschwerdeführenden sind bzw. waren als beamtete Lehrkräfte an Schulen in verschiedenen Bundesländern (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein) tätig. Sie nahmen in der Vergangenheit während der Dienstzeit (teils wiederholt) an Protestveranstaltungen bzw. Streikmaßnahmen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft teil. Diese Teilnahme wurde durch die zuständigen Disziplinarbehörden disziplinarrechtlich geahndet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Streikteilnahme stelle einen Verstoß gegen grundlegende beamtenrechtliche Pflichten dar. Insbesondere dürfe ein Beamter nicht ohne Genehmigung dem Dienst fernbleiben. In den fachgerichtlichen Ausgangsverfahren wandten sich die Beschwerdeführerinnen sowie der Beschwerdeführer erfolglos gegen die jeweils ergangenen Disziplinarverfügungen.

Mit den Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführenden eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG (teilweise i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Sie machen insbesondere geltend, die Koalitionsfreiheit gewährleiste ein Streikrecht auch für Beamte, jedenfalls aber für beamtete Lehrkräfte. Solange Beamte keine hoheitlichen Aufgaben ausübten, unterfielen sie nicht dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG. Auf die Personengruppe der nicht hoheitlich tätigen Beamten, zu der beamtete Lehrkräfte zählten, finde Art. 33 Abs. 5 GG und das daraus abgeleitete Streikverbot keine Anwendung. Selbst wenn man von einer Anwendung des Art. 33 Abs. 5 GG auf alle Beamten ausginge, sei das Streikverbot für Lehrer nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu vereinbaren.

Darüber hinaus rügen die Beschwerdeführenden die Missachtung der Vorgaben des Grundgesetzes zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung des nationalen Rechts. Die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleiste mit Art. 11 Abs. 1 ein umfassendes Streikrecht für Beamte, welches nicht statusbezogen, sondern nur nach funktionalen Kriterien eingeschränkt werden dürfe. Diese völkerrechtlichen Vorgaben ließen sich auf das nationale Recht übertragen. Das von der Rechtsprechung bislang als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums angesehene Streikverbot für Beamte müsse daher insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren Entscheidungen des EGMR in den Rechtssachen Demir und Baykara v. Türkei (Urt. der Großen Kammer v. 12.11.2008, Nr. 34503/97) und Enerji Yapi Yol Sen v. Türkei (Urt. v. 21.04.2009, Nr. 68959/01) überdacht werden.

BVerfG, Pressemitteilung (Ausschnitt) v. 19.10.2017 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15

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