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EuGH: Fleisch, das aus rituellen Schlachtungen ohne vorherige Betäubung stammt, darf nicht das europäische Bio-Logo tragen

2012 beantragte der französische Verband OEuvre d’assistance aux bêtes d’abattoirs (Hilfswerk für Schlachttiere, OABA) beim Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation (Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Frankreich), die Kennzeichnung „ökologischer/biologischer Landbau“ in der Werbung für und auf der Verpackung von als „halal“ zertifizierten Hacksteaks verbieten zu lassen, die von Tieren stammten, die ohne vorherige Betäubung geschlachtet wurden.

Die betreffende Zertifizierungsstelle, Ecocert, lehnte den Antrag von OABA implizit ab, und das zuständige Verwaltungsgericht gab der Klage von OABA nicht statt.

Die mit dem Rechtsstreit befasste Cour administrative d’appel de Versailles (Verwaltungsberufungsgericht Versailles, Frankreich) fragt den Gerichtshof, ob die anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts, die sich u. a. aus der Verordnung über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen[1], ihrer Durchführungsverordnung[2] und der Verordnung über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung[3] ergeben, dahin auszulegen sind, dass sie die Vergabe des europäischen Gütezeichens „ökologischer/biologischer Landbau“ an Erzeugnisse, die von Tieren stammen, die Gegenstand einer rituellen Schlachtung ohne Betäubung waren, zulassen oder verbieten.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Unionsgesetzgeber in den betreffenden Verordnungen mehrfach seine Absicht betont, im Rahmen dieser Produktionsmethode, die sich durch die Beachtung strengerer Tierschutznormen an allen Orten und in allen Stadien dieser Produktion auszeichnet, in denen es möglich ist, das Tierwohl noch weiter zu verbessern, u. a. bei der Schlachtung, ein hohes Tierschutzniveau sicherzustellen.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass wissenschaftliche Studien gezeigt haben, dass die Betäubung die Technik darstellt, die das Tierwohl zum Zeitpunkt der Schlachtung am wenigsten beeinträchtigt.

Sodann führt der Gerichtshof aus, dass die Praxis der rituellen Schlachtung, in deren Rahmen das Tier ohne vorherige Betäubung getötet werden kann und die in der Union ausnahmsweise erlaubt ist, um die Beachtung der Religionsfreiheit sicherzustellen, nicht geeignet ist, Schmerzen, Stress oder Leiden des Tieres genauso wirksam zu mildern wie eine Schlachtung, der eine Betäubung vorausgeht. Die Betäubung ist nämlich erforderlich, um beim Tier eine Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit herbeizuführen, mit der sein Leiden erheblich verringert werden kann.

In diesem Zusammenhang hebt der Gerichtshof hervor, dass zwar bei der Schlachtung ohne Betäubung ein präziser Halsschnitt mit einem scharfen Messer erforderlich ist, damit das Tier nicht so lange leiden muss, eine solche Technik es jedoch nicht erlaubt, das Leiden der Tiere so gering wie möglich zu halten.

Der Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass die von religiösen Riten vorgeschriebenen speziellen Schlachtmethoden, die ohne vorherige Betäubung durchgeführt werden, nicht mit der grundsätzlich vom Unionsrecht vorgeschriebenen Schlachtmethode unter vorheriger Betäubung gleichwertig sind, was die Sicherstellung eines hohen Tierschutzniveaus zum Zeitpunkt der Tötung betrifft.

Schließlich hebt der Gerichtshof hervor, dass das Ziel der Unionsvorschriften über die ökologische/biologische Kennzeichnung darin besteht, „das Vertrauen der Verbraucher in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Erzeugnisse zu wahren und zu rechtfertigen“, und dass es wichtig ist, darauf zu achten, dass die Verbraucher die Sicherheit haben, dass die Erzeugnisse, die das EU-Bio-Logo tragen, auf das die Frage des vorlegenden Gerichts in Wirklichkeit abzielt, tatsächlich unter Beachtung der höchsten Normen, u. a. im Bereich des Tierschutzes, erzeugt wurden.

Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass die Vorschriften des Unionsrechts die Anbringung des EU-Bio-Logos auf Produkten, die von Tieren stammen, die Gegenstand einer rituellen Schlachtung ohne vorherige Betäubung waren, nicht gestatten.

Pressemitteilung des EuGH Nr. 15 v. 26.02.2019 zum Urt. v. 26.02.2019 – Rs. C-497/17 [OEuvre d’assistance aux bêtes d’abattoirs (OABA) / Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation, Bionoor, Ecocert France, Institut national de l’origine et de la qualité (INAO)]


[1] Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1).

[2] Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle (ABl. 2008, L 250, S. 1).

[3] Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. 2009, L 303, S. 1).