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Schalldämpfer für Jagdwaffen nach BVerwG nicht vom Jägerprivileg umfasst

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Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BVerwG, Urt. v. 28.11.2018 – BVerwG 6 C 4.18 / Weitere Schlagworte: Schusswaffen; Schalldämpfer; Jägerprivileg; Bedürfnisnachweis; Gehörschutz

von Oberlandesanwältin Sigrid Kaiser, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsätze:

  1. Die Berechtigung von Jägern zum Erwerb, Besitz und Führen von Jagdwaffen ohne Nachweis eines waffenrechtlichen Bedürfnisses erstreckt sich nicht auf Schalldämpfer, die für diese Schusswaffen bestimmt sind.
  2. Ein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse von Jägern für Schalldämpferwaffen besteht nicht, weil der Bundesgesetzgeber Schalldämpfer nicht als notwendig für die Ausübung der Jagd ansieht.
  3. Das Interesse der Jäger, mögliche Schädigungen ihres Gehörs durch das Abfeuern von Jagdlangwaffen auszuschließen, kann den waffengesetzlichen Grundsatz nicht außer Kraft setzen, privaten Besitz an Schalldämpfern, die für Schusswaffen bestimmt sind, auch bei legalem Schusswaffenbesitz möglichst zu verhindern.
  4. Aus den Feststellungen der großen Mehrzahl der Verwaltungsgerichte ergibt sich, dass die Verwendung einer schallgedämpften Waffe zum Schutz des Gehörs nicht erforderlich ist, weil gleich wirksame Schutzvorkehrungen zur Verfügung stehen.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

Mit Urteil vom 28.11.2018, BVerwG 6 C 4.18, stellt das BVerwG nach vom VG Berlin zugelassener Sprungrevision zum einen fest, dass die nach dem Waffengesetz für Jäger als Inhaber von Jagdscheinen bestehende Möglichkeit, Jagdwaffen zu erwerben, ohne ein waffenrechtliches Bedürfnis dafür eigens nachweisen zu müssen, den Erwerb von Schalldämpfern für Jagdwaffen nicht mitumfasst (1.). Zum anderen wird der hilfsweise gestellte Antrag, dem Kläger, ein Berliner Jäger, der in Brandenburg jagt, den Erwerb eines Schalldämpfers aufgrund eines waffenrechtlichen Bedürfnisses zu erlauben, abgelehnt (2.).

1. Bei der Auseinandersetzung mit der Frage nach einer generellen Berechtigung von Jägern, für ihre Jagdwaffen auch Schalldämpfer zu erwerben, stellt das BVerwG seinen Überlegungen voran, dass nach dem Regelungskonzept des Waffengesetzes jede Art des Umgangs mit einer Waffe einem gesonderten Erlaubnisvorbehalt unterliegt. Die Erteilung einer Erlaubnis setzt ein Bedürfnis voraus, wobei bei bestimmten Gruppen, insbesondere Sportschützen und Jägern, ein Interesse an einem zweckgebundenen Waffenbesitz vom Gesetz grundsätzlich bereits anerkannt ist. Nach einer Bestimmung in der Anlage 1 zum WaffG mit Begriffsbestimmungen stehen wesentliche Teile von Schusswaffen und Schalldämpfer den Schusswaffen, für die sie bestimmt sind, gleich, soweit im Waffengesetz nichts anderes bestimmt ist. Das BVerwG sieht darin den Beleg dafür, dass das Waffengesetz Schalldämpfer als eigenständige Regelungsgegenstände ansieht, sodass sich auf Schusswaffen bezogene Berechtigungen nicht von Haus aus auf Schalldämpfer dafür erstrecken. Vielmehr sind die Bestimmungen für bestimmte Personengruppen daraufhin zu überprüfen, ob sie auch Geltung für Schalldämpfer beanspruchen.

Zu dem Ergebnis, dass dies beim sog. Jägerprivileg nach § 13 WaffG nicht der Fall ist, kommt das BVerwG bei Betrachtung der Entstehungsgeschichte des heutigen § 13 WaffG, in die die Rechtslage bis Ende des Jahres 1972 einschließlich des Reichswaffengesetzes, das WaffG 1972 und das Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11.10.2002 einbezogen werden. Zudem steht der Geltung des Jägerprivilegs nach § 13 WaffG für Schalldämpfer bei Jagdwaffen nach dem Befund des BVerwG als gesetzessystematische Erwägung entgegen, dass der Bundesgesetzgeber die Landesgesetzgeber nach § 19 Abs. 2 BJagdG ermächtigt hat, die Ausübung der Jagd mit schallgedämpften Waffen zu verbieten.

2. Bezogen auf den Fall eines Jägers, der das Interesse an einem Schalldämpfer mit Rücksicht auf sein Gehör begründet hatte, stellt das BVerwG zunächst als zentrales Anliegen des Waffengesetzes dar, den Waffenbesitz beliebiger Privatpersonen möglichst zu verhindern. Dadurch begegne der Gesetzgeber dem Risiko, dass Waffen missbräuchlich verwendet werden, bereits im Vorfeld möglicher Gefahrenlagen. Angesichts des Gefahrenpotenzials, das von Schusswaffen für Leben und Gesundheit Dritter ausgehe, stehe die Verhältnismäßigkeit dieser Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes außer Frage.

Es müsse also ein auf Schalldämpfer bezogenes Bedürfnis nach § 8 WaffG nachgewiesen werden. Dem liege die Annahme zugrunde, dass Schusswaffen und Schalldämpfer einer erhöhten Gefahr missbräuchlicher Verwendung unterliegen. Ihr Gebrauch könne besser verheimlicht werden, bei der Jagd die Jagdwilderei erleichtern. Das Interesse am Gehörschutz begründe kein besonders anzuerkennendes persönliches Interesse i.S.v. § 8 WaffG, nachdem es bei allen Jägern in gleicher Weise bestehe, der Gesetzgeber aber Schalldämpfer als nicht erforderlich für Jäger ansehe. Selbst bei Anerkennung des Gehörschutzes als persönliches Interesse gehe dieses den Belangen der öffentlichen Sicherheit nicht vor. Dabei sei zu bedenken, dass Jäger sich mit Schalldämpfern vor einer gesundheitlichen Gefahr schützen wollen, die sie selbst herbeiführen und die sie auch anders (durch Ohrkapseln oder sog. Im-Ohr-Schutz) abwenden können.

Net-Dokument: BayRVR2019041501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Sigrid Kaiser ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Jagd- und Waffenrecht, das Heilberufsrecht und das Abfallrecht zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB

Meldungen im Kontext „Waffenrecht“: vgl. hier.