Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: „Damit Bayern Heimat bleibt – nicht nur für Gutverdiener!“ – Konsequenter Vorrang der Innenentwicklung und flächensparender Nutzungen / Für die Selbstbestimmtheit der Kommunen und ihrer Bürger

Der Bayerische Ministerrat hat am 16. Juli 2019 die Flächensparoffensive beschlossen. Wesentlicher Bestandteil der Flächensparoffensive ist die Verankerung einer Richtgröße für die Flächenneuinanspruchnahme von fünf Hektar pro Tag in das Landesplanungsgesetz. Die Richtgröße soll von einem Maßnahmenkatalog zur Reduzierung des Flächenverbrauchs flankiert werden. Insbesondere soll die vor zwei Jahren eingeführte Aufweichung des Anbindegebots zurückgenommen werden. Bereits zuvor hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen einen Gesetzesantrag in den Bayerischen Landtag eingebracht, der eine verbindliche Flächenverbrauchsobergrenze vorsieht.

„Der Bayerische Städtetag fordert einen konsequenten Vorrang der Innenentwicklung. Nötig sind flächensparende Nutzungen in der Landesplanung, in Fachplanungen, in kommunalen Planungen und im Förderwesen. Der Bayerische Städtetag setzt sich vorbehaltslos für eine flächensparende Siedlungsentwicklung ein. Aber: Der Bayerische Städtetag lehnt jede Art einer Obergrenze für Flächenverbrauch ab. Eine Flächenzuweisung nach mathematischen Formeln wird weder den vielschichtigen Bedarfen der über 2000 bayerischen Städte und Gemeinden noch den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürgern gerecht. Sie verstößt gegen die in der Bayerischen Verfassung verankerte kommunale Planungshoheit“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Augsburgs Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl.

Gribl:

„Eine Obergrenze bei Flächenverbrauch löst das Problem der Flächenkonkurrenz nicht auf. Sie zeigt keine Lösung für das Problem der zunehmenden Flächenbeanspruchung. Sie ist kein Steuerungsinstrument zur Stärkung der ländlichen Räume. Sie ist einzig auf Verhinderung ausgerichtet. Der Antrag auf Festlegung einer Flächenobergrenze hält keine Antwort bereit, wie bezahlbare Wohnungen, Kindergärten, Schulen, Arbeitsplätze und Erholungsflächen platzsparender und integriert verwirklicht werden können. Ganz im Gegenteil, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger bleiben auf der Strecke. Der Städtetag wertet positiv, dass das Kabinett nicht auf Verhinderung setzt, sondern konkrete Maßnahmen benennt, wie eine flächensparende Entwicklung aussehen kann. Mit der Rücknahme der Aufweichung des Anbindegebots greift das Kabinett eine langjährige Forderung des Bayerischen Städtetags auf.“

Bayern wächst. Die Bevölkerung nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Dieser Trend setzt sich fort. Viele Menschen suchen bezahlbare Wohnungen, Kindergartenplätze, Schulplätze für ihre Kinder oder einen Arbeitsplatz. Die bayerische Wirtschaft wächst. Sie benötigt mehr Büroräume, Produktions- und Lagerstätten. All diese Einrichtungen benötigen Platz. Nicht nur die bayerischen Metropolen benötigen Fläche. Auch die Städte und Zentren der ländlichen Räume und die Gemeinden in den ländlichen Regionen Bayerns haben ein Recht, sich zu entwickeln – und im Einzelfall auch nach außen. Kehrseite dieser Erfolgsgeschichte Bayerns ist eine konstant hohe Flächenneuinanspruchnahme und eine teils dramatische Zunahme der Nutzungskonkurrenz um die Fläche. Dies geht zu Lasten der Natur, der Tier- und Pflanzenwelt und des Landschaftsbildes des Freistaats.

Und dennoch: Siedlungsentwicklung und Flächensparen dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Es muss das Zusammenspiel dieser scheinbaren Gegensätze betrachtet werden. Es geht um eine zukunftsfähige Siedlungsentwicklung, die die Bedarfe der Wohnungssuchenden, der Arbeitssuchenden, der Erholungssuchenden in den Städten oder der Pendelnden mit der Natur, der Pflanzen- und der Tierwelt gerecht zum Ausgleich bringt.

Gribl: „Das gescheiterte Volksbegehren der Grünen war überschrieben mit  ‚Bayern verliert sein Gesicht‘ – ,Betonflut eindämmen – Damit Bayern Heimat bleibt‘. Es muss jedoch gelten: Bayern muss Heimat bleiben – auch für Geringverdiener in München, Augsburg oder Regensburg. Die bayerischen Städte verlieren ihre Gesichter, weil jede Verknappung des Bodens steigende Bodenpreise und damit steigende Mieten zur Folge hat.“

Die Befürworter einer Flächenobergrenze sollten sich aus der Perspektive vor allem der Bürger in den Städten zentrale Fragen stellen: „Können sich Münchnerinnen und Münchner die Stadt München noch leisten? Bald nicht mehr!“

„Bayern verliert sein Gesicht“ (Zitat aus dem gescheiterten Volksbegehren „Betonflut eindämmen – Damit Bayern Heimat bleibt“) – die bayerischen Städte verlieren ihre Gesichter. Denn viele Menschen können sich unsere Städte nicht mehr leisten. Enorm gestiegene Bodenpreise erschweren bereits heute die Schaffung bezahlbarer Wohnungen. Eine Verknappung von Fläche führt zu steigenden Boden- und Mietpreisen. Bereits heute ist die Verfügbarkeit von Grundstücken der Flaschenhals für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Familien, Alleinerziehende und Rentner sind seit langem Leidtragende der Preisentwicklung in den bayerischen Städten. Eine weitere künstlich geschaffene Preiserhöhung wird vielen Berufsgruppen ein Leben in den bayerischen Städten unmöglich machen.

Es stellt sich die Frage: „Kindergarten oder Arbeitsplatz – Wie wollen die Menschen entscheiden?“

Eine Obergrenze beim Flächenverbrauch löst Flächenkonkurrenzen nicht auf, sondern verschärft sie. Sie drängt sämtliche Planungsebenen, sich zwischen konkurrierenden Nutzungen zu entscheiden, ohne aber eine am Bedarf orientierte Abwägung durchführen zu können, wenn das Kontingent überschritten ist: So treten die Schaffung neuer Wohnungen in Konkurrenz zur Errichtung neuer Schulen, der Bau von Kindergärten zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Es stellt sich die Frage für die Schaffung neuer Wohnsiedlungen: „Wollen die Bürgerinnen und Bürger, dass diese Entscheidung in der örtlichen Gemeinschaft oder zentral vom Freistaat entschieden wird?“

Die wichtigsten Fragen des Zusammenlebens in einer Gemeinde werden bislang zurecht von der örtlichen Gemeinschaft in der Kommune entschieden. Den Städten und Gemeinden garantiert das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung die kommunale Selbstverwaltung. Wesentliches Element der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist die kommunale Planungshoheit. Eine Obergrenze beim Flächenverbrauch verletzt die kommunale Planungshoheit und erschwert die Erfüllung der Aufgaben der Städte und Gemeinden, indem kommunale Entwicklungen abgeschnitten würden. Wichtige Bereiche der örtlichen Aufgabenerfüllung würden aufgrund einer mathematischen Flächenzuteilung zentral vom Freistaat entschieden und nicht mehr auf Grund eines Entscheidungsprozesses vor Ort.

Es stellen sich besonders für Kommunen in strukturschwachen Räumen die Fragen: „Bevölkerungsrückgang? Es wird öde? Wachstum ist ausgeschlossen?“

Besonders betroffen von einer Obergrenze beim Flächenverbrauch sind strukturschwache Kommunen mit Bevölkerungsrückgang. Alle bislang vorgeschlagenen Verteilungsmechanismen knüpfen an die Bevölkerungsentwicklung an. Durch die Verteilung der Flächenkontingente am Maßstab der bestehenden Bevölkerung, der prognostizierten Bevölkerung, der Bewertung als Wachstums- oder Schrumpfungsregion oder der regionalen Wirtschaftskraft würden demografische Bevölkerungsentwicklungen zementiert, ohne diesen Städten und Gemeinden Perspektiven zu geben.

Pressemitteilung des Bayerischen Städtetags v. 17.07.2019

Redaktionelle Hinweise

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  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.