Rechtsprechung Bayern

Strafbarkeit eines Mandatsträgers nach § 108e Abs. 1 StGB

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Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er „bei der Wahrnehmung seines Mandates“ eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird gemäß § 108e Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bestraft. Das gilt gemäß § 108e Abs. 3 Nr. 1 StGB auch für Mitglieder einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft. Das Oberlandesgericht München (OLG) äußerte sich im unten vermerkten Beschluss vom 16.11.2021 zur in der Literatur umstrittenen Frage, ob außerparlamentarische Handlungen, in denen lediglich die Autorität als Mandatsträger oder dessen persönliche Kontakte genutzt werden, unter das Merkmal „bei der Wahrnehmung des Mandats“ fallen und verneinte dies. Das OLG leitet dieses Ergebnis trotz eines insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des Gesetzes aus dem Willen des Gesetzgebers her:

  1. Kein eindeutiger Wortlaut des § 108e Abs. 1 StGB „Dem Wortlaut des § 108e Abs. 1 StGB lässt sich nicht entnehmen, dass das Tatbestandsmerkmal, bei der Wahrnehmung seines Mandats‘ eine Einschränkung auf parlamentarische Verhandlungsgegenstände enthält. Der Wortlaut ist insoweit offen und lässt auch eine Auslegung dahingehend zu, dass außerparlamentarische Tätigkeiten eines Mandatsträgers mitumfasst sind … Nicht, bei der Wahrnehmung seines Mandats‘ handelt der Abgeordnete hingegen, wenn er – nach außen erkennbar – seiner beruflichen (Neben-)Tätigkeit etwa als Rechtsanwalt, Unternehmer oder Berater nachgeht. Denn nach § 44a Abs. 1 Satz 1 AbgG steht die Ausübung des Mandats zwar im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages. Unbeschadet dieser Verpflichtung bleiben Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat jedoch grundsätzlich zulässig (§ 44a Abs. 1 Satz 2 AbgG). Ob der Abgeordnete eine Handlung in Ausübung des Mandats oder im Rahmen einer Nebentätigkeit ausübt, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.“
  2. Kein eindeutiger Inhalt des Gesetzentwurfs „Auch dem Gesetzentwurf vom 11.2.2014 (BT-Drs. 18/476, Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung) 1) lässt sich ein eindeutig erkennbarer Wille des Gesetzgebers, das Tatbestandsmerkmal, bei der Wahrnehmung seines Mandats‘ auf parlamentarische Tätigkeiten einzugrenzen, nicht entnehmen: … Zwar will die Gesetzesbegründung … in erster Linie parlamentarische Handlungen unter Strafe stellen. Wiederholt wird darauf hingewiesen, dass die freie Willensbildung und -betätigung in den Parlamenten vor unzulässiger Einflussnahme geschützt werden soll. Als Schutzgut wird insbesondere das öffentliche Interesse an der Integrität parlamentarischer Prozesse und der Sachbezogenheit parlamentarischer Entscheidungen benannt. Nicht erfasst sein sollen hingegen Verhaltensweisen, die der Mandatsträger als Mitglied eines parteiinternen Gremiums oder im Rahmen einer Nebentätigkeit vollzieht. Nicht ausdrücklich geregelt ist jedoch, ob außerparlamentarische Tätigkeiten, die der Abgeordnete in Ausübung seines Mandats vornimmt, erfasst sind oder nicht. Geschütztes Rechtsgut soll neben der Integrität parlamentarischer Prozesse und der Sachbezogenheit parlamentarischer Entscheidungen ausdrücklich auch die Unabhängigkeit der Mandatsausübung sein. Zur Mandatsausübung gehören aber auch außerparlamentarische Tätigkeiten, insbesondere die Wahlkreisarbeit und die (unentgeltliche) Vertretung von Interessen Dritter gegenüber öffentlichen Stellen… In früheren Gesetzentwürfen zur Abgeordnetenbestechung …, die ebenfalls auf Handlungen des Abgeordneten, bei Wahrnehmung seines Mandats‘ abstellen, heißt es in der Begründung jeweils: Auch dann, wenn er lediglich seine ,Autorität‘ als Mandatsträger dazu einsetzt, Verwaltungsabläufe in seinem Wahlkreis zu beeinflussen, handelt er nicht mehr bei Wahrnehmung seines Mandates‘. In einem weiteren Gesetzentwurf …, der auf Handlungen des Abgeordneten, in Wahrnehmung des Mandats‘ abstellt, heißt es in der Begründung …: ,Zur Strafbarkeit gehört nur die Gegenleistung des Abgeordneten, die zum Mandat gehört, also in Ausübung des Mandates in der Volksvertretung oder im Gesetzgebungsorgan geleistet wird. Diese Begrenzung ist notwendig, da nur solche Leistungen erfasst werden sollen, die zum Kernbereich der Mandatsausübung gehören und deswegen das Schutzgut der freien Willensbildung und -betätigung der demokratisch parlamentarischen Gesetzgebungsorgane unmittelbar tangieren.‘ Der Gesetzentwurf vom 11.2.2014 enthält derartige Klarstellungen im Hinblick auf die Reichweite des Merkmals, bei Wahrnehmung seines Mandats‘ gerade nicht und nimmt zudem auf Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG Bezug. Dem Gesetzentwurf kann daher jedenfalls nicht eindeutig entnommen werden, dass ausschließlich die parlamentarische Willensbildung in den Parlaments- und Fraktionsgremien geschützt werden soll.“

Entonnem aus der Fundstelle Bayern Heft 11/2022, Rn. 130