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Zulässigkeit eines vom Landkreis finanzierten Internetportals mit Werbeplätzen

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Mit diesem Thema befasste sich das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) in seinem unten vermerkten (Hinweis-) Beschluss vom 26.11.2021.

Folgender Sachverhalt lag zu Grunde:

Die Klägerin verlegt u.a. eine im Landkreis F. verbreitete Tageszeitung und betreibt ein Online-Portal. Der Beklagte, ein bayerischer Landkreis, verantwortet das Internetportal „www.landkreis.-f..de“. Im unteren Bereich der Startseite dieses Onlineauftritts befinden sich mehrere Links, u.a. der Link „LandkreisMacher“. Beim Klicken auf den Link gelangt man auf die streitgegenständliche Website „landkreismacher.de“. Der Landkreis hatte mit der Firma „M.GmbH“ einen Vertrag geschlossen, diese Website zu konzipieren und zu betreiben. Dort werden den im Landkreis ansässigen Gewerbetreibenden kostenfrei Werbeplätze für Online-Werbung zur Verfügung gestellt, indem interessierte Werbetreibende sich auf der Website mit Bild und Text kostenlos eintragen lassen können. Im Impressum wird als Verantwortliche die Firma „M…GmbH“ benannt. Als Ansprechpartner wird u.a. der Landkreis aufgeführt. Das Profil des Werbetreibenden ist dann, abhängig vom Gewerbebereich, unter verschiedenen Rubriken abrufbar.

Die Rubrik „Kauf ein“ beinhaltet Betriebe des Einzelhandels und der Direktvermarktung, die Rubrik „Geh aus“ Betriebe im Bereich der Gastronomie und die Rubrik „Lass machen“ Betriebe aus dem Bereich Handwerk und Dienstleistung. In der Rubrik „hier geht was“ werden aktuelle Veranstaltungen präsentiert.

Das Landgericht wies den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch ab. Mit ihrer Berufung beantragte die Klägerin, dass es dem Landkreis untersagt wird, das Internetportal „Landkreismacher“ öffentlich zugänglich zu machen. Das Angebot verstoße insbesondere gegen das Gebot der Staatsfreiheit der Medien sowie gegen § 4 Nr. 4 UWG.

Das OLG wies die Berufung zurück, seinem Hinweisbeschluss ist Folgendes zu entnehmen:

1. Bereitstellung eines kostenfreien Online-Portals für Gewerbetreibende als Erfüllung der dem Landkreis gesetzlich obliegenden Aufgaben

„Die Bereitstellung des streitgegenständlichen Online-Portals führt bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit … nicht dazu, dass die Klägerin ihre Leistung am Markt nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte vorliegend im Rahmen der Erfüllung seiner gesetzlich obliegenden Aufgaben tätig war. Dies ergibt sich aus Art. 51 Abs. 1 BayLKrO, wonach die Landkreise in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen sollen, die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner nach den Verhältnissen des Kreisgebiets erforderlich sind. Dabei ist als (virtuelle) öffentliche Einrichtung auch eine Homepage anzusehen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 19.5.20151) – 15 A 86/14, MMR 2015, 775).

Zu den Sollaufgaben des Art. 51 BayLKrO gehört ebenfalls die Verbesserung der örtlichen Wirtschaftsstruktur (VGH München, Urteil vom 21.3.20112) – 4 BV 10.108, BayVBl 2011, 632, juris-Rn. 71). Diesen Zweck der indirekten örtlichen Wirtschaftsförderung durch Vernetzung und Schaffung von Präsentationsmöglichkeiten in Form des Regionalmarketings erfüllt die streitgegenständliche Homepage…, weil damit lokalen Gewerbetreibenden im Landkreis … eine kostenlose Werbeplattform für ihre Angebote und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt wird. Die angestrebte Werbewirkung ergibt sich dabei insbesondere aus der Betonung des regionalen Bezuges und dem Verweis auf die räumliche Nähe der dargestellten Geschäfte, Firmen und Gaststätten zueinander und zum Kunden. Das Internetportal steht auch allen Händlern und Dienstleistern aus der Region unterschiedslos zur Verfügung, weshalb kein konkretes Firmenmarketing zugunsten einzelner Privatunternehmen vorgenommen wird.

Gleiches gilt grundsätzlich für das Landkreismarketing und die Förderung des Tourismus. Dabei darf der Landkreis über diese Aufgaben nicht nur selbst informieren, also darüber, was er in diesen Bereichen unternimmt. Vielmehr beinhaltet diese Aufgabe gerade auch, dass im Wege der (positiven) Selbstdarstellung Eigenwerbung für die Region als Reise- oder Besuchsziel oder als attraktiver Wirtschaftsstandort betrieben werden darf. Der Kommune kann es dabei weder in Broschüren in Printform noch im Rahmen eines Internetauftritts verwehrt werden, diese Informationen textlich und optisch möglichst ansprechend zu gestalten, selbst wenn dadurch die Aufmachung unter Umständen einen presseähnlichen Eindruck erwecken sollte (vgl. OLG München, Endurteil vom 30.9.20213) – 6 U 6754/20, GRUR-RS 2021, 28670, Rn. 110 …).“

2. Kein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse

„Das Gebot der Staatsferne der Presse lässt eine pressemäßige Betätigung von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben und nur insoweit zu, als die Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht gefährdet wird. Dabei sind Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge der kommunalen Publikation auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Denn einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein begründen noch keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist vielmehr entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu gefährden.

Das Gebot der Staatsferne der Presse ist dabei je eher verletzt, je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt. Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung – jedenfalls subjektiv – entbehrlich macht. Je deutlicher – in Quantität und Qualität – ein erweitertes Amtsblatt Themen besetzt, deretwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten. Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters der gemeindlichen Publikation sind auch die optische Gestaltung der Publikation sowie redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews zu berücksichtigen. Eine Anzeigenschaltung ist ebenfalls in die Gesamtwürdigung einzubeziehen; sie ist nicht generell unzulässig, sondern kann zulässiger, fiskalisch motivierter Randnutzen sein. Schließlich ist zu berücksichtigen, ob die Publikation kostenlos zur Verfügung gestellt wird, was die Gefahr einer Substitution privater Presse erhöht (BGH, Urteil vom 20.12.20184) – I ZR 112/17, GRUR 2019, 189, Rn. 23, 35 ff. – Crailsheimer Stadtblatt II).

Die vom BGH aufgestellten Grundsätze für die Bewertung gemeindlicher Publikationen lassen sich grundsätzlich auch auf Internetportale übertragen. Allerdings sind hierbei, was sich aus der Natur der Sache ergibt, die Besonderheiten einer Website gegenüber einer gedruckten Zeitung im Rahmen der Gesamtwürdigung jeweils bei den einzelnen Kriterien zu berücksichtigen – wie beispielsweise bei der Frage, ob ein Beitrag bzw. das Portal insgesamt ,pressemäßig‘ oder auch/nur ,internettypisch‘ aufgemacht ist. Daraus kann sich im Einzelfall ergeben, dass die Grenzen des Zulässigen – im Ergebnis – etwas großzügiger verlaufen als bei einer kommunalen Publikation in Form einer gedruckten Zeitung. Allerdings sind auch dem Informationshandeln der Kommunen im Internet auf Grundlage der Aufgabe des Stadtmarketings oder der Tourismus- und Wirtschaftsförderung Grenzen gesetzt. Insbesondere haben die Kommunen das Sachlichkeits- und Neutralitätsgebot zu wahren (OLG München, a.a.O., Rn. 96, 111 …).

Gemessen an diesen Maßstäben verstößt das Portal ,Landkreismacher‘ in der angegriffenen Form nicht gegen § 3a UWG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Der Gesamtcharakter dieses Portals – und nur dieser ist maßgeblich (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.6.2021 – 4 U 1/20, GRUR-RS 2021, 14024, Rn. 141 – Stadtportal.de) – ist nicht geeignet, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu gefährden.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Portal Landkreismacher nicht Bestandteil des Onlineauftrittes des Beklagten unter www.landkreisf…de ist und auch nicht den Eindruck einer staatlichen Publikation erweckt. Vielmehr handelt es sich um eine eigenständige Homepage, die – anders als beispielsweise ein Amtsblatt, das auch amtliche Mitteilungen enthält – eindeutig als Werbeportal erkennbar ist. Auf der Website zwischen der Homepage des Beklagten und dem streitgegenständlichen Internetportal wird ausdrücklich ausgeführt, dass ,die LandkreisMacher … Händler und Dienstleister aus der Region [seien], die sich auf der neuen Homepage präsentieren‘. Das Internetportal wird auch nicht vom Beklagten, sondern von der Firma ,M…GmbH‘ konzipiert und betrieben. Im Impressum wird als Verantwortliche nach § 5 TMG dieses Unternehmen und als Verantwortlicher nach § 55 Abs. 2 RStV dessen Geschäftsführer benannt; nur als Ansprechpartner wird u. a. der Beklagte aufgeführt.

Darüber hinaus ist in die Gesamtwürdigung einzustellen, dass die Anzeigen in den Rubriken ,Kauf ein‘, ,Geh aus‘ und ,Lass machen‘ für den Durchschnittsbetrachter sofort als eine Werbeanzeige des jeweiligen Gewerbetreibenden erkennbar sind. Auch haben die Anzeigen keinerlei redaktionellen Inhalt im Sinne einer Informationsaufbereitung, sondern der jeweilige Gewerbetreibende stellt sich … selbst vor und gibt seine Öffnungszeiten und Kontaktmöglichkeiten an. Texte, Bilder und Inhalte stammen von den Gewerbetreibenden selbst … Eine wie auch immer geartete journalistische Auseinandersetzung mit dem Unternehmen erfolgt nicht. Es werden auch keine Unternehmen bzw. Dienstleister in den Listen unter Verstoß gegen das Neutralitätsgebot räumlich oder gestalterisch hervorgehoben und dadurch der Eindruck erweckt, diese Unternehmen bzw. Dienstleister seien aus Sicht des Beklagten – und damit ,offiziell‘ – besonders empfehlenswert.

Eine andere Beurteilung ist nicht aufgrund der Rubrik ,hier geht was‘ veranlasst. Zum einen zielen die darin enthaltenen Berichte über aktuelle Veranstaltungen offenkundig nicht auf Nachrichtengebung und Information, sondern darauf ab, das regionale Einkaufsumfeld darzustellen. Zum anderen weisen sie – insbesondere aufgrund der Kürze der Beiträge und des Fehlens von redaktionellen Elementen der meinungsbildenden Presse wie Glossen, Kommentare oder Interviews – keine presseähnliche Gestaltung auf. Zudem haben diese – insgesamt sieben – Kurzbeiträge aufgrund der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung im gegenständlichen Portal ein so untergeordnetes Gewicht, dass der objektive Be trachter nicht den Eindruck eines Presseerzeugnisses bekommt. Es liegt deshalb fern, dass ein objektiver Betrachter die gegenständliche Seite zur Nachrichtenbeschaffung besuchen wird. Der Gesamtcharakter des Telemedienangebots ist somit nicht geeignet, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.

Schließlich kann ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse nicht per se damit begründet werden, dass die Schaltung von Werbeanzeigen den weit überwiegenden Anteil des Internetauftritts ausmacht. Denn eine Anzeigenschaltung ist nicht generell unzulässig, sondern kann zulässiger, fiskalisch motivierter Randnutzen sein. Da die streitgegenständliche Homepage auch kein Amtsblatt darstellt, muss die Veröffentlichung von kommerzieller Werbung auch keine untergeordnete Bedeutung spielen …“

 

Entnommen  aus der Fundstelle Bayern 15/2022, Rn. 180.