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Disziplinarmaßnahme bei Aufbewahren einer Hakenkreuz-Tasse in der Kaserne

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Das Verfahren betrifft den Vorwurf, eine mit einem Hakenkreuz versehene Tasse in die Kaserne verbracht und aufbewahrt zu haben.

StGB – § 86 a SG – § 7, § 8, § 17 Abs. 1 Satz 2, § 23 WDO – § 107 Abs. 1, § 123 Satz 3

1. Beim Einbringen nationalsozialistischer Kennzeichen in eine Bundeswehrkaserne bildet ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Zumessungserwägungen.

2. Wird das Verwenden der nationalsozialistischen Kennzeichen nicht angeschuldigt, kann es nicht maßnahmeverschärfend berücksichtigt werden.

Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 04.11.2021 – BVerwG 2 WD 25/20

Der Soldat hat mit dem vorsätzlichen Einbringen der Hakenkreuz-Tasse am 04.06.2018 in die Kaserne gegen die Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten und zum treuen Dienen verstoßen. Das Hakenkreuz bildet ein Kennzeichen oder Propagandamittel einer verfassungswidrigen Organisation i. S. v. § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Es ist das Kennzeichen der NSDAP.

Anders als vom Truppendienstgericht angenommen, hat der Soldat mit seinem Verhalten auch gegen die politische Treuepflicht nach § 8 Alt. 2 SG verstoßen. Die unabhängig vom Dienstgrad bestehende Pflicht eines Soldaten nach § 8 SG verlangt von diesem, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen, durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten. Es handelt sich um eine Kernpflicht des Soldaten, deren Verletzung stets schwer wiegt. Mit der politischen Treuepflicht ist folglich ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen, denn das Grundgesetz bildet gleichsam den „Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes“.

Die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 Alt. 2 SG geht weiter als die Pflicht zu ihrer Anerkennung gemäß § 8 Alt. 1 SG. Sie verlangt, dass der Soldat sich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten.

Nach Maßgabe dessen hat der Soldat zwar nicht gegen die Verpflichtung zur Anerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung verstoßen, wohl aber des Eintretens für sie. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Soldat keine nationalsozialistische Gesinnung hat. Bereits mit dem Einbringen und dem Aufbewahren der Hakenkreuz-Tasse hat er indes objektiv den Eindruck erweckt, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu unterstützen und sich damit illoyal zu verhalten, denn beim Batteriefeldwebel und der Vertrauensperson, welche die Tasse zur Kenntnis genommen haben, wurden dadurch Irritationen über die politische Gesinnung des Soldaten erzeugt.

Ist das Verhalten eines Soldaten Ausdruck einer nationalsozialistischen Gesinnung, ist grundsätzlich die Höchstmaßnahme zu verhängen, denn damit liegt sowohl eine Verletzung der Anerkennungspflicht aus § 8 Alt. 1 SG als auch der Eintretenspflicht aus § 8 Alt. 2 SG vor. Beruht die Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen indes nicht auf einer verfassungsfeindlichen Einstellung, ist die Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu machen. Dazu gehört etwa das Erweisen des sogenannten Hitlergrußes. Ebenso spricht auch in anderen Fällen die strafrechtliche Ächtung eines entsprechenden Verhaltens für die Dienstgradherabsetzung als Regelmaßnahme, wobei die spezifisch strafrechtlichen Einschränkungen (Inlandsbezug, Öffentlichkeit) für die disziplinarrechtliche Einstufung nicht so bedeutsam sind, dass sie für eine Dienstgradherabsetzung nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 62 WDO zwingend vorliegen müssen.

Zeigt ein Soldat hingegen niedrigschwelligere, bagatellisierende Verhaltensweisen von einigem Gewicht, bildet grundsätzlich ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Angesichts der großen Bandbreite möglicher niedrigschwelliger Verletzungen der politischen Treuepflicht ist eine Typisierung in diesem Bereich allerdings nur eingeschränkt möglich. Insbesondere bei einmaligen, unüberlegten oder aus jugendlicher Unreife verübten Verstößen im niedrigschwelligeren Bereich können gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nach Maßgabe des § 38 Abs. 1 WDO unangemessen sein.

Nach diesen Maßstäben bildet ein Beförderungsverbot nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 60 WDO den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Zwar handelt es sich beim Hakenkreuz um ein zentrales Symbol des Nationalsozialismus, dessen öffentliche Verwendung und Verbreitung – wie bereits dargelegt – grundsätzlich strafbewehrt ist. Dem steht in disziplinarrechtlicher Hinsicht eine Verwendung im Dienst und in dienstlichen Anlagen gleich; jedoch wirft die Anschuldigungsschrift dem Soldaten lediglich das Einbringen und Aufbewahren vor.

Das Einbringen und Verwahren ist aber regelmäßig nur eine Vorbereitungshandlung zum Verwenden und Verbreiten. Darauf lag auch hier der Schwerpunkt des tatsächlichen Geschehens, da sich das nicht angeschuldigte vorsätzliche Verwenden der Tasse nur in kleinem Kreis gegenüber zwei Kameraden auf einer Stube abgespielt hat. Für die disziplinare Ahndung des reinen Einbringens und Verwahrens verfassungswidriger Kennzeichen ist ein Beförderungsverbot ausreichend.

 

Entnommen aus NPA, 10/2022, Lz. 252