Rechtsprechung Bayern

Darlegungserfordernis nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO

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Amtliche Leitsätze:

  1. Eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB erfolgt nur dann „unverzüglich“, wenn eine Verzögerung auf sachlichen Gründen beruht. Auf ein der Behörde zurechenbares Verschulden kommt es nicht an (a. A. VGH BW, B. v. 09.11.2020 – 9 S 2421/20 – NVwZ-RR 2021, 437 – 440).
  2. Alleine eine überlange Verfahrensdauer im Vorfeld einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB kann dazu führen, dass der Zweck der Information der Öffentlichkeit nicht mehr erreicht werden kann und die Veröffentlichung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, weil sie die betroffenen Unternehmerinteressen aus Art. 12 Abs. 1 GG unangemessen benachteiligt.

BayVGH, Beschluss vom 04.11.2022, 20 CE 22.2069

Zum Sachverhalt

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung seines Eilantrags gegen eine vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Am 19. Oktober 2021 wurden anlässlich einer Lebensmittelkontrolle im Hofladen des Antragstellers im Kühlraum 17 Käselaibe vorgefunden, die alle, teilweise stark, mit einem schimmelähnlichen Belag behaftet waren. Einer der Käselaibe (mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 07.10.2021) wurde als Verdachtsprobe entnommen und vom LGL mikroskopisch und mikrobiologisch untersucht. Mit Gutachten vom 29. Oktober 2021, das dem Antragsteller ausweislich eines Aktenvermerks am 2. November 2021 eröffnet wurde, stellte das LGL fest, dass der untersuchte Käselaib wegen Verderbs aufgrund des Wachstums von Schimmelpilzen der Gattung Penicillium spp. zum Verzehr durch den Menschen ungeeignet und damit nicht sicher im Sinn von Art. 14 Abs. 2 Buchst. B i. V. m. Art. 5 VO (EG) Nr. 178/2002 sei.

Die Probeentnahme eines weiteren Käselaibes am 2. November 2021 (MHD 02.11.2021) wurde mit Gutachten des LGL vom 17. November 2021 lebensmittelrechtlich identisch beurteilt. Am 22. November 2021 wurde der Antragsteller zu der auf der Grundlage des am 19. Oktober 2021  festgestellten Verstoßes geplanten Veröffentlichung mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 6. Dezember 2021 angehört, verbunden mit der Ankündigung, nach erfolgter Stellungnahme über das Festhalten an der Veröffentlichungsabsicht zu informieren. Auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz innerhalb von sieben Werktagen nach dieser Mitteilung wurde hingewiesen. Nach Ablauf dieser Frist werde die Veröffentlichung erfolgen.

Am 29. November 2021 zeigte sich die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers an, erbat Akteneinsicht und legte nach entsprechend gewahrter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 15.  Dezember 2021 Einwendungen gegen die geplante Veröffentlichung dar. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2021 horte das Landratsamt die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers unter Einbeziehung der Ergebnisse der Probennahme vom 2. November 2021 erneut unter Bekanntgabe eines veränderten Veröffentlichungstextes (Einbeziehung der Probe mit MHD 02.11.2021) mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 4. Januar 2022 an, verbunden mit der Ankündigung, nach erfolgter Stellungnahme über das Festhalten an der Veröffentlichungsabsicht zu informieren. Auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz innerhalb von sieben Werktagen nach dieser Mitteilung wurde hingewiesen. Nach Ablauf dieser Frist werde die Veröffentlichung erfolgen.

Nach Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 4. Januar 2022 kündigte das Landratsamt mit Schreiben vom 11. Januar 2022, in dem es nochmals den Einwendungen des Antragstellers entgegentrat, an, nach Ablauf einer Wartefrist von sieben Tagen ab Zustellung dieses Schreibens die beabsichtigte Veröffentlichung vorzunehmen, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei.

Den am 20. Januar 2022 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. August 2022 ab, der der Prozessbevollmächtigten am 1. September 2022 zugestellt wurde. Bereits mit Schreiben vom 20. Januar 2022 hatte das Verwaltungsgericht die Behörde aufgefordert, bis zu einer gerichtlichen Entscheidung von Zwangsmaßnahmen abzusehen.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2022, der am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof einging, erhob der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2022 wies der Senat darauf hin, dass aufgrund Zeitablaufs wohl nicht mehr von der Unverzüglichkeit der Veröffentlichung ausgegangen werden könne. Der Antragsgegner verwies mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2022 darauf, dass der Antragsteller einen Verstoß gegen die Frist des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB in der Beschwerdebegründung nicht gerügt habe und dass der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bei seiner Prüfung auf die dargelegten Grunde beschränkt sei. Zu einer Verfahrensverzögerung führende, aber nicht der Sphäre des Antragsgegners zuzurechnende Umstande seien grundsätzlich nicht geeignet, die Unverzüglichkeit der Veröffentlichung infrage zu stellen. Dies gelte grundsätzlich auch für die zeitliche Verzögerung, die maßgeblich auf der Zurückstellung der Veröffentlichung seitens der Behörde mit Blick auf das laufende gerichtliche Eilverfahren beruhe (VGH BW a.a.O. Rn. 22).

Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern, 01/2023, S. 22.