Rechtsprechung Bayern

Gerichtsverfassungsgesetz: Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren statthaft

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§§ 40, 123, 173 VwGO; § 17a GVG

(Statthaftigkeit der Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren; Verweisung an die Zivilgerichtsbarkeit; Vertrag zwischen einem Privaten und einer Gebietskörperschaft über den Verkauf eines Grundstücks im Zusammenhang mit dem geplanten Neubau eines Einzelhandelsmarktes entsprechend den Festsetzungen eines Bebauungsplans)

Nichtamtliche Leitsätze:

1. §§ 17 – 17b GVG i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO sind im Grundsatz im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren analog anwendbar.

2. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG ist im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren analog anwendbar. Damit ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichtes statthaft, mit dem dieses einen Rechtsstreit an das Gericht des aus seiner Sicht zuständigen Rechtswegs verwiesen hat.

BayVGH, Beschluss vom 01.02.2022, 22 C 21.2470

Zum Sachverhalt:

Die Beschwerde des Antragstellers richtet sich gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. September 2021, mit dem das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Ansbach verwiesen hat. Der Antragsteller nahm an einem von der Antragsgegnerin initiierten so genannten Investorenwettbewerb in Bezug auf den Neubau eines Einzelhandelsmarktes mit Dienstleistung und/oder Wohnen im Baugebiet G in der Gemarkung D teil. Dem lag ein Schreiben der Antragsgegnerin („Investorenwettbewerb“) zugrunde, das diese dem Antragsteller mit E-Mail vom 1. März 2019 zugesandt hatte.

Das Schreiben nahm auf einen Bebauungsplanentwurf Bezug, der sich im Aufstellungsverfahren befinde, und enthielt unter anderem Angaben zum Baugrundstück (Ausweisung als Mischgebiet, Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl, zu Dach und Firsthöhe), zum Kaufpreis, zur zulässigen Nutzung, zu Lärmschutzmaßnahmen, Verkehr, Bepflanzungen, einer Bauverpflichtung und einem Rückübertragungsrecht der Antragsgegnerin bei Nichterfüllung der Bauverpflichtung.

Weiter heißt es in dem Schreiben unter der Überschrift „Vergabe“, das Angebot müsse zwingend bestimmte Unterlagen (Baubeschreibung etc., Auskunft zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit des Bewerbers) enthalten.

Der Bebauungsplan wurde am 25. Juni 2019 ausgefertigt. Das betroffene Teilgebiet (TG) 1 ist darin als Mischgebiet (MI) ausgewiesen; der Textteil enthält dazu nähere Festsetzungen. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller nach dessen fristgerechter Angebotsabgabe mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 mit, der Stadtrat habe in einer Sitzung vom 16. Oktober 2019 seinen Antrag hinsichtlich bestimmter Kriterien bewertet und beschlossen, seine Konzeption und drei weitere für die nächste Entscheidungsrunde zuzulassen. In der Sitzung des Stadtrates vom 11. Dezember 2019 werde final über die Vergabe an einen der vier Investoren entschieden werden.

Der Stadtrat beschloss in seiner Sitzung vom 11. Dezember 2019, die beste Konzeption sei vom Antragsteller vorgelegt worden. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 mit, der Stadtrat habe das von ihm vorgelegte Konzept als besten Entwurf ausgezeichnet. Es werde gebeten, die Nutzfläche für Gewerbe/Dienstleistung auf maximal 700 m2 zu reduzieren sowie bei den Stellplätzen eine Doppelerschließung vor dem Einzelhandelsmarkt zu vermeiden. Weiter werde gebeten, der Antragsgegnerin einen Vorvertrag mit einem Vollversorger zukommen zu lassen, womit dieser erkläre, dass ein Einzelhandelsmarkt am Standort realisiert werden solle.

Nach weiterem Schriftverkehr und Vorlage von angepassten Unterlagen durch den Antragsteller teilte die Antragsgegnerin diesem auf Nachfrage mit Schreiben vom 8. April 2020 mit, ihm werde versichert, dass die Antragsgegnerin den Erwerb der betroffenen Fläche in Aussicht stelle. Sobald genehmigungsfähige Bauantragsunterlagen vorlägen, werde der Grunderwerb zu den bekannten Konditionen (siehe Ausschreibungsunterlagen Investorenwettbewerb) in die Wege geleitet.

Im Anschluss kam es zu weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten. Mit E-Mail vom 22. Februar 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, es seien immer noch wesentliche Punkte offen, die vor einem Vertragsschluss zu klären seien.

Es werde gebeten, bis zum 1. März 2021 eine verbindliche Zusage des Lebensmittelvollsortimenters, der entsprechend dem Konzept des Antragstellers angesiedelt werde, einen Vorschlag zur dinglichen Sicherung der Vertragsstrafe sowie einen Finanzierungsnachweis zum Gesamtprojekt vorzulegen. Die Aufforderung zur Vorlage der genannten Unterlagen wurde mit Schreiben vom 1. März 2021 unter Fristsetzung bis zu einem geplanten Gesprächstermin im März wiederholt.

Nach weiteren Gesprächen eröffnete die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. März 2021 die Möglichkeit, seine Planung in einer Sondersitzung des Stadtrates am 9. Juni 2021 vorzustellen. Dazu sei die Vorlage verschiedener Unterlagen, unter anderem der in den vorherigen Schreiben genannten, bis zum 17. Mai 2021 erforderlich. Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass ihre Anforderungskriterien mit den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen nicht erfüllt worden seien und von seiner Teilnahme an der Sitzung vom 9. Juni 2021 abgesehen werde.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller schließlich mit, dass sich der Mitbewerber ausgesprochen habe. Maßgeblich dafür seien die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen, städtebauliche Aspekte, die zeitnahe Realisierbarkeit sowie die Plausibilität der Finanzierung. Der Stadtrat habe auch beschlossen, das Grundstück an den Mitbewerber zu verkaufen. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2021 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach einen Antrag nach § 123 VwGO.

Die Antragsgegnerin teilte am 9. Juli 2021 mit, dass das streitgegenständliche Grundstück mit notarieller Urkunde vom 8. Juli 2021 verkauft worden sei. Der Antragsteller beantragte zuletzt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilig zu untersagen, das Grundstück Fl-Nr. 1, Gemarkung D, an einen anderen als den Antragsteller zu vergeben, einen notariellen Kaufvertrag abzuschließen, den notariellen Kaufvertrag Urkunde UR-Nr. 2 des Notars B. mit Sitz in W zu vollziehen oder anderweitig über das streitgegenständliche Grundstück zu verfügen.

Mit Beschluss vom 7. September 2021, den Bevollmächtigten des Antragstellers am gleichen Tag zugestellt, erklärte das Verwaltungsgericht Ansbach den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Ansbach. Mit am 21. September 2021 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schriftsatz legte der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss ein.

 

Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern, 3/2023, S. 94.