Gesetzgebung

Prüfungserleichterungen bei einem wirksamen Tax-Compliance-Management-System

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Durch Art. 1 des unten vermerkten Gesetzes vom 20.12.2022 wurde das „Plattformen-Steuertransparenzgesetz – PStTG“ für die Regelung der Meldepflicht und den automatischen Austausch von Informationen meldepflichtiger Plattformbetreiber geschaffen, der automatische Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten durch Änderungen im EU-Amtshilfegesetz verbessert und die Außenprüfung durch zahlreiche Änderungen der Abgabenordnung (AO) und das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) beschleunigt. Das Gesetz trat (mit Ausnahmen) zum 1.1.2023 in Kraft.

1. Anpassung der Verwaltungspraxis

Die Einführung des § 38 EGAO (Erprobung von alternativen Prüfungsmethoden) fußt unter anderem auf der bayerischen Verwaltungspraxis. Seit dem Jahr 2021 werden in Bayern von den Finanzbehörden an größere Unternehmen detaillierte Fragebögen verschickt, die den Umfang (Steuerarten, Prozesse, Unternehmensbereiche), den Reifegrad sowie Prüfungen (Angemessenheit und Wirksamkeit) des implementierten Steuerkontrollsystems erfragen. Auf dieser Basis startete die bayerische Finanzverwaltung ein Pilotprojekt[1] zur Einbeziehung von modernen Steuerkontrollsystemen der Unternehmen in die steuerliche Betriebsprüfung mit dem Ziel, dass Steuerprüfungen – im Gegenzug zu vollständiger Transparenz – effizienter und schneller durchgeführt werden. In das Pilotprojekt wurden zwei Großunternehmen einbezogen.

Durch § 38 EGAO werden nun bundesweit bis 1.1.2030 auf Antrag alternative Prüfungsmethoden erprobt. Die alternativen Prüfungsmethoden und die daraufhin zugesagten Prüfungserleichterungen sind von den Landesfinanzbehörden zu evaluieren und die Evaluierungsergebnisse dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) bis zum 30.6.2029 mitzuteilen (§ 38 Abs. 3 EGAO).

2. Erleichterungen bei der Betriebsprüfung durch Steuerkontrollsysteme

In § 38 Abs. 1 EGAO wird Folgendes geregelt:

„Soweit im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen … die Wirksamkeit eines von ihm eingesetzten Steuerkontrollsystems hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die Steuern und gesonderten Feststellungen besteht, kann die Finanzbehörde im Benehmen mit dem Bundeszentralamt für Steuern dem Steuerpflichtigen auf Antrag unter dem Vorbehalt des Widerrufs für die nächste Außenprüfung … Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen, dass keine Änderungen der Verhältnisse eintreten. Der Steuerpflichtige hat Veränderungen des Kontrollsystems zu dokumentieren und sie der Finanzbehörde unverzüglich schriftlich oder elektronisch mitzuteilen.“

Das Steuerkontrollsystem wird nach Auffassung der Finanzverwaltung (§ 38 Abs. 2 EGAO) wie folgt definiert:

„Ein Steuerkontrollsystem umfasst alle innerbetrieblichen Maßnahmen, die gewährleisten, dass

  1. die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt werden

sowie

  1. die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden.

Das Steuerkontrollsystem muss die steuerlichen Risiken laufend abbilden.“

Damit werden die Grundzüge eines sog. „Steuerkontrollsystems“ durch die Finanzverwaltung erstmals gesetzlich definiert. Systeme, die die Einhaltung von Recht und Gesetz (im Unternehmen) sicherstellen, werden in der Literatur als Compliance-Managementsysteme bezeichnet. lm Bereich der Steuern hat sich bisher die Bezeichnung „Tax-Compliance-Managementsystem“ (TCMS) – geprägt durch den grundlegenden Prüfungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance-Management-Systemen (IDW PS 980) – durchgesetzt. Der Prüfungsstandard kann in praxi als Arbeitsanleitung für die Ausgestaltung eines TCMS herangezogen werden.

3. Ein wirksam eingerichtetes Steuerkontrollsystem gilt als Indiz gegen einen bedingten Vorsatz

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die nun vorliegende Definition eines Steuerkontrollsystems auch für die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23.5.2016 (BStBl I 2016 S. 490) genannten Sachverhalte Bedeutung erlangt.

Das BMF-Schreiben erläutert u. a., wie die verpflichtende Berichtigung einer objektiv unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung (§ 153 AO – Berichtigung von Erklärungen) von einer Selbstanzeige (§ 371 AO – Steuerhinterziehung, § 378 Abs. 3 AO – leichtfertige Verkürzung) abzugrenzen ist. Laut Nr. 2.5 S. 6 des Schreibens kann die Einrichtung eines Steuerkontrollsystems „ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann“, wenn sich nachträglich herausstellt, dass Steuererklärungen unrichtig oder unvollständig sind. Aufgrund der Indizwirkung kann die Anzeige als Berichtigung (§ 153 AO) und nicht als Selbstanzeige (§ 371 AO) ausgelegt werden. Die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung behält sich das BMF allerdings ausdrücklich vor.

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20.12.2022 (BGBl I S. 2730)

 

Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern 7/2023, Rn. 63.

[1] Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Finanzen und Heimat vom 24.02.2022; Füracker: Vertiefte Einbeziehung der Unternehmens-Compliance in die Steuerprüfung