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Ausgewählte Probleme der Unparteilichkeit der handelnden Amtsträger im nicht förmlichen Verwaltungsverfahren

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Als Teil der vollziehenden Gewalt sind die Behörden an Gesetz und Recht gebunden. Eine entsprechende Verpflichtung folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG[1], der u. a. den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung postuliert. Daneben wird die unmittelbare Verbindlichkeit der Grundrechte in Art. 1 Abs. 3 GG besonders herausgestellt. Deshalb strebt die Verwaltung danach, nicht nur inhaltlich, sondern auch formell rechtmäßige Verwaltungsakte zu erlassen. Insoweit muss die Verwaltung neben der Zuständigkeit auch die bestehenden Verfahrensvorschriften beachten. Diese besitzen eine dienende Funktion[2] und haben keinen Selbstzweck. Durch die Festlegung eines geordneten Verfahrens soll die Gewinnung von rechtlich einwandfreien und sachlich angemessenen Entscheidungen gefördert und damit die richtige Anwendung des materiellen Rechts gewährleistet werden.

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Besondere Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang die Unparteilichkeit der handelnden Amtsträger im Verwaltungsverfahren. Diese gründet letztlich auf das Rechtsstaatsprinzip.[3]

Ein rechtsstaatlich geordnetes Verfahren ist nur dann gewährleistet, wenn die mitwirkenden Amtsträger dem Ausgang des Verfahrens und den Verfahrensbeteiligten unbefangen gegenüberstehen und ihre Entscheidungen nicht auf sachfremde oder willkürliche Erwägungen stützen. Das Verfahren soll sich allein an Recht und Gesetz orientieren. Eine Pflicht zur unparteiischen Durchführung von Verwaltungsverfahren lässt sich darüber hinaus auch aus den Grundrechten der Beteiligten ableiten.[4] Insoweit gewinnt auch der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende allgemeine Gleichheitssatz Bedeutung, der verhindern soll, dass Behördenbedienstete einzelne Beteiligte aus parteilichen Gründen bevorzugen oder benachteiligen.[5] Dem tragen im Verwaltungsverfahren im Geltungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes[6] v. a. die Art. 20 und 21 BayVwVfG[7] Rechnung. Nicht förmliche Verwaltungsverfahren sind nach Art. 9 BayVwVfG auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet und umfassen diese abschließenden Rechtsakte. Bei einer quantitativen Betrachtungsweise steht die Handlungsform des Verwaltungsaktes im Vordergrund. Wenn die fragliche Maßnahme nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, scheidet die Anwendung von Art. 20 und 21 BayVwVfG aus. Dies betrifft v. a. behördliche Realakte, die nicht auf einen rechtlichen, sondern auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind.[8]

Art. 20 und 21 BayVwVfG sichern das Unbefangenheitsprinzip v. a. im Interesse der betroffenen Bürger. Hierdurch wird das Vertrauen in die Verwaltung und die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen gefördert. Der Bürger soll sich darauf verlassen können, dass sich das Handeln der Behörde ausschließlich am geltenden Recht orientiert und von sachwidrigen Einflüssen frei ist. Zugleich schützen die genannten Bestimmungen die Belange der öffentlichen Verwaltung im Falle einer Kollision ihrer Interessen mit denen eines Amtsträgers und bewahren Letzteren schließlich selbst vor Konflikten. So sollen Interessenkollisionen ausgeschlossen werden.

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Die Prüfungsreihenfolge ist bei den genannten Bestimmungen nicht beliebig, was v. a. bei der Anfertigung von Ausbildungs- und Prüfungsklausuren teilweise übersehen wird. Beide Bestimmungen ergänzen sich. Art. 20 BayVwVfG normiert einen gesetzlichen Ausschluss und ist daher als strengere Vorschrift vorrangig zu prüfen mit der Folge, dass Art. 21 BayVwVfG nicht zur Anwendung kommt, wenn ein Amtsträger schon aus Gründen des Art. 20 BayVwVfG vom Verfahren ausgeschlossen ist.[9] Art. 21 BayVwVfG hat eine Auffangfunktion[10] für die Fallgruppen, die nicht von Art. 20 BayVwVfG erfasst werden und damit keinem Betätigungsverbot kraft Gesetzes unterliegen, gleichwohl aber Zweifel an der Unparteilichkeit des Amtsträgers wecken.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in apf Bayern 4/2023, S. 25.

[1] GG für die Bundesrepublik Deutschland vom 24.05.1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.06.2022 (BGBl. I S. 968).

[2] Dazu BVerwGE 92, 258/261; BVerfGE 105, 48/60 f.

[3] So etwa Ziekow, Kommentar zum VwVfG, 4. Aufl. 2020, § 20 Rn. 1; Ritgen, in: Knack/Henneke, Kommentar zum VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 20 Rn. 6; Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Kommentar zum VwVfG (Stand: Juli 2020), § 20 Rn. 19; Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 21. Aufl. 2021, § 20 Rn. 6.

[4] Vgl. Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 21. Aufl. 2021, § 20 Rn. 6.

[5] Dazu Fehling, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 7.

[6] So bestehen bspw. Sonderregelungen für Verwaltungsverfahren vor den Finanzbehörden. Verwiesen sei hier nur auf § 82 f. AO (Abgabenordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 01.10.2002 (BGBl. I S. 3866), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2022 (BGBl. I S. 1142)).

[7] Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayRS 2010-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.03.2020 (GVBl. S. 174).

[8] Ebenso Fehling, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 19.

[9] Vgl. dazu Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 20 Rn. 9.

[10] So ausdrücklich Wolff/Decker, Studienkommentar VwGO/VwVfG, 3. Aufl. 2012, § 20 Rn. 4; Ziekow, Kommentar zum VwVfG, 4. Aufl. 2020, § 21 Rn. 1; Fehling, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 20 Rn. 11.