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Pflicht der Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten

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Hierzu hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) im unten vermerkten Beschluss vom 13.9.2022 geäußert. Der Beschluss hatte zunächst – nach Vorliegen der Pressemitteilung – für einiges Aufsehen gesorgt. Nach Bekanntgabe der Entscheidungsgründe gibt der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV) „Entwarnung“.

Er berichtet über die Entscheidung und die zu ziehenden Schlussfolgerungen in seinem unten vermerkten Rundschreiben vom Dezember 2022 wie folgt:

1. Sachverhalt

Betriebsrat und Arbeitgeber streiten sich darüber, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung im Betrieb gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zusteht. Die Arbeitgeber lehnen ein solches Initiativrecht ab. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben.

Das BAG bestätigt mit dem Beschluss die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG über die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zu. Ebenso steht dem Betriebsrat kein Initiativrecht hinsichtlich der Ausgestaltung einer solchen (elektronischen) Zeiterfassung zu. Diesen Antrag hatte der Betriebsrat offenbar hilfsweise – zumindest in der mündlichen Verhandlung – gestellt.

2. Gründe

Mit seiner Entscheidung setzt sich das BAG eindringlich mit dem Meinungsstand zum Verhältnis des Arbeitsschutzgesetzes zum Arbeitszeitgesetz auseinander. Im Ergebnis sieht das Gericht das Arbeitszeitgesetz als spezieller an. Allerdings sieht es zwischen Arbeitszeitgesetz und Arbeitsschutzgesetz kein Verhältnis exklusiver Spezialität. Zwar könne man das Arbeitszeitgesetz nicht in einem Sinne auslegen, dass es eine generelle Erfassungspflicht gibt. Aus dem Arbeitsschutzgesetz lasse sich in Anlehnung an den EuGH vom 19.5.2019 allerdings ableiten, dass die Arbeitgeber verpflichtet seien, ein System einzuführen, mit dem sämtliche Arbeitszeiten im Gemeinschaftsbetrieb erfasst werden können. Hierzu zähle die Erfassung von Beginn, Ende und damit Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden.

Eine solche Verpflichtung schließe einen Anspruch des Betriebsrats auf Mitbestimmung und vor allem auf Initiative der Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems gestützt auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG aus. Ein Initiativrecht bezogen auf das ,Wie‘ einer (elektronischen) Arbeitszeiterfassung folge auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Der Arbeitgeber hat vielmehr ein weites Ermessen bzgl. der Art und Weise der Durchführung der Erfassung bzw. der Bereitstellung. So könnte er weiterhin die Arbeitszeitaufzeichnung delegieren. Auch eine nicht elektronische Form der Arbeitszeiterfassung bleibe möglich.

3. Folgen der Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht verneint gestützt sowohl auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 wie Nr. 7 BetrVG ein Initiativrecht des Betriebsrats auf Einführung, aber auch auf Art und Weise der Durchführung einer Arbeitszeiterfassung, soweit diese elektronisch durchgeführt werden soll. Ein Initiativrecht oder eine Aufzeichnungspflicht könne auch nicht aus der Grundrechte-Charta abgeleitet werden. Der Senat stellt darüber hinaus umfangreiche weitere Erwägungen an.

Bei der Ausgestaltung der Erfassung von Arbeitszeit bleibt auch auf der Grundlage des Beschlusses ein sehr weiter Gestaltungsspielraum für die Arbeitgeber. Das BAG bestätigt nicht nur die Möglichkeit der Delegation, es bestätigt darüber hinaus die Möglichkeit, Art und Weise der Aufzeichnung (z. B. Schriftform) zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend durch den Arbeitgeber zu bestimmen. Auch zum Zeitpunkt der Aufzeichnung enthält der Beschluss keine weiteren Vorgaben. Bei der Auswahl der Form der Arbeitszeiterfassung sind – bis eine gesetzliche Regelung Feststellungen trifft – vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seiner Größe – zu berücksichtigen.

Das BAG bestätigt darüber hinaus die geltenden Ausnahmebestimmungen in den §§ 18 bis 21 ArbZG. Es erklärt diese für den konkreten Sachverhalt nicht für einschlägig. Aus diesem Grunde sei auch nicht entscheidungserheblich, inwieweit diese Vorschriften den unionsrechtlichen Anforderungen entsprechen.

4. Zusammenfassung

Es bleibt festzustellen, dass auch auf der Grundlage des BAG-Beschlusses den Arbeitgebern ein weiter Entscheidungsspielraum bei der Arbeitszeiterfassung bzw. dem Zurverfügungstellen eines Systems der Arbeitszeiterfassung verbleibt. Insbesondere verbleiben Delegation, Art und Zeitpunkt der Aufzeichnung nach geltender Rechtlage im Ermessen der Arbeitgeber.

Es ist davon auszugehen, dass das Bundesarbeitsministerium die Entscheidung zum Anlass eines Dialogs nehmen und einen Gesetzgebungsprozess aufsetzen wird. Bis zur Verabschiedung eines Änderungsgesetzes bleibt es dabei, dass keine Verpflichtung besteht, ein elektronisches System der Arbeitszeiterfassung einzuführen. Die bisherigen Ausnahmetatbestände der §§ 18 ff. des ArbZG bleiben bestehen.“

Anmerkung

In einem weiteren Rundschreiben vom Dezember 2022 – Nr. A 13/ 2022 gibt der KAV noch zusätzliche Erläuterungen zur Entscheidung des BAG.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.9.2022 – 1 ABR 22/21

Rundschreiben des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern vom Dezember 2022 – Nr. A 12/2022 S. 2

Entnommen aus Fundstelle Bayern 7/2023, Rn 72