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Bewerbungsunterlagen im kommunalen Ratsinformationssystem

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Im Berichtszeitraum 2021 hat eine bayerische Gemeinde den Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz (BayLfD) gefragt, ob sie im Rahmen von Bewerbungsverfahren zur Sitzungsvorbereitung allen Mitgliedern des Gemeinderats den Zugriff auf Bewerbungsunterlagen durch Einstellen in das elektronische Ratsinformationssystem ermöglichen darf. Der BayLfD führte zu dieser für die Personalverwaltungspraxis aller bayerischen Kommunen bedeutsamen Frage in seinem unten vermerkten 31.  Tätigkeitsbericht 2021 vom 25.5.2022 unter Nr. 8.6 Folgendes aus:

„Die Zulässigkeit einer solchen Datenverarbeitung richtet sich nach Art. 103 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG), der gemäß Art. 145 Abs. 2 BayBG auch auf die nicht-verbeamteten Beschäftigten des bayerischen öffentlichen Dienstes im Grundsatz entsprechend anzuwenden ist. Gemäß Art. 103 Satz 1 Nr. 1 BayBG darf der Dienstherr personenbezogene Daten über Bewerber und Bewerberinnen sowie aktive und ehemalige Beamte und Beamtinnen verarbeiten, soweit dies zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere zu Zwecken der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft, erforderlich ist. Soweit die Entscheidung über die Einstellung einer Bewerberin oder eines Bewerbers gemäß Art. 43 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO) in der Zuständigkeit des Gemeinderats liegt, kann eine Information seiner Mitglieder über die Bewerbungen vom Grundsatz her auf Art. 103 BayBG – gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 145 Abs. 2 BayBG – gestützt werden.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass beliebig Bewerbungsdaten bekannt gegeben werden dürfen. Maßgebend ist insoweit das Kriterium der ,Erforderlichkeit‘. Für die Beurteilung der Erforderlichkeit im Einzelfall ist dabei entscheidend, dass es sich bei Personalangelegenheiten um besonders sensible – und daher auch von Gesetzes wegen grundsätzlich in nicht-öffentlicher Sitzung zu behandelnde – Beratungsgegenstände handelt (vgl. Art. 52 Abs. 2 GO). Datenverarbeitungen sind entsprechend dem Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO auf das zur Erreichung des konkreten Verarbeitungszwecks notwendige Maß zu begrenzen.

In Übereinstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vertrete ich die Auffassung, dass Sitzungsunterlagen zu derartigen Tagesordnungspunkten nicht mit der Tagesordnung versandt werden dürfen. Aus Datenschutzsicht ist es in Personalangelegenheiten vielmehr regelmäßig angezeigt, erforderliche Unterlagen lediglich für die Dauer der Sitzung als – möglichst nummerierte – Tischvorlagen zur Verfügung zu stellen und anschließend wieder einzusammeln. Zur Aufgabenerfüllung des Gemeinderats ist es demgegenüber nicht erforderlich, dass dessen Mitglieder Sitzungsunterlagen über Personalangelegenheiten – etwa postalisch oder elektronisch – schon zusammen mit der Tagesordnung erhalten. Hier besteht die Gefahr, dass in den Sitzungsunterlagen enthaltene vertrauliche Informationen unbefugt an Dritte gelangen oder weitergegeben werden können (vgl. meinen 21. Tätigkeitsbericht 2004 unter Nr. 16.2 am Ende). Zur Frage des Akteneinsichtsrechts des Gemeinderats und seiner Mitglieder habe ich mich an anderer Stelle ausführlich geäußert.1)

Da die Einführung von Bewerbungsunterlagen in die Gemeinderatssitzung ,auf analogem Wege‘ allenfalls im Rahmen temporärer Tischvorlagen in Betracht kommt, scheidet schon aus diesem Grund die Einstellung in ein elektronisches Ratsinformationssystem aus. Probleme ergäben sich hier insbesondere auch dadurch, dass die Unterlagen heruntergeladen und offline verwendet werden könnten, so dass die Gefahr der Reproduzierbarkeit und unbefugter Zugriffe gegeben wäre, die durch die Beschränkung auf Tischvorlagen minimiert wird. Die Begrenzung der Datenverarbeitung auf das zu Zwecken der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft Erforderliche gemäß Art. 103 Satz 1 Nr. 1 BayBG könnte mit der Datenbereitstellung im elektronischen Ratsinformationssystem nicht sichergestellt werden. Der Gemeinderat ist vielmehr angehalten, seine Aufgaben ohne überschießende Datenverarbeitung zu erfüllen. Im Rahmen einer Güterabwägung ist das Interesse der betroffenen Person an der vertraulichen Behandlung ihrer sensiblen Daten dem Interesse des Gemeinderats an einer Verfahrensvereinfachung vorzuziehen.

Insoweit halte ich es für nicht erforderlich im Sinne von Art. 103 Satz 1 BayBG, zur Sitzungsvorbereitung von Gemeinderatsmitgliedern Bewerbungsunterlagen in das elektronische Ratsinformationssystem einzustellen.“

31. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 25.5.2022, im Internet abrufbar unter https://www.datenschutzbayern.de in der Rubrik „Tätigkeitsberichte“

1) Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, Datenschutz für bayerische Gemeinderatsmitglieder, 2020, Frage 16, Internet: https://www.datenschutz-bayern.de, Rubrik „Broschürenbestellung“.

Entnommen aus Fundstelle Bayern 8/2023, Rn. 85.