Rechtsprechung Bayern

Nachbarantrag: Hochwasserschutz in vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten

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Ein Grundstückseigentümer klagt gegen eine erteilte Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus mit zwei Stellplätzen und Geländeaufschüttungen mit Stützmauer. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt.

§ 35 BauGB; §§ 78, 78a WHG

(Nachbarantrag; Drittschutz; Hochwasserschutz; Spezialität der wasserrechtlichen Regelungen zum Hochwasserschutz)

Nichtamtliche Leitsätze
  1. Der Hochwasserschutz ist in Baugebieten nach § 34 oder § 35 BauGB über das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot auch dann zu prüfen, wenn es sich um Vorhaben in festgesetzten oder in vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten (§ 76 Abs. 2 und 3 WHG) handelt.
  2. Liegen die engen Voraussetzungen für eine Ausnahme von den Verboten der §§ 78 und 78a WHG vor, dürfte aus tatsächlichen Gründen eine unzumutbare Verschärfung der Hochwassergefahr für die Nachbarschaft und damit ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot regelmäßig ausscheiden. BayVGH, Urteil vom 14.02.2023, 9 BV 21.833 (rechtskräftig)
Zum Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus mit zwei Stellplätzen und Geländeaufschüttungen mit Stützmauer. Er ist Eigentümer des südwestlich des Baugrundstücks (Flur- Nr. 1 Gemarkung G) gelegenen Grundstücks Flur-Nr. 2, auf dem er in einem denkmalgeschützten Mühlengebäude eine Wasserkraftanlage betreibt. Beide Grundstücke liegen im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet der G (Gewässer 2. Ordnung), das die Beklagte am 6. August 2014 bekannt gemacht hat.

Die damalige Grundstückseigentümerin beantragte für das streitgegenständliche Bauvorhaben sowie für die Errichtung fünf weiterer Wohngebäude am 1. Februar 2012 einen Vorbescheid. Den Planungen lag ein mit der Beklagten und dem Wasserwirtschaftsamt N abgestimmtes Ausgleichskonzept (sog. „Rahmenplan“) zugrunde. Für die Bauvorhaben sowie für die notwendige private Erschließungsstraße wurde ein Retentionsraumverlust in der Größenordnung von 1150 m3 ermittelt, der durch die Anlegung eines etwa 850 m3 messenden Retentionsbeckens auf dem Grundstück Flur-Nr. 3 sowie durch Retentionsflächen auf einzelnen Baugrundstücken ausgeglichen werden sollte. Laut Gutachten des Wasserwirtschaftsamts vom 17. Juni 2014 bestanden keine Einwendungen gegen die Vorgehensweise.

Mit Bescheid vom 3. März 2016 erteilte die Beklagte – in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt – für die Einleitung von Niederschlagswasser von den Vorhabengrundstücken (u. a. für Flur-Nr. 4) in die G eine widerrufliche, beschränkte Erlaubnis, die durch Bescheid vom 15. November 2018 neu gefasst wurde. Die dagegen vom Kläger erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 22. Februar 2021 abgewiesen (AN 9 K 18.596). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den klägerischen Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. August 2021 (8 ZB 21.1100) abgelehnt.

Für die Errichtung der Privatstraße zur Erschließung der sechs Wohngebäude sowie für die Geländeveränderungen auf den Baugrundstücken erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2019 die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 und § 78a Abs. 2 WHG. Die dagegen vom Kläger erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 22. Februar 2021 abgewiesen (AN 9 K 19.494). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den klägerischen Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 10. August 2021 (8 ZB 21.1330) abgelehnt.

Auf Antrag des Beigeladenen erteilte die Beklagte für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Carport auf dem Baugrundstück mit Bescheid vom 16. April 2019 eine Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG. In den Auflagen wurde auf die Pflicht zur Herstellung eines Retentionsbeckens gemäß dem Bescheid vom 4. Februar 2019 verwiesen.

Mit Bescheid vom 30. Dezember 2019 wurde dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit zwei Stellplätzen und Geländeaufschüttungen mit Stützwand erteilt.

Der Kläger hat am 31. Januar 2020 Anfechtungsklage erhoben mit dem Antrag, diese Genehmigung aufzuheben. Am 3. Februar 2020 hat er vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 16. April 2020 abgelehnt (AN 9 S 20.187). Die dagegen erhobene Beschwerde hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17. Juli 2020 (9 CS 20.1250) zurückgewiesen. Die Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 1. Februar 2021 abgewiesen und zugleich die Berufung zugelassen.

[…]

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern 14/2023, S. 487.

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