Rechtsprechung Bayern

Normenkontrollantrag gegen eine Wasserschutzgebietsverordnung

Blaues Schild mit Piktogramm eines Wassertransporters, darunter Schriftzug "Wasserschutzgebiet", im Hintergrund Landschaft
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Dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12.7.2022 lag ein Normenkontrollantrag vom gegen eine Wasserschutzgebietsverordnung zugrunde. Der Antragsteller ist mit seiner Ehefrau Gesamthandseigentümer von Grundstücken, die teilweise in der Schutzzone III des Wasserschutzgebiets liegen. Die Grundstücke gehören zu einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Viehhaltung. Der VGH erachtete den Normenkontrollantrag für unzulässig.

1. Keine (alleinige) Prozessführungsbefugnis bei Gesamthandseigentum

„Der Antragsteller ist nicht (alleine) prozessführungsbefugt. Ihm steht das Eigentum an den im Wasserschutzgebiet liegenden Grundstücken, auf das er seine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO stützt, nur gemeinsam mit seiner Ehefrau zu. Im Grundbuch …sind als Eigentümer der Grundstücke FlNrn. …der Antragsteller und seine Ehefrau ,in Gütergemeinschaft‘ eingetragen. Die Eheleute leben in Gütergemeinschaft (vgl. §§ 1415 ff. BGB). Die im Schutzgebiet liegenden Grundstücke gehören zum gesamthänderisch gebundenen gemeinschaftlichen Vermögen beider Ehegatten (Gesamtgut, vgl. §§ 1416, 1419 BGB). Der Antragsteller und seine Ehefrau haben nach eigener Aussage keine Vereinbarung zur Verwaltung des Gesamtguts getroffen; dieses wird somit gemeinschaftlich verwaltet (vgl. § 1421 Satz 2, § 1450 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Aktivprozesse über das Gesamtgut sind von beiden Ehegatten gemeinsam zu führen, soweit nicht ein – hier nicht geltend gemachter – gesetzlicher Ausnahmetatbestand vorliegt (vgl. Thiele in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, § 1450 Rn. 28; Völker in Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders, BGB/Familienrecht, 4. Aufl. 2021, § 1450 Rn. 13). Dies gilt auch im Fall einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO gegen eine Wasserschutzgebietsverordnung, mit der die Nutzbarkeit von Grundstücken eingeschränkt wird, die dem Gesamtgut zugehören. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann in solchen Fällen auf eine mögliche Verletzung des Gesamthandseigentums infolge rechtswidriger Nutzungseinschränkungen gestützt werden, die Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.9.2005 – 1 BvR 1161/03 – NVwZ 2005, 1412 = juris Rn. 22; BVerwG, Beschluss vom 30.9.19961) – 4 NB 31.96 u.a. – ZfBR 1997, 94 = juris Rn. 39).

Die Prozessführungsbefugnis steht dann beiden Ehegatten gemeinsam zu; ein Ehegatte ist als Gesamthandseigentümer nicht alleine prozessführungsbefugt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – BayVBl 2018, 596 …). Ein Normenkontrollantrag, bei dem sich der Antragsteller auf ein Recht beruft, das ihm nicht oder nur gemeinsam mit anderen zusteht, ist unzulässig (vgl. Czybulka/Siegel in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 62 Rn. 9 …).“

2. Keine gewillkürte Prozessstandschaft im Normenkontrollverfahren

„Die von der Ehefrau des Antragstellers am 11.4.2022 erteilte ,Ermächtigung zur Prozessführung‘, die mit Schriftsatz der Antragstellerseite vom 27.4.2022 vorgelegt wurde, führt nicht zur Zulässigkeit des Normenkontrollantrags. Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist im Normenkontrollverfahren durch die Regelung in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen.

Bei der gewillkürten Prozessstandschaft handelt es sich um die Übertragung der Prozessführungsbefugnis auf einen anderen als den Rechtsinhaber (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.2.1981 – 6 P 20.80 – BVerwGE 61, 334 = juris Rn. 22; BGH, Urteil vom 21.3.1985 – VII ZR 148/83 – BGHZ 94, 117 = juris Rn. 18). lm Verwaltungsprozess wird sie zumindest in solchen Verfahren als unzulässig erachtet, die die Geltendmachung einer eigenen Rechtsverletzung voraussetzen (vgl. Czybulka/Siegel in Sodan/Ziekow, VwGO, § 62 Rn. 21 …). Dies gilt wegen § 42 Abs. 2 VwGO insbesondere für Anfechtungsklagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.1995 – 3 C 27.94 – NVwZ-RR 1996, 537 = juris Rn. 19).

Auch § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sieht eine gewillkürte Prozessstandschaft nicht vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.20182) – 10 CN 1.17 – BVerwGE 162, 284 = juris Rn. 22; BayVGH, Beschluss vom 17.5.2021 – 15 N 20.2904 – BayVBl 2022, 165 = juris Rn. 23). Die antragstellende Person muss geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung ,in ihren Rechten‘ verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Der Gesetzgeber hat die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (BGBl l 1996, S. 1626) an die Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 VwGO angepasst.

Dafür spricht nicht nur der Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, der sich an die Formulierung in § 42 Abs. 2 VwGO anlehnt, sondern auch die Gesetzesbegründung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.3.1998 – 4 CN 6.97 – NVwZ 1998, 732 = juris Rn. 12). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte durch die Neuregelung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gewährleistung des Individualrechtsschutzes als Zulassungsvoraussetzung ein stärkeres Gewicht erhalten (vgl. BT-Drs. 13/3993 S. 10; BT-Drs. 13/5098 S. 2). Aufgrund dieser inhaltlichen Übereinstimmung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO mit § 42 Abs. 2 VwGO scheidet eine gewillkürte Prozessstandschaft im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO ebenfalls aus (vgl. Panzer bzw. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Juli 2021, § 47 VwGO Rn. 47, Rn. 148 zu § 47 Abs. 6 VwGO …).

Darüber hilft auch nicht hinweg, dass der Antragsteller kein fremdes Recht beliebiger Dritter verfolgt, sondern Eigentümerrechte am Gesamtgut, die ihm als Mitglied der ehelichen Gütergemeinschaft gemeinschaftlich mit seiner Ehefrau gesamthänderisch zustehen (so auch BayVGH, Beschluss vom 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – BayVBl 2018, 596 = juris Rn. 16; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.2.2015 – 7 C 11.12 –BVerwGE 151, 213 = jurisRn. 15 zur Miterbengemeinschaft; Beschluss vom 15.4.2010 – 4BN41.09 – ZfBR 2010, 583 = jurisRn. 4 zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Zweck des § 42 Abs. 2 VwGO, an den sich § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO anlehnt (vgl. oben …), ist nicht nur der Ausschluss der Popularklage, mit der sich der Kläger zum Sachwalter der Allgemeinheit oder einzelner anderer (Dritter) macht.

Gleichfalls ausgeschlossen sind ,Interessentenklagen‘, mit denen keine Verletzung eigener Rechte, sondern die nachteilige Betroffenheit materieller oder sonstiger Interessen geltend gemacht wird … Die Tatsache, dass der Antragsteller Mitglied der Gesamthandsgemeinschaft ist, der die im Wasserschutzgebiet liegenden Grundstücke der Eheleute zugehören (Gesamtgut), genügt deshalb nicht (vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 22.8.2017 – 1 ZB 15.289 – juris Rn. 6; Czybulka/Siegel in Sodan/ Ziekow, VwGO, § 62 Rn. 9); sie verhilft ihmnicht dazu, (Allein-)Inhaber des Eigentumsrechts zu sein.

Der Vorhalt des Antragstellers, er könne sich selbst auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG stützen, greift zu kurz. Schutzfähige Rechtsposition, auf die sich der Antragsteller berufen kann, ist nicht das Eigentum an den im Wasserschutzgebiet liegenden Grundstücken selbst, sondern seine diesbezügliche Rechtsstellung als Mitglied einer Gesamthandsgemeinschaft mit seiner Ehefrau (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010 – 1 BvL 8/07 – BVerfGE 126, 331 = juris Rn. 84 …). Art. 19 Abs. 4 GG ist insoweit durch die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Prozessführung und – in den gesetzlichen Ausnahmefällen – auch alleinigen Prozessführung eines Ehegatten (vgl. oben …) genügt.“

[…]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 16/2023, Rn. 161.