Rechtsprechung Bayern

Rechtmäßigkeit einer Einbeziehungssatzung

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte sich im vorliegenden Fall mit einem Normenkontrollantrag zu beschäftigen. Der Kläger beanstandete die Änderung einer Einbeziehungssatzung im Kontext von unmittelbar zu seinem Grund angrenzenden Nachbargrundstücken. Aus seiner Sicht würde die Bebauung der Grundstücke zu erheblichen Nachteilen seinerseits führen. Der Antrag blieb ohne Erfolg.

Dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 01.12.2022 lag folgender Sachverhalt zugrunde

Der Antragsteller wendet sich mit der Normenkontrolle gegen die Änderung einer Einbeziehungssatzung, von der eine Reihe benachbarter Grundstücke betroffen ist. Sein Grundstück selbst liegt nicht im Bereich der Einbeziehungssatzung. Er ist der Auffassung, dass der vorliegende Flächennutzungsplan das betroffene Gebiet als landwirtschaftliche Fläche ausweise. Die Flächen seien nach dem Flächennutzungsplan nicht bebaubar. Für den Kläger entstünden Nachteile, da seine Rechte als Eigentümer eines Grundstücks in einem faktischen reinen Wohngebiet erheblich beeinträchtigt würden.

Die angefochtene Satzung verbinde zwei Gebiete mit unterschiedlicher tatsächlicher Nutzung im Sinn der Baunutzungsverordnung. Hierdurch würden nachbarschützende Belange verletzt. Durch die neue Bebauung und dadurch entstehende Verdichtung des Gebiets von landwirtschaftlicher Fläche im Baugebiet finde eine erhöhte Belästigung durch Lärm beim Antragsteller statt. Zusätzlich werde seine rechtliche Situation gegenüber dem Freistaat Bayern betreffend den Lärmschutz gegen die BAB 8 erheblich beeinträchtigt. Die Bebauungsdichte sei nicht mit der bestehenden Bebauung des angrenzenden Dorfgebiets in Einklang zu bringen. Die Fläche liege in einem überschwemmungsgefährdeten Gebiet. Der Antrag blieb ohne Erfolg, der VGH führt Folgendes aus:

1. Die Entscheidung über einen Normenkontrollantrag setzt nicht zwingend eine mündliche Verhandlung voraus

„Der Senat kann nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, auch wenn der Antragsteller nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet hat (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.11.2017 – 6BN2.17 – NVwZ 2018, 340). Insbesondere liegt hier kein Verstoß gegen § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) vor, die innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes gilt. Nach § 47Abs. 5 Satz 1VwGO entscheidet der VGH durch Urteil oder, wenn er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluss. Darüber, ob eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, entscheidet der VGH nach richterlichem Ermessen… Dieses Verfahrensermessen wird jedoch durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eingeschränkt.

Danach hat jedermann einen Anspruch darauf, ,dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat‘. Unstreitig erstreckt sich dies nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203)[1] grundsätzlich auch auf die Entscheidung über die Gültigkeit einer bauleitplanerischen Satzung nach § 47 Abs. 5 VwGO, da das Recht am Grundeigentum zu den ,zivilrechtlichen‘ Ansprüchen im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zählt.

Eine solche Satzung stellt eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die nur hingenommen werden muss, wenn sie auf einer rechtmäßigen Norm beruht. Aufgrund dieser eigentumsgestaltenden Wirkung der Satzung kann sich dieser in vergleichbarer Weise unmittelbar auf das Grundeigentum auswirken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich ein im Plangebiet befindlicher Eigentümer gegen eine sein Grundstück betreffende Festsetzung wehren möchte (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203).

Ob allerdings eine Betroffenheit eines Grundeigentümers außerhalb des Plangebiets im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eine mündliche Verhandlung erfordert, lässt sich nicht in jedem Fall annehmen. Maßgeblich ist, ob die angegriffene planerische Festsetzung auf sein Grundeigentum unmittelbar einwirkt und welche konkreten Beeinträchtigungen bspw. erst in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren zu beurteilen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87).

Insbesondere bei befürchteten Lärmimmissionen lässt sich der tatsächliche Eintritt einer rechtlich erheblichen Belästigung in der Regel erst für das konkrete Verfahren beurteilen, so dass in diesem Fall das Baugenehmigungsverfahren zur Bewältigung auftretender Probleme zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.07.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87). Im vorliegenden Fall steht dem nicht im Plangebiet liegenden Nachbarn der Rechtsschutz durch eine Nachbarklage offen, so dass bereits von daher die Annahme einer unmittelbaren Beeinträchtigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK durch die Einbeziehungssatzung ausgeschlossen ist. Darüber hinaus liegt eine Ausnahmesituation, in der von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, auch deshalb vor, weil der Fall offensichtlich und einfach gelagert ist (vgl. EuGH, Urteil vom 26.07.2017 – C-348/16 – NVwZ 2017, 1449 Rn. 47).“

2. Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren

„Der Antrag des Antragstellers nach § 47 Abs. 1 VwGO ist zulässig. Die insoweit erforderliche Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann hier noch angenommen werden. Antragsbefugt sind natürliche und juristische Personen, wenn sie geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass er durch die Norm in seinen Rechten verletzt wird (st. Rechtsprechung, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18.11.2002 – 9 CN 1.02 – BVerwGE 117, 209).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall die Antragsbefugnis noch bejaht werden. Der Antragsteller hat sich insbesondere auf erhöhte Lärmimmissionen berufen sowie darauf, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans einen Riegel auf der Fläche … errichten würde, hinter dem das Wasser abgeleitet werde und in den Bereich seines Grundstücks abfließe.“

3. Prägung von Außenbereichsflächen im Sinne von § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB

„Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB kann die Gemeinde durch Satzung einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind. Die Regelung beschränkt die Möglichkeit, Flächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einzubeziehen, nicht – wie früher § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB a. F. – mehr auf eine bloße Abrundung. Entscheidend ist für die Einbeziehung die Prägung der einbezogenen Flächen durch die angrenzende Bebauung. Bei der Einbeziehung einer Fläche, die jenseits einer Straße liegt, ist es entscheidend, ob die Straße trennende Wirkung entfaltet oder nicht (vgl. VGH BW, Urteil vom 27.06.2007 – 3 S 128/06 – juris). Eine solche trennende Wirkung hat die M.straße nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen nicht.

Im Übrigen setzt eine Prägung der Außenbereichsflächen im Sinn von § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB voraus, dass dem angrenzenden (Innen-)Bereich im Hinblick auf Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche die erforderlichen Zulässigkeitsmerkmale für die Bebaubarkeit dieser Flächen entnommen werden können (vgl. BayVGH, Urteil vom 08.06.2010 – 15 N 08.3172 – juris; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: April 2022, § 34 Rn. 117). Dies ist hier der Fall und wurde auch vom Antragsteller nicht substantiiert in Frage gestellt.“

[…]

[1] Dessen Satz 4 regelt nur eine Hinweispflicht über Art und Umfang der im konkreten bEM zu verarbeitenden Daten.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 1.12.2022 – 2 N 21.530

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 16/2023, Rn. 186.