Rechtsprechung Bayern

Anordnung der Detailuntersuchung einer stillgelegten Deponie

© Michael Mihin - stock.adobe.com

Auf einem als Bauschuttdeponie genutzten Müllablagerungsplatz wurde der Verdacht schädlicher Bodenveränderung bestätigt. Gegen die betreibende Gemeinde wurde eine Detailuntersuchung sowie eine Gefährdungsabschätzung angeordnet. Eine Klage der Gemeinde auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ab.

Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 13.4.2023 lag auszugsweise folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin, eine Gemeinde, betrieb von 1958 bis 1977 in einer ehemaligen Kiesgrube eine gemeindliche Hausmülldeponie. Im Zuge der Einführung der Kreismüllabfuhr zum 1.6.1977 überließ die Klägerin den gemeindlichen Müllablagerungsplatz dem zum Verfahren beigeladenen Landkreis mittels Vertrags zur Weiterverwendung als Bauschuttdeponie. In diesem Vertrag war u.a. geregelt, dass die Klägerin den Ablagerungsplatz einrichtet, ihn im Auftrag des Landkreises betreibt und ihn nach Verfüllung rekultiviert. Im Jahr 1983 kam es zum Abschluss der Verfüllung der Kreisbauschuttdeponie, die Rekultivierung wurde in den Folgejahren in Zusammenhang mit dem Neubau einer Kläranlage auf dem benachbarten Grundstück durchgeführt.

Im Rahmen einer einzelfallbezogenen Überprüfung von Altablagerungen stellte das Landratsamt in einem Aktenvermerk am 1.12.2008 fest, dass die Nachsorgephase der verfahrensgegenständlichen ehemaligen Deponie bereits in der Vergangenheit und vor dem 3.8.2001 abgeschlossen und keine weiteren Maßnahmen gegenüber dem Betreiber gefordert wurden; demnach unterliege die Fläche den Bestimmungen des Bodenschutzrechts.

Mit Schreiben vom 2.6.2014 teilte das Landratsamt der Klägerin mit, dass die im Altlastenkataster erfassten Altablagerungen auf der Fläche der ehemaligen Hausmülldeponie den Bestimmungen des Bodenschutzrechts unterlägen und aufgrund des Verdachts auf das Vorliegen von schädlichen Bodenveränderungen im Rahmen der Amtsermittlung untersucht würden. Die orientierende Untersuchung erhärtete 2014 den Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung. Das Wasserwirtschaftsamt bestätigte 2015 den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung und stellte fest, dass umgehend weiterführende, im Einzelnen näher aufgezählte Detailuntersuchungen zu veranlassen seien. Mit Schreiben vom 26.8.2015 forderte das Landratsamt die Klägerin auf, die fachlich notwendige Detailuntersuchung zu beauftragen.

Mit Bescheid vom 7.7.2021 verpflichtete das Landratsamt die Klägerin, Detailuntersuchungen im Bereich der ehemaligen gemeindlichen Hausmülldeponie durchzuführen, sowie aufbauend auf deren Ergebnissen eine Gefährdungsabschätzung für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser vorzunehmen. Gegen diesen Bescheid erhob die Gemeinde Klage und widersprach ihrer Inanspruchnahme. Das Landratsamt übergehe die Vorrangigkeit des Abfallrechts gegenüber dem Bodenschutzrecht, welches nur bei einer endgültigen Stilllegung der Deponie anwendbar sei. Demnach sei der Landkreis als letzter Betreiber der Deponie nach Abfallrecht heranzuziehen. Aber auch unter Anwendung des Bodenschutzrechts sei der Bescheid rechtswidrig, da der Landkreis die Deponie sechs Jahre betrieben habe und damit jedenfalls als Mitverursacher bei der Störerauswahl zu berücksichtigen sei.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Dem Beschluss des VGH entnehmen wir:

1. Feststellung der Beendigung der Nachsorgephase in Altfällen

„Die Klägerin bringt vor, dass kein Bescheid nach § 9 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) i.d.F. der Bek. vom 17.3.1998 (BGBl I S. 502), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.2.2021 (BGBl I S. 306), hätte ergehen dürfen, da es aufgrund einer fehlenden Feststellung mittels Verwaltungsakts nach dem früheren § 36 Abs. 5 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG) i.d.F. der Bek. vom 27.7.2001 (BGBl I S. 1450) bzw. § 40 Abs. 5 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) i.d.F. der Bek. vom 24.2.2012 (BGBl I S. 212) nicht zu einem Regimewechsel vom Abfall- zum Bodenschutzrecht gekommen sei. Auch wenn die Feststellung der endgültigen Stilllegung auf Antrag erfolge, solle dies lediglich dem Deponiebetreiber eine Möglichkeit bieten, die Rechtsunsicherheit selbst aus der Welt zu schaffen. Die Entbindung der zuständigen Behörde von der Pflicht, eine verbindliche, außenwirksame Form bei eigenständiger Feststellung der Beendigung der Nachsorgephase zu treffen, sei nicht ersichtlich.

Damit stellt das Zulassungsvorbringen nicht die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Frage, dass die Verfüllung der verfahrensgegenständlichen Deponie 1983 beendet und die Rekultivierung 1985 abgeschlossen wurden und mangels weiterer Tätigkeiten auf dem Gelände die ehemalige Deponie seitdem endgültig stillgelegt ist. Dieses Ergebnis hat die Klägerin im gesamten Verfahren nicht angezweifelt, vielmehr entspricht es ihrer eigenen Auffassung, da sie selbst davon ausgeht, dass die Deponie endgültig stillgelegt und die Nachsorgephase beendet ist, wodurch aber der Anwendungsbereich des Bodenschutzrechts eröffnet ist. So hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, die Klägerin habe durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben, dass die ehemalige Hausmülldeponie aus der Nachsorge entlassen und als Altlast zu behandeln ist, was von der Klägerin im Zulassungsverfahren nicht in Abrede gestellt wird und sich ohne weiteres der Behördenakte entnehmen lässt:

Bereits in einem ,Erhebungsbogen zur Aktualisierung des Altlastenkatasters im Bereich des Landkreises …‘ gab die Klägerin am 13.10.1993 u.a. die Auskunft, dass die Fläche inzwischen rekultiviert ist … Mit Schreiben vom 19.6.1996 wurde die Klägerin um weitere Auskunft u.a. zur verfahrensgegenständlichen Fläche im Rahmen der Erhebung nach Art. 27 Abs. 2 des damaligen Bayerischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes zur Führung des Altlastenkatasters gebeten … Die verfahrensgegenständliche Fläche wurde in der Folgezeit…in das Altlastenkataster eingetragen, was der Klägerin bekannt war … Auch in ihrem Antrag auf Förderung an die GAB … gab die Klägerin an, dass die Stilllegung 1983 erfolgte und die Nachsorgephase bereits beendet ist …

Wenn nun die Klägerin darauf abstellt, dass die verfahrensgegenständliche Fläche nicht den bodenschutzrechtlichen Regelungen unterliegen sollte, erscheint ihr Verhalten widersprüchlich und vermag nicht die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen.

Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Fläche um eine 1983 faktisch stillgelegte Deponie handelt. Das Verwaltungsgericht hat in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass erstmalig mit der Neufassung des § 36 KrW-/AbfG vom 27.9.1994 (BGBl I S. 2705) durch Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27.7.2001 (BGBl I S. 1450) eine Feindifferenzierung für die Beendigung des Deponiebetriebs bis zum Ende der Nachsorgephase mit einer bestimmten zeitlichen Abfolge der Stilllegung einer Deponie mit den Phasen Stilllegung, endgültige Stilllegung und Abschluss der Nachsorgephase und insbesondere die Möglichkeit einer förmlichen behördlichen Feststellung der Stilllegung eingeführt wurde, die es vorher nicht gegeben hatte.

Nachdem diese Stufenfolge erst durch das Gesetz vom 27.7.2001 eingeführt wurde, kann es nicht zur rechtlichen Einordnung von Stilllegungsvorgängen herangezogen werden, die lange vor dieser Gesetzesänderung stattgefunden haben. Anknüpfungspunkt muss daher eine gleichsam einstufige Stilllegung sein, also die tatsächliche und endgültige Einstellung des Betriebes der Deponie, welche unstrittig 1983 erfolgte (vgl. BayVGH, Beschluss vom 9.7.2003 – 20 CS 03.103 – juris Rn. 22). Nachdem in diesen Altfällen für den damaligen Deponiebetreiber keine Möglichkeit bestand, durch Verwaltungsakt die endgültige Stilllegung (§ 36 Abs. 3 KrW-/AbfGi.d.F. vom27.7.2001 bzw. § 40Abs. 3KrWG) bzw. den Abschluss der Nachsorgephase (§ 36 Abs. 5 KrW-/AbfG i.d.F. vom 27.7.2001 bzw. § 40 Abs. 5 KrWG) verbindlich feststellen zu lassen, geht das Verwaltungsgericht in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass der Aktenvermerk des Landratsamts vom 1.12.2008 vorliegend die konkludente Feststellung der endgültigen Stilllegung und des Abschlusses der Nachsorgephase darstellt.

Mit diesen Ausführungen setzt sich die Klägerin in ihrem Zulassungsvorbringen nicht auseinander und legt insbesondere nicht dar, weshalb die verfahrensgegenständliche Deponie noch dem abfallrechtlichen Regime unterfallen könnte. Wenn die Klägerin formal eine Pflicht der zuständigen Behörde zur eigenständigen Feststellung der Beendigung der Nachsorgephase (auch) ohne vorherige Antragstellung durch den Betreiber der Deponie von Amts wegen sehen will, hat sie nicht aufgezeigt, weshalb dies bei Altfällen – wie hier – nicht durch Aktenvermerk erfolgen könnte.

[…]

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13.4.2023 – 24 ZB 22.2208

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 16/2023, Rn. 188.