Rechtsprechung Bayern

Sondernutzungsgebühren für eine Freischankfläche

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) befasste sich im unten vermerkten Urteil vom 14.03.2023 zur Gültigkeit einer Sondernutzungsgebührensatzung. Eine Gaststättenbetreiberin wandte sich gegen die rückwirkende Erhebung von Nutzungsgebühren einer Freifläche.

Folgender Sachverhalt lag zugrunde:

Die Klägerin betrieb bis Ende Juni 2016 eine Gaststätte im Stadtgebiet der Beklagten. In den Jahren 2011 bis 2014 erteilte die Beklagte der Klägerin jährlich eine straßen- und wegerechtliche Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von Tischen und Stühlen auf öffentlichem Verkehrsgrund. Im selben Bescheid wurden neben der Verwaltungsgebühr von 150,- € jeweils Sondernutzungsgebühren für 12 Monate in Höhe von insgesamt 975,75 € erhoben. Zugrunde gelegt waren folgende Daten: Fläche 24,06 m2 + 54 m2; Straßengruppe II; Jahresgebühr je m2 12,50 €. Zum 1.5.2014 traten für das Stadtgebiet der Beklagten neu gefasste Sondernutzungsrichtlinien in Kraft. Zeitgleich überarbeitete die Beklagte ihre Sondernutzungsgebührensatzung, deren Neufassung zum 1.1.2015 in Kraft trat. Dadurch wurden u.a. im zugehörigen Gebührenverzeichnis die Gebührensätze für Freischankflächen erhöht und das Straßengruppenverzeichnis angepasst.

Am 17.8.2016 erließ die Beklagte einen Gebührenbescheid, in dem sie zunächst feststellte, dass gemäß vorliegender straßen- und wegerechtlicher Sondernutzungserlaubnis bzw. Baugenehmigung in den Jahren 2015 und 2016 eine Freischankfläche von insgesamt 78,06 m2 auf öffentlichem Verkehrsgrund betrieben wurde. Zugleich wurde pro Jahr eine Sondernutzungsgebühr von 3.634,- €, festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass wegen eines Abrechnungsfehlers für die Jahre 2015 und 2016 fälschlicherweise die zu der Freischankfläche gehörende 54 m2 große Dreiecksfläche nicht in die Berechnung miteinbezogen worden sei. Da dieser Fehler erst im Rahmen eines Betreiberwechsels aufgefallen sei, erfolge nun die rückwirkende Erhebung der Gebühren. Den eingelegten Widerspruch wies die Regierung 2018 vollumfänglich zurück.

Auf die dagegen erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht (VG) den Bescheid der Beklagten aufgehoben. Zur Begründungwurde ausgeführt, dass für die erhobenen Gebühren bereits eine wirksame Rechtsgrundlage fehle. Die dem Gebührenbescheid zugrundeliegende Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten sei insoweit nichtig, als sie für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren nach verschiedenen Straßengruppen differenziere und eine pauschale Verdopplung der Gebührensätze für Freischankflächen vorsehe. Die Satzung verstoße gegen die Vorgaben ihrer Ermächtigungsgrundlage sowie gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz. Die vom VG zugelassene Berufung der Stadt hatte überwiegend Erfolg. Dem Urteil des VGH ist auszugsweise Folgendes zu entnehmen:

1. Zulässigkeit der Heranziehung der örtlichen Lage der Freischankfläche als Orientierungspunkt für die Gebührenstaffelung

„Bei der Bemessung der Sondernutzungsgebühren sind nach Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Dem trägt die Sondernutzungsgebührensatzung … zusammen mit dem Gebührenverzeichnis ausreichend Rechnung.

Die Höhe der Gebühren wird…bestimmt durch die Verkehrsbedeutung der Straßen, Wege und Plätze, in denen die Sondernutzung ausgeübt wird, durch den wirtschaftlichen Wert für den Benutzer, durch den Umfang, in dem der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann, und durch die Dauer der Sondernutzung. Die konkreten Gebühren ergeben sich aus dem …Gebührenverzeichnis …Dort sind je nach Art der jeweiligen Sondernutzung unterschiedliche Gebührentatbestände aufgeführt.

Bei Freischankflächenwird zusätzlich noch differenziert zwischen Flächen vor Gaststättenbetrieben oder vor Gewerbebetrieben … Das Ausmaß der Einwirkung auf die Verkehrsfläche wird bei Freischankflächen dadurch berücksichtigt, dass die beanspruchte Fläche je angefangenem Quadratmeter in Rechnung gestellt wird … Einfluss auf die Gebührenhöhe hat daneben das der Satzung beigefügte Straßengruppenverzeichnis. Dieses teilt die Straßen, Wege und Plätze nach ihrer Bedeutung in unterschiedliche Straßengruppen ein…Die Sondernutzungsgebührensatzung dient damit den in der Ermächtigungsgrundlage genannten legitimen Gebührenzwecken.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Satzungsgeber mithilfe des Straßengruppenverzeichnisses auch die örtliche Lage der Freischankfläche als Orientierungspunkt für die Gebührenstaffelung herangezogen hat. Damit berücksichtigt die Satzung das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners. Mit zunehmender Verkehrsbedeutung der Straße steigt der mutmaßliche wirtschaftliche Wert der Flächennutzung. Dem entspricht es, dass die Beklagte die Straßen, Wege und Plätze je nach ihrer Bedeutung in vier Straßengruppen (vom Außen- bis zum Innenstadtbereich in den Gruppen I bis III und S) eingeteilt und die Gebühren entsprechend der Einteilung gestaffelt hat … Dies stellt dem Grunde nach ein schlüssiges Konzept der Straßeneinteilung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.1988 – 4 C 14.88 – DVBl 1989, 415 = juris Rn. 19 ff.; Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand September 2021, Art. 18 Rn. 39).“

2. Keine Überschreitung des Gestaltungsspielraums bei der Festlegung der Gebührenhöhe

„Das Gebührenverzeichnis zur Sondernutzungsgebührensatzung vom 10.7.2014 wurde hinsichtlich des Gebührentatbestandes Freischankflächen…geändert…Dieser Gebührenverdopplung lagen unterschiedliche Erwägungen der Beklagten zugrunde. Zum einen wurden zeitgleich mit der Änderung der Sondernutzungsgebührensatzung die Richtlinien für Sondernutzungen an den öffentlichen Straßen…überarbeitet, was im Bereich der Freischankflächen zu liberaleren Gestaltungsregeln und einer probeweisen Verlängerung der Betriebszeiten führte. Der damit einhergehende größere wirtschaftliche Wert von Freischankflächen bei gleichzeitiger Eingrenzung des Gemeingebrauchs sollte seinen Niederschlag in entsprechenden Gebührensätzen finden. Zum anderen sollte im Gebührensatz abgebildet werden, dass die Sondernutzungserlaubnisse seit dem 1.1.2015 unbefristet erteilt werden und damit die bislang jährlich erhobene Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühr entfällt…

Als weiterer Aspekt kam für die Beklagte hinzu, dass bei einem bundesweiten Vergleich sich die… geltenden Gebühren gegenüber denen anderer deutscher Großstädte als relativ niedrig herausgestellt haben. Auch nach der Verdopplung der Gebührensätze je Straßengruppe liegen die Gebühren nach den von der Beklagten erhobenen Daten bundesweit gesehen nicht an der Spitze … In die Betrachtung des wirtschaftlichen Werts, den Freischankflächen für ihre Betreiber haben, hat die Beklagte zudem die Höhe der Gewerbemieten und -pachten einbezogen, die in … in entsprechender Lage marktüblich sind … Hinzu kam die Überlegung, dass die Gebühren in den letzten Jahren nur geringfügig angepasst wurden, obwohl die Begrenzung der Freischankflächensaison auf die Sommerzeit aufgegeben und damit eine deutlich umfangreichere Nutzung als früher möglich wurde…

Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Beklagte bei Heranziehung dieser unterschiedlichen Erwägungen ihren Gestaltungsspielraum überschritten hat. Es erscheint vielmehr nachvollziehbar, dass die Beklagte neben den geänderten äußeren Rahmenbedingungen für die Freischankflächenbetreiber auch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in die Gebührenkalkulation einbezogen hat und sich an den Gebührensätzen anderer deutscher Großstädte, die von ihrer Attraktivität vergleichbar sind, orientierte. Zwischen der möglichen ökonomischen Verwertbarkeit der eingeräumten Nutzung und der Gebührenhöhe ist kein unangemessenes, d.h. unzumutbar belastendes Verhältnis ersichtlich. Weder von der Klägerin dargelegt noch sonst für den Senat erkennbar ist, dass die erhöhten Gebühren zur Unwirtschaftlichkeit der Sondernutzung führen könnten, zumal die Wirtschaftlichkeit allein der Risikosphäre des Einzelnen zuzurechnen ist und eine Behörde nicht die individuelle Gewinnerwartung eines Sondernutzers zu berücksichtigen hat (vgl. OVG Berlin-Bbg, Urteil vom 27.8.2014 – 1 B 57.11 – juris Rn. 32 m.w.N.).

Die Beklagte hat damit kalkuliert, dass die Verdopplung der Sondernutzungsgebühren bei gleichzeitigem Wegfall der Verwaltungsgebühr für die Betreiber von Freischankflächen in der Innenstadtlage eine knappe Tageseinnahme ausmacht…Mit Blick auf die niedrigeren Sondernutzungsgebühren außerhalb der Innenstadtlage erscheint diese Berechnung auf die anderen drei Straßengruppen übertragbar. Insgesamt zeigt sich damit, dass die Beklagte die Wirtschaftskraft der ansässigen Gaststättenbetreiber berücksichtigt hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die erhöhte Sondernutzungsgebühr bei ihnen nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führt.“

[…]

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14.3.2023 – 8 BV 21.1145

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 17/2023, Rn. 199.