Rechtsprechung Bayern

Diebstahl unter Mitwirkung strafunmündiger Kinder

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In einem Münchner Supermarkt versuchte eine Frau mit rumänischer Staatsangehörigkeit – unter Miteinbeziehung von dreien ihrer minderjährigen Kinder – Konsumgüter im dreistelligen Bereich zu entwenden. Das Amtsgericht München urteilte im Fall von Diebstahl in mittelbarer Täterschaft.

Sachverhalt

Die 41–jährige Angeklagte ist rumänische Staatsangehörige und in München wohnhaft. Sie kann weder lesen noch schreiben, sie hat keinen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung. Sie lebt in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft und hat insgesamt acht Kinder im Alter zwischen vier und einundzwanzig Jahren. Die Wohnkosten werden vom Jobcenter übernommen, darüber hinaus bezieht die gesamte Familie bzw. Bedarfsgemeinschaft Sozialleistungen in Höhe von insgesamt 2.400 € monatlich.

Die Angeklagte hat kein eigenes Konto, die Sozialleistungen fließen auf ein Konto ihres Lebensgefährten. Kontakt zum Stadtjugendamt M. besteht nach Angaben der Angeklagten nicht, dementsprechend erfolgen auch keine Hilfeleistungen im Rahmen der Kindererziehung.

Die Angeklagte ist mehrfach vorbestraft. An einem Tag im September 2021 gegen 17:12 Uhr entwendete die Angeklagte im gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit drei ihrer schuldunfähigen Kinder in den Geschäftsräumen der Firma Aldi, …–straße in München, einen Staubsauger, Nahrungsmittel, Haushaltsartikel und Kosmetikartikel im Wert von circa 150,00 €. Dabei ging sie dergestalt vor, dass sie sich mit den drei schuldunfähigen Kindern in die Filiale begab und dort zunächst mit diesen Pfandflaschen zurückgab. Anschließend legten alle vier gemeinsam die Waren in den Einkaufswagen. Sodann begaben sie sich in Richtung des Kassenbereichs. Zwei der schuldunfähigen Kinder schoben anschließend, wie von der Angeklagten zuvor angewiesen und beabsichtigt, den Einkaufswagen am Kassenbereich vorbei, ohne die Ware zu bezahlen. Die Angeklagte stellte sich zeitgleich mit dem dritten schuldunfähigen Kind an einer der Kassen an, um die Pfandbons einzulösen. Die beiden schuldunfähigen Kinder luden derweil, wie von der Angeklagten zuvor angewiesen und beabsichtigt, mit dem Jugendlichen Alberto S. auf dem Parkplatz die Waren in den Pkw Marke BMW. Mitarbeiter der Aldi-Filiale sprachen die Angeklagte schließlich auf das Verhalten ihrer Kinder an. Daraufhin eilte die Angeklagte nach draußen auf den Parkplatz. Nach einem kurzen Gespräch mit den Mitarbeitern begab sie sich mit diesen wieder in die Filiale. Währenddessen parkte eine nicht zweifelsfrei feststellbare Person den Pkw rückwärts aus der Parklücke aus. Die Angeklagte begab sich daraufhin wieder zurück nach draußen zu dem Pkw und stieg auf der Fahrerseite ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Vorfall bereits die Aufmerksamkeit anderer Kunden erregt, welche verbal auf die Angeklagte einwirkten. Die Angeklagte und die Begleiter verließen daraufhin den Pkw und flüchteten.

StGB – §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB

Zur Strafzumessung bei gemeinsam mit schuldunfähigen Kindern begangenem Diebstahl und erheblichen Vorstrafen der Haupttäterin (nichtamtlicher Leitsatz).

Amtsgericht München, Urt. v. 30.05.2022 – 857 Ds 468 Js 196433/21

Aus den Gründen

Die Angeklagte hat die Tat vollumfänglich eingeräumt. Als Grund für die Tat gab sie die schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse an. Die Angeklagte hat sich des Diebstahls in mittelbarer Täterschaft gemäß den §§ 242 I, 243 I Satz 1, Satz 2 Nr. 3, 25 I Variante 2 StGB strafbar gemacht. Das Gericht geht auch von einer gewerbsmäßigen Begehung aus. Entnommen ist die Strafe dem Strafrahmen des § 243 StGB, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Besondere Umstände, die ausnahmsweise die Regelwirkung entfallen ließen, liegen nicht vor.

Angeklagte unterstützt Aufklärung des Geschehens

Zugunsten der Angeklagten spricht, dass sie die Tat vollumfänglich eingeräumt hat. Bereits im Ermittlungsverfahren hatte die Angeklagte über ihren Rechtsanwalt u. a. den Autoschlüssel zum auf dem Parkplatz zurückgebliebenen Fahrzeug der Polizei übergeben. Die Tat sei nicht von langer Hand geplant gewesen, der Tatentschluss sei eher spontan entstanden. Die Angeklagte bereute die Tat und gab an, dass so etwas nicht wieder vorkommen werde. Strafmildernd ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den entwendeten Waren um Lebensmittel oder Gegenstände des alltäglichen Bedarfs gehandelt hat.

Finanziell minderbemittelte Lebensumstände

Zugunsten der Angeklagten spricht auch, dass sie sich in einer angespannten wirtschaftlichen Situation befunden hat. Strafschärfend fallen jedoch die erheblichen und zahlreichen Vorstrafen der Angeklagten ins Gewicht. So wurde die Angeklagte bereits mehrfach wegen Diebstahlsdelikten zu Jugend– oder Freiheitsstrafen verurteilt, die auch vollstreckt wurden. Ganz erheblich gegen die Angeklagte spricht, dass sie die Tat mithilfe von auch schuldunfähigen Kindern begangen und diese damit an die Begehung von Diebstahlstaten herangeführt hat. Unter Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Umständen hält das Gericht eine Freiheitsstrafe von acht Monaten für tat– und schuldangemessen. Die Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da das Gericht nicht die Erwartung hat, dass sich die Angeklagte die Verurteilung allein zur Warnung dienen lässt und künftig straffrei lebt.

Erziehungsverantwortung nicht wahrgenommen

Eine günstige Sozialprognose kann der Angeklagten nicht bescheinigt werden. Zwar lebt sie in gesicherten sozialen Verhältnissen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass sich die wirtschaftliche Situation der Angeklagten auf absehbare Zeit ändern wird. Durch die Tat ist auch offensichtlich geworden, dass die Angeklagte ihrer Erziehungsverantwortung jedenfalls gegenüber den beteiligten schuldunfähigen Kindern nicht nachgekommen ist.

Auch in Anbetracht der Betreuung minderjähriger Kinder stellt eine unbedingte Freiheitsstrafe keine unbillige Härte für die Angeklagte dar. So gab sie an, dass die Kinder während ihrer letzten Haftstrafe von ihrem Lebensgefährten bzw. ihrer Familie betreut wurden. Diese Erfahrung hat die Angeklagte auch nicht davon abgehalten, weitere Straftaten zu begehen.

 

Entnommen aus den Neuen Polizeiarchiv 9/2023, Lz. 337.