Rechtsprechung Bayern

Kein Anspruch auf Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeit auf Konzeptpapier

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Nichtamtliche Leitsätze:

  1. Das Landesjustizprüfungsamt darf durch „Hinweise“ regeln, dass die zu bewertende Prüfungsarbeit nur die Bearbeitung im Prüfungsheft ist. Regelungen, die nur dazu dienen, die äußeren Prüfungsbedingungen und Einzelheiten des Prüfungsverlaufs geschäftsmäßig zu ordnen, haben im Allgemeinen nicht das Gewicht und die Bedeutung, die es erforderlich machten, sie einer Entscheidung des Gesetzgebers zu unterstellen.
  2. Ein Prüfling hat die Pflicht, sich im Zweifelsfall bei der jeweiligen Prüfungsbehörde Gewissheit über die prüfungsrechtlichen Vorgaben zu verschaffen.

VG München, Urteil vom 20.12.2022, M 4 K 22.4098 (rechtskräftig)

Zum Sachverhalt:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die von ihm im ersten Versuch der Ersten Juristischen Staatsprüfung 2022 auf so genanntem Konzeptpapier gefertigte schriftliche Prüfungsarbeit durch zwei Prüfer bewerten zu lassen und sein Gesamtergebnis der Ersten Juristischen Staatsprüfung unter Berücksichtigung dieser Bewertung insoweit aufzuheben und entsprechend neu zu verbescheiden. Mit Schreiben vom22. Februar 2022 lud der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für die Erste Juristische Staatsprüfung den Kläger zur Anfertigung der schriftlichen Arbeit. In diesem Ladungsschreiben wurden die Prüflinge unter anderem aufgefordert, sich „zunächst die unter https://www.justiz.bayern.de/landesjustizpruefungsamt, Rubrik (linke Seite) ‚Downloadbereich Prüflinge‘ dort für den Termin „EJS 2022/1 – schriftliche Prüfung“ bereitgestellten Dokumente herunterzuladen. In diesem Downloadbereich für Prüflinge befand sich das Hinweisdokument „Erste Juristische Staatsprüfung Hinweise für den Ablauf der Prüfung“. Unter 2. enthält dieses Dokument den folgenden Hinweis:

„Die Bearbeitungen der Prüfungsaufgaben sind in deutscher Sprache, in Langschrift und in einem sogenannten Prüfungsheft, das Ihnen zur Verfügung gestellt wird, zu fertigen. Die Blätter des Prüfungsheftes sind beidseitig zu beschreiben. Es dürfen keine Blätter, auch keine leeren oder durchgestrichenen, entfernt werden. Schreibpapier (Konzeptpapier) darf nicht mitgebracht werden, es wird zur Verfügung gestellt. Beschriebenes Konzeptpapier darf nicht abgegeben werden“.

Der Kläger trat zur schriftlichen Prüfung der Ersten Juristischen Staatsprüfung 2022 zur Anfertigung der ersten schriftlichen Prüfungsarbeit an. Ihm wurde ein Arbeitsplatz in der ersten Reihe des Prüfungsraums zugewiesen. Dort lag ein sogenanntes Prüfungsheft. Die erste Seite des Prüfungshefts, das linksseitig mit zwei Heftklammern gebunden ist, enthält zwischen diesen den vertikalen Hinweis „Nicht öffnen!“ und sieht im Übrigen wie folgt aus:

[…]

Vor Beginn der Prüfung belehrte die Prüfungsaufsicht die Prüfungsteilnehmer unter anderem wie folgt:

„Die Prüfungsarbeiten müssen in deutscher Sprache und in Langschrift abgefasst werden. […] Es dürfen nur die zur Verfügung gestellten Prüfungshefte verwendet werden. Das Öffnen (Entklammern) und die Entnahme von Blättern, auch von durchgestrichenen und unbeschriebenen, ist nicht erlaubt. Die Blätter des Prüfungsheftes sind unter Beachtung der bereits aufgedruckten Seitenzahlen beidseitig zu beschreiben. Nur wenn in einem Ausnahmefall ein Prüfungsheft nicht ausreichen sollte, erhält der Prüfling ein weiteres. Dieses zusätzliche Prüfungsheft ist gegebenenfalls handschriftlich ebenfalls mit Prüfungs- und Aufgabennummer, Tagesdatum sowie auffällig mit dem Wort ‚Fortsetzung‘ zu versehen. Die Angabe des Namens oder eines sonstigen Kennzeichens, mittels dessen auf den Verfasser der Arbeit geschlossen werden könnte, ist unzulässig. Die Prüfungsarbeit darf nicht unterschrieben werden. Auf Konzeptpapier angefertigte Lösungsskizzen oder Notizen dürfen nicht abgegeben werden, sie werden nicht angenommen“.

Konzeptpapier lag bei den Prüfungsaufsichten aus und konnte von den Prüfungsteilnehmern dort selbst genommen werden, was der Kläger auch tat. Der Kläger fertigte seine gesamte Prüfungsarbeit auf dem Konzeptpapier an. Am Ende der Prüfungszeit stellte er fest, dass die anderen Prüfungsteilnehmer – anders als er – ihre Arbeiten in dem Prüfungsheft erbracht hatten, und informierte die Prüfungsaufsicht. Diese forderte den Kläger nach telefonischer Rücksprachemit der örtlichen Prüfungsleitung auf, sämtliche Seiten des beschriebenen Konzeptpapiers zu nummerieren und seine Kennziffer anzubringen. Die Blätter wurden in das unbeschriebene Prüfungsheft eingelegt und zu den anderen Prüfungsarbeiten genommen. Am folgenden Tag teilte eine andere Aufsichtsperson dem Kläger mit, dass das Prüfungsamt informiert worden sei und eine Entscheidung ergehen werde. Der Kläger brauche sich „keine Gedanken“ zu machen.

Das Konzeptpapier wurde nicht an die Prüfer zur Bewertung gegeben. Beide Prüfer bewerteten die Prüfungsleistung im unbeschriebenen Prüfungsheft mit „ungenügend“ (0 Punkte). Mit Schreiben vom 27. Juni 2022 teilte das Landesjustizprüfungsamt dem Kläger unter anderem mit, dass seine schriftlichen Prüfungsarbeiten wie folgt bewertet worden seien:

[…]

und er als Gesamtnote der schriftlichen Prüfung 8,83 – befriedigend erzielt habe.

Mit Prüfungsbescheinigung vom … … 2022 bescheinigte die Vorsitzende des Prüfungsausschusses für die Erste Juristische Staatsprüfung, dass der Kläger die Erste Juristische Staatsprüfung (Teil der Ersten Juristischen Prüfung) mit der Prüfungsgesamtnote vollbefriedigend (9,07) bestanden habe.

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2022 ließ der Kläger am selben Tag durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erheben und beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom … … 2022 zu verpflichten, die Prüfungsaufgabe 1 im Zivilrecht, gefertigt am … … 2022 im Prüfungstermin 2022/1, durch zwei Korrektoren fachlich korrigieren und bewerten zu lassen, und entsprechend des Korrekturergebnisses das Gesamtergebnis der Ersten Juristischen Staatsprüfung des Klägers neu zu verbescheiden.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in BayVBl 17/2023, S. 607.