In dem unten vermerkten rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg (VG) vom 19.7.2023 war über die Klage gegen ein von der Gemeinde ausgeübtes Vorkaufsrecht aus einer Vorkaufssatzung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) zu entscheiden. Der Grundstückskäufer und Kläger machte unter anderem geltend, dass die Gemeinde die Vorkaufssatzung ursprünglich in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen habe und diesen Fehler nicht durch bloße Wiederholung nur des Satzungsbeschlusses in öffentlicher Sitzung mit rückwirkendem Inkraftsetzen hätte heilen können. Vielmehr hätte das gesamte Normsetzungsverfahren wiederholt werden müssen. Diesem Einwand ist das VG zwar nicht gefolgt. Es gelangte aber zu dem Ergebnis, dass die Vorkaufssatzung tatbestandlich nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gedeckt ist und hob deswegen den Vorkaufsbescheid auf. Seinem Urteil entnehmen wir:
1. Formelle Rechtmäßigkeit der Vorkaufssatzung
Zur Frage der Heilung des Verfahrensfehlers der Beschlussfassung in nichtöffentlicher Sitzung führt das VG aus: „Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die am 23.4.2008 beschlossene Vorkaufssatzung der Beklagten in nichtöffentlicher Sitzung und damit unter Verstoß gegen Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO erlassen wurde. Diese Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes stellt nach herrschender Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung einen Verstoß gegen tragende Verfahrensprinzipien der Kommunalverfassung dar, der die Ungültigkeit des Satzungsbeschlusses und damit die Nichtigkeit der Satzung zur Folge hat (BayVGH, Urteil vom 26.1.2009 – 2 N 08.124 – juris Ls und Rn. 8; Beschluss vom 29.1.2018 – 20 CS 17.1824 – juris Rn. 18; …). Allerdings bewirkt das rückwirkende Inkraftsetzen der Vorkaufssatzung gemäß § 214 Abs. 4 BauGB mit Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 18.1.2023, dass zuvor ergangene Verwaltungsentscheidungen hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit nunmehr so zu beurteilen sind, als ob die Satzung bereits zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens wirksam geworden wäre (BayVGH, Urteil vom 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 14 m.w.N.; Uechtritz, BeckOK BauGB, Spannovsky/Uechtritz, Stand: 1.3.2023, § 214 Rn. 147 m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Klagepartei unterliegt das rückwirkende Inkraftsetzen keinen absoluten zeitlichen Grenzen. Auch wenn der geheilte Fehler bereits lange zurückliegt, ist ein rückwirkendes Inkraftsetzen zulässig (BVerwG, Beschluss vom 10.8.2000 – 4 CN 2.99 – juris Rn. 24).
Eine ungültige Norm darf rückwirkend durch eine gültige Norm ersetzt werden, weil das Vertrauen der Betroffenen in das Fortbestehen der Ungültigkeit einer Norm nicht schutzwürdig ist (BVerfG, Beschluss vom 15.11.1967 – 2 BvL 7/64 u.a. – juris Rn. 61). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, stellt sich die rückwirkende Anordnung des Inkrafttretens eines Bebauungsplans bzw. einer Satzung nach Heilung von Form- oder Verfahrensfehlern nicht als eine materielle Planänderung dar, für die eine Öffentlichkeitsbeteiligung geboten wäre (BVerwG, Beschluss vom 18.1.2011 – 4 B 2.11 – juris Rn. 6). Auch ist ein erneut in Kraft gesetzter Bebauungsplan bzw. hier eine erneut in Kraft gesetzte Vorkaufssatzung nicht allein deshalb nichtig, weil die Gemeinde trotz nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage keine erneute Abwägungsentscheidung getroffen hat.
Nur in Ausnahmefällen, wenn das ursprünglich fehlerfreie Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, oder bei Funktionslosigkeit des Plans scheidet eine Fehlerbehebung aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.2008 – 4 BN 5.08 – juris Rn. 5 m.w.N.). Für die Annahme einer derartigen Funktionslosigkeit oder Unvertretbarkeit, dass wegen grundlegender Änderung der Sach- oder Rechtslage für die ursprüngliche Abwägungsentscheidung sozusagen ,die Geschäftsgrundlage weggefallen‘ ist (vgl. OVG RhPf, Urteil vom 29.11.2012 – 1 A 10543/12 – juris Ls und Rn. 29), fehlt es vorliegend an greifbaren Anhaltspunkten. Solche sind vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen worden. Vielmehr ergibt sich nach Aktenlage sowie unter Berücksichtigung des Beklagtenvortrags, dass die Grundsituation bei den vom Geltungsbereich der Vorkaufssatzung erfassten Grundstücken im Ortskern weitgehend unverändert ist.“
[…]Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern Heft 6/2024, Rn. 62.